Short Storys

Das Ende der Liebe, ein Zombiefilm

Eine niedergeschlagene Frau lehnt ihren Kopf auf einen Koffer
Keine Hoffnung, nirgends: In Lorrie Moores Kurzgeschichten geht die Liebe selten gut aus. © imago / Westend61
Von Manuela Reichart · 24.06.2015
In Lorrie Moores neuen Erzählband "Danke, dass ich kommen durfte" geht es um Trennungen, Verletzungen und Überlebensversuche im Paar-Kampf. Auf wenigen Seiten entwirft Moore Biografien und komplizierte Verhältnisse, meint Manuela Reichart.
Der Mann ist seit sechs Monaten geschieden und kriegt seinen Ehering immer noch nicht vom Finger. Oder vielleicht will er ihn auch gar nicht abziehen, weil es dann noch eine Hoffnung gibt. Aber die ist in Wahrheit lange dahin, die Exfrau hat mit der Tochter das Weite gesucht, sich in neuen Liebesverhältnissen eingerichtet. Er sucht nach einem Ausweg aus der Einsamkeit und schliddert in eine Affäre mit einer lange schon geschiedenen Tierärztin, die ein extrem enges Verhältnis zu ihrem halbwüchsigen Sohn hat. Ein wenig Sex, ein paar Gespräche, keine Achtung oder wirkliche Zuwendung. Keine Hoffnung, nirgends.
Wenig Grund, an die Liebe zu glauben
Ein anderer abgelegter Ehemann trägt auf der Hochzeitsfeier seiner ehemaligen Frau ein T-Shirt mit dem Aufdruck "Danke, dass ich kommen durfte" – und versucht sich überflüssigerweise als Held hervorzutun. Eine überraschte Ehefrau nimmt die Scheidungspapiere entgegen, während ihr Mann im Keller werkelt, ein lange schon getrenntes Liebespaar besucht ihren psychotischen Sohn in der Klinik.
In Lorrie Moores Erzählungen gibt es wenig Grund, freudig an die Liebe zu glauben. Sie seziert Gefühle und Haltungen, kommt falschen Hoffnungen und verdrehten Vorstellungen auf die Spur. Auch das Paar, das sich einst in der Friedensbewegung kennengelernt hat, möchte sich inzwischen am liebsten umbringen. Und der geschiedene Mann mit dem Ehering am Finger muss erkennen, dass er wirkliches Glück nur empfunden hatte, als er noch mit Frau und Tochter lebte.
Lebenswelten voller Angst und Traurigkeit
Dass die Menschen es trotzdem immer wieder versuchen mit der Liebe, das grenzt an ein Wunder. Die Autorin nähert sich ihren Figuren vorsichtig, lässt ihnen Raum und Würde; sie erzählt lakonisch von den Wunden und Überlebensversuchen im Paar-Kampf.
Vor allem aber beherrscht sie die Kunst der Short Story perfekt: Auf wenigen Seiten entwirft sie Biografien und komplizierte Verhältnisse, nimmt uns mit in ferne Lebenswelten voller Traurigkeit und Angst, Verzweiflung - und Komik. Von einem Mann, der die Zeichen der Zeit mit Hilfe der Schönheitschirurgie verstecken will, heißt es:
"Er wolle lieber wie jeck aussehen als wie sechsundfünfzig."

Lorrie Moore: Danke, dass ich kommen durfte. Short Storys
Aus dem amerikanischen Englisch von Frank Herbert
Berlin Verlag, Berlin 2015
207 Seiten, 19,99 Euro