Ausflug ins viktorianische Zeitalter

Drei ziemlich erfolgreiche "Sherlock"-Staffeln hat die BBC bisher produziert. In denen jagt der berühmtesten Detektiv der Welt die Verbrecher in der Gegenwart. Für eine Episode katapultiert der Sender dieselben Schauspieler nun zurück - in die viktorianische Vergangenheit.
"Mein Name ist Sherlock Holmes und die Adresse ist 221B, Bakerstreet."
So sprach Sherlock zu Beginn seiner Karriere als neuer Serienstar der BBC. Angekommen im 21. Jahrhundert, ohne Pfeife und komischen Hut, aber mit der gleichen Exzentrik und schnöseligen Arroganz wie Arthur Conan Doyle sie ihm eingeschrieben hat. Doch bewegten er und sein Assistent sich eben noch durchs moderne London, sind sie plötzlich wieder da, wo sie hingehören: Im späten 19. Jahrhundert. Der Soldat James Watson hat gerade so den zweiten anglo-afghanischen Krieg überlebt und kehrt heim.
"Ich kehrte nach England zurück mit unwiederbringlich ruinierter Gesundheit und trüben Zukunftsaussichten. Unter diesen Umständen zog es mich natürlich nach London – die große Jauchegrube, in die alle Faulenzer und Müßiggänger des Empires unvermeidlich hineingespült werden."
Exakt dasselbe Szenario wie am Anfang der Serie, nur war es damals der sehr heutige Afghanistankrieg, aus dem Watson zurückkehrte und zum ersten Mal seinem ebenso genialen wie durchgeknallten zukünftigen Freund begegnete.
"Ich weiß, dass Sie Militärarzt sind und invalid aus Afghanistan zurückkehrten. Sie haben einen Bruder, der sich Sorgen um Sie macht, aber Sie wollen ihn nicht um Hilfe bitten, weil Sie ihn nicht respektieren, möglicherweise, weil er Alkoholiker ist. Wahrscheinlicher, weil er vor kurzem seine Frau verlassen hat. Und ich weiß, dass Ihr Therapeut denkt, dass Ihr Hinken psychosomatisch ist, und das ganz zurecht, fürchte ich. Das genügt doch für den Anfang, finden Sie nicht?"
Die Hinrichtung will Sherlock nur ungern verpassen
Damals wie heute peitscht Sherlock gerade tote Körper, um herauszufinden, ob sie auch in diesem Zustand blaue Flecken bekämen. Allerdings ist sein Zeitvertreib nach Feierabend ein etwas anderer ...
"Wir besprechen die Einzelheiten morgen Abend, wenn Sie mich jetzt entschuldigen, ich muss zu einer Hinrichtung in Wentworth, und es wäre mir unlieb, wenn man ohne mich anfinge."
Und wenig später haben die beiden ihren Fall: eine Braut, die offenbar von Wahnsinn, Rachsucht oder beidem getrieben mit einem Gewehr auf verschiedene Männer schießt, um sich schließlich selbst ins Nirwana zu befördern.
Wäre alles halb so schlimm, würde die Gute nicht irgendwann von den Toten aufstehen und auf sehr neblige und übrigens auch sehr britische Weise ihr Unwesen treiben.
Scotland Yard wächst die Sache natürlich über den Kopf, weshalb Inspektor Lestrade Unterstützung bei Holmes und Watson sucht und findet. Und die wiederum finden wie immer ihre ganz eigenen Wege auf der Suche nach der Wahrheit.
"Das Jagdfieber, das pulsierende Blut in Ihren Adern, nur Sie und ich gegen den Rest der Welt!"
Und Sie kommen der Wahrheit näher, aber nicht nur ihr, sondern auch einem alten Bekannten ...
"Ich bin Moriarty, der Napoleon des Verbrechens. – Moriarty ist tot! – Nicht in Ihrem Kopf, da werde ich niemals tot sein. Sie haben Ihr Gehirn mal als Festplatte bezeichnet, nun dann begrüßen Sie jetzt den Virus! So finden wir unser Ende, wir beide. Es ist immer hier und immer gemeinsam."
Der ewig Böse und eigentlich Tote ist wieder da und führt Sherlock tatsächlich dorthin zurück, wo mal der Anfang vom Ende war, das sich dann wiederum als Ende vom Anfang entpuppte. Zu den Reichenbachfällen.
"Ihr Gehirn ist wirklich beeindruckend, Moriarty, ich bewundere es. Es könnte sogar möglicherweise meinem ebenbürtig sein. Aber wenn es zu einem unbewaffneten Kampf am Rande eines Abgrundes kommt, dann stürzen Sie ins Wasser, Sie Wichtel."
Ist ja alles gut und schön, aber warum die ganze Chose jetzt wieder im alten England und nicht heute? – Das ist natürlich ein Geheimnis, das in den Labyrinthen des Sherlockschen Gedächtnispalastes verborgen ist. Und da geht es mitunter nicht mit rechten Dingen zu, was möglicherweise mit gewissen Substanzen zu tun hat, die der Wahrheitsfindung dienen sollen.
Grandiose Ausstattung, schnelle Schnitte und lustige Dialoge
Bleibt noch die Frage, was die tote Braut da eigentlich die ganze Zeit treibt? Sie oder ihr Geist oder was auch immer führt die beiden kühnen Ermittler in finstere Gewölbe und am Ende zu einer mehr oder weniger überraschenden Erkenntnis.
"Sie können versichert sein, dass es in dieser Welt keine Geister gibt, außer denen, die wir selbst heraufbeschwören."
Ein schönes Fazit für einen raffinierten und zwischen den Zeiten irrlichternden Sherlock-Film mit einer grandiosen Ausstattung, wie immer atemberaubend schnellen, geistreichen und lustigen Dialogen und zwei Hauptdarstellern, von denen man sich wünscht, sie mögen nie wieder damit aufhören, Sherlock und Watson zu sein.
"Ich denke jedenfalls, ich würde mich in so einer Welt wie zuhause fühlen. – Ha, ich denke, ich eher nicht. – Da bin ich anderer Ansicht, aber ich habe schon immer gewusst, dass ich meiner Zeit voraus bin."