Sharon Dodua Otoo über "Adas Raum"

Traumata, Hautfarbe und ein weiblicher Blick auf Geschichte

14:03 Minuten
Sharon Dodua Otoo
Stellt Schwarz-Weiß-Bilder in Frage: die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo. © imago images / Horst Galuschka
Sharon Dodua Otoo im Gespräch mit Frank Meyer · 24.02.2021
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Die Ingeborg-Bachmann-Preisträgerin Sharon Dodua Otoo hat mit "Adas Raum" einen viel beachteten Debütroman vorgelegt. Er erzählt die Lebensgeschichte von vier verschiedenen Frauen aus unterschiedlichen Jahrhunderten.
Die Schriftstellerin Sharon Dodua Otoo beschreibt sich selbst als Schwarze, britische Mutter, Aktivistin, Autorin und Herausgeberin. 2016 las sie in Klagenfurt den Text "Herr Gröttrup setzt sich hin" und bekam den Ingeborg-Bachmann-Preis.
Dieser Text ist nun das Fundament, auf dem Otoos Debütroman "Adas Raum" aufbaut. Er erzählt die Lebensgeschichte von vier verschiedenen Frauen aus unterschiedlichen Jahrhunderten mit dem Namen Ada. "Da geht es um Trauma und traumatische Vergangenheit. Darum, wie diese bis in die Gegenwart wirkt", beschreibt Otoo ihr Buch.
Dabei sei ihr sehr wichtig gewesen, einen weiblichen Blick auf das Weltgeschehen zu werfen: "Es war mein Eindruck, dass Geschichte überwiegend aus einer männlichen Perspektive erzählt wird. Da geht es vorwiegend darum, der Erste, der Größte oder der Stärkste zu sein. Ich wollte das aus einer anderen Perspektive anschauen und die vermeintlich kleinen Geschichten erzählen, die nicht in den Geschichtsbüchern auftauchen."

Opfer und Täter

Zum Beispiel die Geschichte einer polnischen Ada, die 1945 im KZ Mittelbau-Dora Zwangsprostituierte war. Prostitution wurde dort als Ansporn für die männlichen Gefangenen eingesetzt. Otoo will mit dieser Geschichte klare Schwarz-Weiß-Bilder in Frage stellen und zeigen, dass Opfer in einem anderen Kontext auch Täter sein können. Außerdem sei es ihr darum gegangen, etwas zu erzählen, das oft verschwiegen worden sei, sagt die Autorin. Sie habe die Geschichte der von den Nationalsozialisten zwangsprostituierten Frauen würdigen wollen.
Durch die Aufteilung in zwei weiße und zwei schwarze Adas möchte Otoo auch auf soziale Konstrukte aufmerksam machen: "Tatsächlich war es mir wichtig, in dem Buch zu zeigen, dass die sogenannte Hautfarbe oder Rassifizierung nicht ein biologisches Gesetz ist, sondern in einem Kontext entsteht. Die werden zu Weißen und Schwarzen gemacht. Das passiert durch Interaktionen im Alltäglichen, das passiert durch die große Bewegung der Weltgeschichte. Durch Kolonialismus wurden Menschen in Afrika versklavt, als minderwertig bezeichnet und behandelt."

Weiß und schwarz

Damit stößt Otoo in eine Debatte, die über den Debütroman der ebenfalls Schwarzen Autorin Olivia Wenzel ("Tausend Serpentinen Angst") geführt wurde. Im Mittelpunkt stand die Frage, inwiefern die oftmals weißen Kritikerinnen und Kritiker überhaupt die Perspektive schwarzer Autorinnen nachvollziehen können.
"Ich glaube nicht, dass das ein Problem ist, wenn weiße Menschen über Schwarze Literatur schreiben", sagt Otoo. "Es ist wichtig, sich klarzumachen, dass es eine weiße Perspektive ist. Wir können alle alles lesen und alle alles beurteilen, wenn wir wollen. Aber wir kommen zu Geschichten mit unseren eigenen Brillen auf. Ich schaue auf viele Sachen mit einer explizit Schwarzen Brille. Das passiert auch aus einer weißen männlichen Perspektive. Dies gilt es deutlich zu machen."
(hte)
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