Shakespeares "Lear" und Lotz' "Die Politiker" am DT Berlin

Spröder Abend mit furioser Schauspielerin

06:42 Minuten
Die Schauspielerin Cordelia Wege in einer Szene des Stücks "Lear" in der Regie von Sebastian Hartmann am Deutschen Theater in Berlin. Sie trägt ein dunkles Kleid und sitzt auf der Bühne. Hinter ihr erstrahlen kreisrunde Leuchtröhren vor einem gelben Hintergrund.
Cordelia Wege lieferte zum Schluss des Abends einen grandiosen Monolog. © Arno Declair
Barbara Behrendt im Gespräch mit Johannes Nichelmann · 30.08.2019
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Der Regisseur Sebastian Hartmann hat Shakespeares Drama "König Lear" um Macht und Verrat am Hof eines alternden Königs einen Text des Dramatikers Wolfram Lotz nachgestellt. Unsere Kritikerin Barbara Behrendt musste lange auf starke Momente warten.
Der Regisseur Sebastian Hartmann zeige in seiner Inszenierung "Lear" nach William Shakespeare was von einer Person bleibe, wenn sie gestorben ist, was das Erbe ist und was man den nachfolgenden Generationen hinterlässt, sagt Theaterkritikerin Barbara Behrendt.

Ein Angsttrip des Untergangs und der Hoffnungslosigkeit

"Er geht darin existenziellen Endzeitträumen nach. Es geht hier nicht um eine Analyse des 'Lear', es ist vielmehr ein Angsttrip des Sterbens, des Untergangs und der Hoffnungslosigkeit. Hartmann erzählt Stücke grundsätzlich nicht nach, sondern er assoziiert zu einem Thema und diese Frage des Erbes stellt er dem Abend als Prolog voran."
Die Figur des großen Königs sei in dieser Inszenierung eine Leerstelle, so Behrendt. "Das ist eine stumme Rolle. Er liegt schon im Sterben. Da werden zwei Krankenbetten auf die Bühne geschoben und darin liegen zwei Männer in Nachthemden. Alles was um sie herum passiert, ist ihr eigener fiebriger Erinnerungsstrom, sie delirieren und fantasieren."
Die Schauspieler Elias Arens, Birgit Unterweger und Markwart Müller-Elmau in einer Szene des Stücks "Lear" in der Regie von Sebastian Hartmann am Deutschen Theater in Berlin.
Elias Arens, Birgit Unterweger und Markwart Müller-Elmau in "Lear" in der Regie von Sebastian Hartmann am DT Berlin.© Arno Declair
Der Versuch des Regisseurs Urängste freizuschaufeln und einen Trip daraus zu machen bleibe aber spröde. "Vom großen Bilderkosmos Hartmanns ist hier wenig zu sehen und die großen Fragen des Lebens sind mir emotional fern geblieben, da ist nichts Drängendes. Es gab auch einige Abgänge im Publikum während dieser ersten beiden Stunden."

Der Höhepunkt des Abends kommt zum Schluss

Den Text "Die Politiker" des Dramatiker Wolfram Lotz hat Hartmann als Monolog ans Ende des Abends gestellt.
"Cordelia Wege spricht ihn allein und rast furios durch diese 30 Minuten, die zum einsamen Höhepunkt des Abends werden. Alles was in den zwei Stunden davor an Intensität gefehlt hat, ist dann plötzlich da. Der Text passt wegen der aneinandergereihten Assoziationsfetzen gut zum Abend. Da steht der Tod immer vor Augen, wie ein Hilferuf aus der Einsamkeit und Finsternis. Das ist hochpoetisch und es ist nicht immer einfach dem auf der Bühne zu folgen, aber so atemlos und intensiv, traurig und verzweifelt wie Cordelia Wege am Bühnenrand agiert, das hat mich begeistert", meint Behrendt.
(rja)
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