Mehr Spaß im Bett
34:55 Minuten
Sex soll kein Stress sein, sondern entspannen, sagt Ann-Marlene Henning. Die Sexologin klärt Jugendliche auf und hilft Paaren, ihre Lust wiederzufinden – ganz locker und unverkrampft. Wenn sie Worte wie „Schamlippen“ hört, geht sie an die Decke.
Schon wieder über Sex sprechen? Da ist doch schon alles gesagt, von Oswald Kolle, Dr. Sommer, Erika Berger oder Ruth Westheimer. Das stimmt, sagt die Sexologin Ann-Marlene Henning. Aber jede Generation scheint ihre eigene Aufklärung zu brauchen. Die gebürtige Dänin führt in ihrer Hamburger Praxis Sexualberatungen durch und ist auch erfolgreiche Autorin. Gerade ist ihr sechstes Buch erschienen "Sex verändert alles", ein Aufklärungsbuch für Jugendliche und eine Art Update ihres Bestsellers "Make Love".
"In dem ersten Buch ‚Make Love‘ waren Themen nicht drin, die heute drin sein müssen. Zum Beispiel muss man mit Jugendlichen mehr sprechen über Medien, was es macht und wie sie sich zeigen, was sollte man tun, was nicht, die ganze Genderthematik. Denn man sucht ja seine eigene Identität. Die sollte man entspannt finden dürfen, ohne viel Diskriminierung und Sexismus. Je mehr man weiß, desto besser."
Generation Porno
Was sich im Vergleich zur Generation der Babyboomer verändert hat: das Schamgefühl, gekoppelt mit einem wachsenden Optimierungsdruck. "Dieses in der Schule: Ich dusche nur mit Badehose oder Bikini, niemand soll mich sehen. Früher hat man geduscht, heute wird geguckt: rasiert oder nicht rasiert, welche Figur, wie groß ist der Penis. Der Optimierungsdruck ist da, sobald jemand nackt ist. Auch bei der ersten Begegnung: Wir ziehen uns aus, jetzt haben wir gleich Sex. Was ich so höre: ‚Was, kommt überhaupt nicht in Frage, die hatte Haare, da bin ich gleich gegangen.‘"
Viele Jugendliche informieren sich im Internet über Sex. 60 Prozent aller 13-jährigen Jungen schauen Pornos, mit 16 sind es 80 Prozent - bevor sie mit dann 17,5 Jahren den ersten realen Geschlechtsverkehr haben. Den Aufklärungsunterricht in Schulen sieht Ann-Marlene Henning kritisch. Dazu sollten Fachleute von außen kommen.
"Das macht übrigens oft der Physiklehrer oder ein anderer. Was meist gemacht wird, wenn es überhaupt gemacht wird, ist die Hydraulik des Penis, die Tage der Frau und dann Geschlechtskrankheiten. Da geht es auch schnell um negative Dinge: Pass auf, dass du nicht schwanger wirst, dass du dir nichts einfängst. Das ist auch richtig. Aber was meist komplett fehlt, ist die Freude. Das schöne Gespür, was Sexualität mit einem machen kann, mit sich allein oder einem Menschen, den man mag. Studien zeigen, dass Jugendliche am liebsten und am meisten in Beziehungen leben."
Kulturschock in Hamburg
Ann-Marlene Henning stammt aus Dänemark. Der Umgang mit Sexualität war für die 55-Jährige schon als Kind unverkrampft. Mit zwanzig kam sie nach Hamburg – der Liebe wegen.
"Das war schon ein Schock, so jung mit einer anderen Mentalität. Da habe ich gelitten. Ich arbeitete in der Südbank, einer dänischen Bank und musste jeden Tag rüber zur Zentralbank Geld bringen, zu Fuß. Da wurde ich sehr schlecht behandelt. Wie reden die hier mit einem? Das Beamtentum in Deutschland ist so anders, so hierarchisch und machtorientiert."
Sie jobbte dann als Model, bevor sie an der Hamburger Universität Neuropsychologie studierte. Ein Schicksalsschlag: eine schwere Operation, als bei ihr Aneurysmen im Gehirn diagnostiziert wurden. In der Folge litt sie an Angstattacken und wurde medikamentenabhängig.
In Kopenhagen ließ sie sich zur Sexologin ausbilden – ein Studiengang, den die skandinavischen Länder damals anboten. Seit kurzem kann man das Fach auch in Deutschland studieren, in Merseburg, wo Ann-Marlene Henning 2016 auch noch einen deutschen Abschluß machte.
Neues Licht im Schlafzimmer
Erfrischend unverkrampft spricht Ann-Marlene Henning über Sexualität. In ihrer Hamburger Praxis bietet sie Paartherapien und Sexualberatung an. Ihre Klienten kommen wegen Erektionsstörungen, Schmerzen beim Geschlechtsverkehr, Lustlosigkeit im Bett. Nicht immer ist es einfach, darüber zu sprechen. Nehmt euch mehr Zeit füreinander, lasst euch mehr auf den anderen ein, schafft Gelegenheiten, verführt euch, rät die Sexologin.
"Verführen heißt, den anderen dazu zu bringen, ganz gerne das mitzumachen, was ich möchte. Das kann so simpel sein, zum Beispiel ‚ne Kerze ins Schlafzimmer zu stellen. Oft frage ich: wie ist Ihr Schlafzimmer, wie ist die Situation in dem Raum, in dem Sie Sex haben wollen? Was ich da höre, das geht gar nicht. Oft fragen die Leute dann: Soll ich ‚ne neue Lampe kaufen?‘ ‚Ja!‘ Konkret werden im Schlafzimmer, ne kleine Veränderung, ganz klein anfangen."
(svs)