Serie: Frauen im Bauhaus - Lucia Moholy

Ein Leben lang Kampf um Anerkennung

Negativ von Lucia Moholy
Negativ von Lucia Moholy © picture alliance/Liszt Collection
Von Lotta Wieden · 05.01.2019
Lucia Moholy ist eine bedeutende und lange Zeit unterschätzte Fotografin. Mit ihren Bildern vermarktete Gropius das Bauhaus. Dort bekam sie für ihre Arbeit weder Geld noch Anerkennung - und um ihre Negative aus der Bauhaus-Zeit musste sie ihr Leben lang kämpfen.
"Also sie war wohl eine von den Frauen, die nicht so sehr gern ans Bauhaus gekommen sind", sagt die Kunsthistorikerin Adriana Kappsreiter*. "Sie fand Dessau sehr langweilig. Sie hat auch so sinngemäß gesagt: Dessau, das kommt ihr vor, als wenn man auf Reisen ist und den Anschlusszug verpasst hat und dort festhängt."
Lucia Moholy ist 29 Jahre alt, als sie ans Bauhaus kommt. Ihrem Ehemann, dem Künstler László Moholy Nagy nachfolgend, der gerade von Walter Gropius als Meister nach Weimar und später Dessau berufen wird. Es ist das Jahr 1923. Hinter Lucia liegt ein Studium der Philosophie, Pädagogik und Anglistik, sie spricht vier Sprachen, arbeitet als Redakteurin und Lektorin, zuletzt im Ernst-Rowohlt Verlag Berlin. Den Lebensunterhalt für sich und ihren anderthalb Jahre jüngeren Mann hat bislang vorwiegend sie bestritten.

Neuanfang in der Provinz

Und nun - Provinz. Neuanfang: "Und Dessau war auch wirklich ein bisschen weit weg vom Schuss. Und Lucia Moholy war wirklich auch eine super progressive Frau, der genau das eben gar nicht gefallen hat. Also, die wollte eindeutig am Puls der Zeit sein, hat aber dann eben doch irgendwie das Beste draus gemacht", sagt Kappsreiter. Und sich noch einmal in die Lehre begeben: Lucia Moholy lässt sich in Weimar bei Otto Eckner zur Fotografin ausbilden, belegt Kurse für Reproduktionsfotografie in Leipzig und beginnt zeitgleich am Bauhaus zu fotografieren, Arbeiten von Bauhausschülern: Keramik, Möbel, Metall, und das Bauhaus selbst. Adriana Kappsreiter: "Und es ist ja auch tatsächlich so, dann die berühmtesten Fotos des Dessauer Schulgebäudes fast alle von Lucia sind."

Kein Geld und kein Ruhm für die Arbeit

Ihre Fotos sind der neuen Sachlichkeit verpflichtet. Konzentration aufs Wesentliche, kein Schnickschnack. Ein Stil ganz im Sinne von Walter Gropius, der ihre Bilder für Repräsentationszwecke nutzt. Geld bekommt Lucia Moholy dafür nicht, erklärt Kappsreiter: "Ihr Mann war am Bauhaus, der wurde bezahlt, Geld war sowieso immer knapp. Und man hat das allgemein so ein bisschen verstanden, fast so ein bisschen kommunenmäßig: die Frauen, die einheirateten ins Bauhaus, die tragen Ihrs halt auch dazu bei. Aber so extra Besoldung oder extra Lorbeeren, Ruhm und Ehre gab's halt nicht so."
Lucia entwickelt neue Foto-Techniken, schreibt an Artikeln und sitzt nächtelang in der Dunkelkammer - doch in den Bauhaus-Büchern und Broschüren erscheint ihr Name selten. "Und in Lucias Fall war's besonders bitter. Nicht nur, dass sie kein Geld bekommen hat, sondern weil, als sie sehr viel später, schon als Hitler die Macht übernommen hatte, ihre Negative zurückverlangte von Gropius, es riesige Probleme gab", sagt Kappsreiter.

Streit um die Negative

1928 geht Lucia zurück nach Berlin, trennt sie sich von ihrem Mann László, verliebt sich in den Kommunisten Theodor Neubauer. Als der 1933 von den Nationalsozialisten verhaftet wird, flieht Lucia Hals über Kopf nach London. Zurück bleibt ihr gesamtes Archiv - mehr als 500 Glasnegative, die sie der Obhut Walter Gropius anvertraut, und später - von London aus - zurückfordert. Adriana Kappsreiter: "Gropius wollte die Negative nicht rausrücken, bis nach dem Krieg wollte er sie nicht rausrücken. Die Fotos waren für ihn Teil der Vermarktung des Bauhauses, und deshalb wollte er nicht davon ablassen."
Nach Kriegsende arbeitet Lucia als Fotografin bei der UNESCO, ist vor allem im Nahen Osten unterwegs. Bis an ihr Lebensende kämpft sie um ihre Negative und die Anerkennung ihrer Arbeit am Bauhaus.
*In einer früheren Version dieses Textes stand, wir hätten mit der Bauhausforscherin Ulrike Müller gesprochen. Das ist jedoch nicht korrekt, es handelt sich um die Kunsthistorikerin Adriana Kappsreiter.
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