Dritte Staffel von "For All Mankind"

Heile Welt, bis es knallt

06:16 Minuten
Ein amerikanischer Astronaut steht auf dem Mond.
In „For All Mankind“ guckt der amerikanische Astronaut nicht schlecht. Die Sowjetunion hat in der Serie das Rennen zum Mond gewonnen. © imago images/Apple TV/Courtesy/Everett Collection
Von Stefan Mesch · 09.06.2022
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In „For All Mankind“ verläuft die Geschichte anders. Sowjetische Kosmonauten erreichen zuerst den Mond und beschleunigen damit die technische Entwicklung. Eine Wohlfühlserie – nicht nur für Weltraumfans.
Ab 1996 wollte die US-Serie "Dark Skies" in jeder Staffel ein ganzes Jahrzehnt erzählen: Politik, Verschwörungen und Aliens von 1960 bis ins neue Jahrtausend. Nach 19 Folgen wurde die fade UFO-Serie beendet. Doch seit 2019 versucht sich Apple an derselben Struktur: Das Raumfahrt-Melodram "For All Mankind" zeigt bisher keine Aliens, sondern viel Fortschritt, Zeitgeist und die Diskriminierungen in der NASA ab 1969.
In je zehn Folgen geht es bis ins Jahr 1974 (Staffel 1), 1983 (Staffel 2) und 1995 (Staffel 3). Figuren altern oder sterben, viele wachsen über sich hinaus und erfinden sich neu: In insgesamt sieben geplanten Staffeln werden Mondlandungen, Mond-Kolonien, Reisen zum Mars erzählt – als "Alternate History", "alternative Weltgeschichte".
Damit ist nicht gemeint: Es gibt Portale in ein Parallel-Universum, bei dem der Mars 1995 besiedelt werden kann, und Figuren reisen aus dieser Parallelwelt in unsere oder andere Zeitlinien. Sondern schlicht: Wäre Raumfahrt seit Jahrzehnten weiter, hätte sie politisch eine höhere Priorität?

Die UdSSR gewinnt das Rennen zum Mond

Auch in der Erzählwelt von "For All Mankind" landen Neil Armstrong und Buzz Aldrin im Juli 1969 auf dem Mond. Doch schon im Juni gelang eine Mondlandung der UdSSR – und diese Kränkung ist für Präsident Nixon und seinen Nachfolger Ted Kennedy ein Feld des Kalten Krieges, entscheidender als etwa Vietnam: Weil die Sowjets 1970 auch eine Frau auf den Mond schicken, werden verstärkt Astronautinnen ausgebildet. 1983 gibt es bessere Handys, erste E-Autos und die NASA kann sich selbst finanzieren: Raumfahrt als Innovationstreiber.

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Diese Grundbehauptung der teuren, stilsicheren und elegant inszenierten Serie wirkt oft säuerlich: "Wir könnten schon viel weiter sein. Mehr Geld für NASA, und wir wären längst auf dem Mars!" Doch viele weltpolitischen Probleme werden nicht gelöst, sondern klug und vertrackt verschoben: Gibt es 1995 noch eine DDR? Was wäre gewonnen mit einer republikanischen Präsidentin, die Bill Clinton ersetzt?

Die Serie "24" lässt grüßen

"For All Mankind" feiert Idealismus, Engagement, Vielfalt und Teamwork in einem Tonfall, der oft an "Star Trek"-Serien wie "The Next Generation" erinnert. In meist sehr stillen, intensiven, grandios gespielten Szenen fassen Bürokrat:innen und Astronaut:innnen, Ingenieur:innen und Angehörige Mut und Vertrauen. Sofort danach aber knallt und eskaliert es im Stil von "24" oder Sandra Bullocks Raumfahrt-Thriller "Gravity".

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Ronald D. Moore, einer der drei "For All Mankind"-Produzenten, prägte in den 90ern "Star Trek: Deep Space Nine" und später "Battlestar Galactica". Weil "For All Mankind" recht trostlos und gekränkt beginnt ("Die Russen sind auf dem Mond. Was nun?!"), fand das Historien-Gedankenspiel 2019, in Staffel 1, recht wenig Resonanz. Budget und Zukunft der Prestige-Serie gelten aber als gesichert, weil Apple-Chef Tim Cook ein großer Fan ist.

Besser Leben durch die Raumfahrt

"For All Mankind" ist eine intensive, packende, überragend menschliche und warmherzige Serie. Kritisch – doch nie zynisch. Optimistisch – aber nie naiv. Eine riesige, intime Erzählwelt, in der kleine Momente oft noch Jahrzehnte später große Unterschiede machen. Spannungs- und Gefühls-TV für alle ab ca. 13.
Und die Serie ist nie düsterer oder garstiger als nötig. Zwar hat Apple bislang nicht alle Episoden der aktuellen Staffel zur Rezension freigegeben. Doch so oft, wie bislang in Nebensätzen lobend erwähnt wird, dass die Kernergie sicherer werde und das neue Element Helium-3 die Raumfahrt voran bringe, ist absehbar, dass die Serie gerade erst Schwung holt, um an diesen Behauptungen zu rütteln.
Falls Raumfahrt das Klima retten kann, wird "For All Mankind" vor allem zeigen, welche Fehler und Risiken alles zunichte machen könnten. Und dann, in sicher unvergesslichen Szenen: wie uns Engagement und Idealismus weiterbringen.
"For all Mankind": bisher 30 Folgen in drei Staffeln, auf Apple TV+Staffel 3 wöchentlich ab Freitag, 10. Juni.
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