Sender "Ost West TV"

Aufklärung gegen Putins Propaganda

08:32 Minuten
Die Medienlandschaft wird in Russland schon lange vom Staat dominiert. Hier: Live-Fragestunde an Präsident Putin 2003.
Die Medienlandschaft wird in Russland schon lange vom Staat dominiert. Hier: Live-Fragestunde an Präsident Putin 2003. © picture alliance / dpa / epa Ilnitsky
Peter Tietzki im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 14.06.2022
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"Ost West TV" sendet aus Berlin – als einer der letzten unabhängigen russischsprachigen Nachrichtensender Europas. Einst ein kleiner Privatkanal, bietet er nun bedrängten Journalisten aus Russland und der Ukraine Arbeit.
Sie senden aus einer kleinen Büroetage in Berlin-Charlottenburg: die Medienmacher des Senders "Ost West TV". Der TV-Kanal gilt mittlerweile als einer der letzten unabhängigen russischsprachigen Sender in Europa und ist über YouTube auch in Russland zu sehen. "Ost West TV" versucht, über die Propaganda Putins aufzuklären.
Das Mittel dafür scheint simpel: „einfach die Wahrheit sagen“, so der Gründer des Senders Peter Tietzki. "Wir versuchen, unparteiisch zu sein, Menschen nur von der Wahrheit zu überzeugen. Das ist wirklich schwer genug."

„Ein sehr, sehr starker Gegner“

Schließlich habe die Redaktion es mit einem "sehr, sehr starken Gegner" zu tun. Mit "hollywoodreifen" Großproduktionen hätten russische Staatssender jahrelang das Narrativ von westlichen Verschwörungen gepflegt, denen sich das russische Volk entgegenstellen müsse, sagt Tietzki. "Das verfängt in Russland, auch teilweise in Deutschland bei vielen Menschen, nicht nur bei den Älteren."
Trotzdem erreiche der Sender nach wie vor Nutzerinnen und Nutzer in Russland, betont Tietzki. Auch über Facebook würden über 200.000 User das Angebot verfolgen, obgleich das Portal in Russland inzwischen offiziell verboten wurde, "über YouTube noch mehr". Mittlerweile seien bei "Ost West TV" auch Journalisten tätig, "die wirklich in Russland berühmt waren".

Ein Pianist kämpft für die Pressefreiheit

Dass „Ost West TV“ zum Aushängeschild der Pressefreiheit geworden ist, dafür sogar mit dem Förderpreis der Deutschen Nationalstiftung ausgezeichnet wurde, war beim Start vor 25 Jahren nicht abzusehen.

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Sein Gründer Peter Tietzki ist eigentlich Pianist, zog Anfang der 90er aus dem ukrainischen Charkiw nach Berlin. „Und dann haben wir gemerkt, dass die russischsprachigen Menschen hier in Berlin einfach viele Fehler machen, vieles nicht verstehen“, sagt Tietzki. Also gründete er kurzerhand den Sender als Informationsmedium für die russische Community.

Der Tschetschenien-Krieg als Zäsur

Seit dem zweiten Tschetschenien-Krieg änderte sich die Arbeit und Ausrichtung des Senders. „Da haben wir gemerkt, nach Interviews mit tschetschenischen Flüchtlingen, wie brutal sie in der russischen Armee in tschetschenischen Dörfern vorgehen", erklärt Tietzki. "Das sehen wir heute auch in der Ukraine.“
„Ost West TV“ wurde mehr und mehr zum aufklärenden Nachrichtensender. Bei der russischen Botschaft seien sie von da an „nicht mehr herzlich willkommen“ gewesen, so Tietzki.

„Das ist einfach grausam“

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 habe sich die Arbeit in der Redaktion noch einmal geändert. Viele hätten den Einmarsch Russlands zwar schon erwartet, sagt Tietzki. „Aber trotzdem war der Schock groß, dass man so richtig hart gegen die Zivilbevölkerung vorgeht, gegen Städte, Wohngebiete. Das passiert auch heute in meiner Heimatstadt Charkiw.“
Viele der Journalistinnen und Journalisten seien deswegen auf psychologische Hilfe angewiesen: „Die leiden unter Depressionen. Die sehen die Bilder mit Körperteilen. Das ist für uns alle einfach grausam. Das habe ich niemals gedacht, dass unsere Arbeit mit so schlimmen Sachen verbunden wird.“

Hoffen auf eine neue Regierung

Trotzdem arbeitet die Redaktion weiter, möchte das eigene Angebot sogar um einen neuen 24-Stunden-Nachrichten-Kanal ausweiten. Peter Tietzki hat die Hoffnung, dass "Ost West TV" damit auch einen Beitrag zur Beendigung des Krieges leisten kann:
„Wir als Journalisten, als TV-Sender können nur weiterhin versuchen, die russische Bevölkerung zu überzeugen, dass sie dringend eine neue, demokratisch gewählte Regierung brauchen.“
(lkn)
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