"Start! Wende! Ziel!"
Früher war Segeln ein Nischensport. Heute schaut das Publikum kurze Rennen auf der Großbildleinwand oder im Internet. Die "Segelbundesliga" revolutioniert den Sport - aber ist er wirklich attraktiv genug für ein breites Publikum?
Komplizierte Manöver außer Sichtweite. Jeder Starter bringt sein Boot mit und jeder Zuschauer sein Fernglas. So war Segeln früher. Heute verfolgt das Publikum kurze Rennen auf der Großbildleinwand oder im Internet. "Start! Wende! Ziel!" Die "Segelbundesliga" ist eine Idee von ehemaligen Spitzenseglern. Die Vereine schicken ihre besten Segler, und jeweils vier von ihnen steigen in die vom Veranstalter bereitgestellten Boote. Das Konzept hat Erfolg. "Bundesligasegeln" ist nicht so teuer und zeitintensiv wie Segeln in olympischen Bootsklassen. Werden Talente in Zukunft lieber um die Meisterschaft segeln, als auf Medaillenkurs gehen?
"Bei der Halse muss darauf geachtet werden, dass man aus der Halse Druck erzeugt, Das Boot muss gekrängt werden und dann beim Aufrichten des Bootes erzeugt man Druck, der dem Boot dann wieder Vortrieb gibt."
"Ja, so muss das sein. Da zählt jede Sekunde."
"Wir gehen jetzt auf dem Steg mal nach vorne zur Wechselzone."
Olympiahafen Kiel-Schilksee. Wellen schwappen gegen die am Steg liegenden Yachten. Die Bundesliga-Boote sind draußen.
"Weil wir sehr viele Wettfahrten durchführen wollen, bleiben die Segelboote immer auf dem Wasser und die Mannschaften wechseln auf dem Wasser, so dass wir pausenlos Wettfahrten durchführen können."
Die Fußballbundesliga ist das Vorbild
Gerald Gebhard ist Sprecher der Segel-Bundesliga. Er deutet auf einen Pulk von sechs Booten, die in einigen hundert Metern Entfernung auf der Kieler Förde um die Wette fahren. "Da hinten sehen wir sie auch mit den farbig unterschiedlichen Segeln. Dadurch kann man die Boote ganz gut unterscheiden, weil wir ja auch darauf achten, dass die Zuschauer das ein bisschen mit verfolgen können." Bei herkömmlichen Regatten sehen alle Boote gleich aus. Segeln ist für Laien daher oft eher ein Grund, den Fernseher auszuschalten.
"Wir orientieren uns ja an der Fußballbundesliga, oder an den anderen Ligaformaten, die man kennt im Sport, und deshalb sprechen wir auch von Spieltagen und Mannschaften."
Und nicht mehr von Regatta und Crew. 18 vierköpfige Mannschaften teilen sich sechs Boote. Segler in Vereinsshirts warten darauf, mit Schlauchbooten zum fliegenden Wechsel gefahren zu werden.
"Moin Jungs. Das ist der - Segel- und Motorbootclub Überlingen. –Schafft ihr das heute, die Position zu halten? – Wir werden uns auf jeden Fall anstrengen. - Der Wind ist schön heute? – Ist wunderbar im Moment. Gerade ein bisschen böig vielleicht, aber ansonsten kommen wir gut mit den Bedingungen zurecht."
Zu den sechs Spieltagen der Saison kann jeder Verein maximal zwanzig Segler melden. Michael Zittlau ist einer von drei Steuerleuten des Tabellenführers vom Bodensee.
Die Logistik muss optimiert werden
"Da ich halt in Hamburg wohne, mache ich die Nordevents. Ich segele in Kiel und in Glücksburg. Und dann haben wir noch einen, der wohnt in Berlin und segelt dann auch Travemünde und hat auch den ersten Sieg eingefahren am Chiemsee dieses Jahr. Ja, so sind wir aufgeteilt und optimieren uns von der Logistik auch."
Logistik heißt: das Team muss sich regelmäßig zum Training verabreden und dazu muss ein Boot vorhanden sein. Die Überlinger haben ihres vorübergehend in den Norden verlegt. An Spieltagen werden die Boote gestellt.
"Zwanzig Minuten haben wir vor dem ersten Rennen immer noch ein bisschen Trainingszeit. Das Rennen selber ist dann wie ein 400-Meter-Lauf fürs Segeln."
Sein Team ist einen Tag früher angereist, sagt André Keil vom Schweriner Yacht-Club, und hat zum Abschlusstraining ein Boot gechartert.
"Gestern hatten wir so 30 Knoten-Böen. Das ist dann manchmal, wenn die so rein ballern, schwer kontrollierbar das Schiff."
"Das Schiff" ist ein sieben Meter langes Kielboot. Die J/70 wurde vor fünf Jahren entwickelt. Im April 2013 gründeten siebzehn Vereine die Segel-Bundesliga.
"Das ist noch recht jung dieses Format, aber so erfolgreich, dass es auch schon Junioren-Ligen gibt, Regionalligen, vier Stück, und eine zweite Liga und die erste Segel-Bundesliga."
Das Schlauchboot hüpft über die Wellen. Gerald Gebhard hält sich an einem Seil fest. An drei Tagen werden 45 Rennen á zwanzig Minuten ausgetragen.
"VSAW ist Verein Seglerhaus am Wannsee. HSC Hamburger Segel-Club. SMCÜ Segel- und Motorbootclub Überlingen. SYC Schweriner Yacht-Club und PYC Potsdamer Yacht-Club. Das wird uns jetzt gleich im dritten Rennen des ersten Flights geboten."
Die Boote segeln zu den gegen den Wind liegenden Luv-Bojen und umrunden sie, ein sogenannter Up-and-Down–Kurs.
"Hier ist das Startboot. Daneben mit der roten Flagge ist die Starttonne. Da vorne die gelbe Tonne, Richtung Strand, wo die Strandkörbe zu sehen sind, ist die Luv-Tonne. Da müssen sie dann hoch, gegen den Wind kreuzen zur Tonne. Dort wenden sie und fahren dann unter Wind, wie jetzt auch, mit dem großen Ballonsegel, mit dem Gennaker durch dieses gate. Diese gelbe Tonne und die gelbe Tonne da bilden ein Tor, und dann fahren sie wieder hoch. Das ist eigentlich der Kurs."
Segeln live zu verfolgen war umständlich
Eine Drohne kreist über dem Geschehen. An der Reling des vom Fernsehen gecharterten Bootes ist ein Kameramann angeschnallt. Auch die Wettkampfboote sind mit Kameras bestückt, so dass die Regie viele Bilder zur Auswahl hat.
Im Hafen klappern Schnüre gegen Fahnenmasten. Vor der Videowand machen es sich Zuschauer in Liegestühlen bequem. "Live Bilder von der Kieler Förde. Segel-Bundesliga ist das Stichwort. Die nächste Wettfahrt im Rahmen dieses Spieltages auf dem Weg zur deutschen Meisterschaft steht unmittelbar bevor. Hier noch mal ganz schnell die Bootsverteilung."
Segeln live zu verfolgen, war früher umständlich. "Da ist man mit Schiffen, die extra Regatta-Begleitfahrten gemacht haben, ist man dann mit ausgefahren. Das ist dann dort auch kommentiert worden. Aber jetzt mit den neuen Techniken, mit den Drohnen und den Kameras an Bord ist das sehr interessant geworden."
"Das heißt: Startvorbereitung. Jeder will als erster über die Startlinie, aber auch keinen Frühstart riskieren. (Signal) Die sind gestartet. Die anderen haben noch nicht mal die Fock hoch. Das kann doch nicht sein. Frühstart! Die müssen doch zurückgerufen werden! Das müssen die doch abbrechen! … Jetzt muss man echt die Regeln beherrschen."
Die Boote wenden und segeln zur Startlinie zurück. Ein Manöver, das sicher viel Geschick erfordert.
"Das war der Start. Jetzt können wir mal ein kurzes Stück hinterher fahren. Zwei wenden da rüber, sagen: der Kurs ist besser. Der blaue auch. Der Hamburger Segel-Club geht auch auf die Bahn rüber."
Die Fernsehzuschauer lehnen sich entspannt zurück.
Ziel ist, das Boot in guten Wind zu steuern. Zur offenen See scheint er günstiger zu sein. Das Schlauchboot schaukelt bedenklich. Die Fernsehzuschauer lehnen sich entspannt zurück.
"Hier ist es sehr bequem. Gute Kommentatoren. Schon sehr interessant."
"Es ist und bleibt böig. Es ist nicht leicht, immer den richtigen Kurs zu finden."
Es wäre fatal, wenn das Team jede Entscheidung abstimmen würde. Beim Segel- und Motorbootclub Überlingen ist Jan Fritze für die Taktik zuständig.
"Das heißt, ich bin die Person, die am wenigsten ins Boot und am meisten aufs Wasser schaut: wo ist der günstigste Wind? wo sind die Gegner?"
TV-Kommentar: "Wir sehen jetzt den Bayerischen Yacht-Club, aber er ist nicht vorne. Also, wenn man jetzt hier auf den Analytics guckt."
Selbst geübten Kommentatoren fällt es oft schwer, mit bloßem Auge das führende Boot auszumachen.
"Die Boote sind alle mit einem kleinen Traker ausgerüstet. Das heißt, wir können hier auch über WLAN dann die Position bestimmen, sogar den Kursverlauf auf dem Bildschirm verfolgen und natürlich auch die Zeiten und die Platzierungen."
"Bei diesem Event fahre ich die Fock und den Gennaker."
Niko Mittelmeier aus Überlingen musste sich, wie alle Teilnehmer, erst an das Bundesliga-Boot gewöhnen.
Olympia-Ambitionen in Überlingen
"Ich habe zwei Olympia-Kampagnen gesegelt im Tornado, das ist so ein Katamaran. Da segelt man eine andere Taktik. Man macht weniger Manöver, plant weiter voraus. Und jetzt hier auf der J/70 ist das schon fast Jollensegeln: viele Manöver, schnelle Manöver. Das war schon eine Umstellung, aber es macht Riesenspaß mit den Jungs zusammen. Das ist ein tolles Team, gute Stimmung an Bord."
Kampagne nennen Segler den Versuch, sich für Olympia zu qualifizieren.
"Ich habe das für 2012 probiert, aber leider knapp nicht geschafft."
Der zeitliche und finanzielle Aufwand war enorm, sagt Tobias Bolduan vom Deutschen Touring Yacht-Club aus Tutzing am Starnberger See.
"Während meiner 470er-Kampagne waren es so 250 Wassertage im Jahr, also zu Spitzenzeiten dann. Für so eine Olympia-Kampagne kann man schon so 30 000 Euro, kann man da schon ganz gut ausgeben. Bundesliga ist ganz gut, weil ich währenddessen auch noch studieren muss und irgendwann mal anfangen zu arbeiten. Und das ist dann doch nicht so zeitintensiv, dass man das nicht schafft."
"Fabian Graf hat jetzt gerade den Europacup gewonnen im 49er. So, dann haben wir von denen hier."
Für jemanden, der sich auskennt, liest sich die Liste der gemeldeten Sportler wie ein Who-is-who des deutschen Segelsports. "Tobias Schadewaldt, der war bei den Olympischen Spielen 2012, ist aber kein Bundeskader mehr, hat aufgehört. So, wen haben wir da noch?" Torsten Haverland ist Vizepräsident des Deutschen Segler-Verbands: "Malte Winkel vom Schweriner Yacht-Club ist aktiv im 470er, einer olympischen Disziplin, und gehört zu den Topmannschaften in Deutschland. Das sind auch alles Ehemalige."
Olympia nur mit Zeit und Boot
Olympia-Vorbereitung ist ein Fulltime-Job. "Du musst segeln, musst die Athletik haben, du musst dich mit dem Material beschäftigen, musst theoretisch mit vielen Sachen dich auseinandersetzen. In der Regel ist es so, dass die Sportler, je näher es gegen die Olympischen Spiele geht, dass das Studium ausgesetzt wird, weil sie dann permanent unterwegs sind. Deswegen versuchen wir auch noch mehr Bundeswehrstellen zu bekommen, weil über diese Schiene kriegen wir die Sportler für eine gewisse Zeit finanziert und dass sie dann auch im System bleiben, und nicht aufgrund von Studium einfach das nicht mehr organisiert kriegen."
Wer an Olympischen Spielen teilnehmen will, muss nicht nur Zeit, sondern auch ein Boot mitbringen.
"Das Material wird in der Regel dann durch die Vereine, Verbände oder eben Sponsoren zur Verfügung gestellt. Wer nicht das entsprechende Know-how hat und einen Verein hinter sich hat, hat schlechte Karten. Und dann haben wir natürlich gerade hier in Deutschland noch den Nachteil: in den Wintermonaten müssen wir dann auch, wo es warm ist, trainieren. Wir können hier bei Minusgraden nicht aufs Wasser. Diese Kosten müssen irgendwie beglichen werden. Das Geld muss da sein, um eben auch Training in Spanien oder Italien durchführen zu können."
Malte Winkel gehört am heutigen Bundesliga-Spieltag zur Mannschaft des Schweriner Yacht-Clubs. "Wenn es bei mir halt in den olympischen Plan passt, mache ich natürlich gerne auch mit. Wenn man im olympischen Segelsport ist, kann man auch viel auf die J/70 übertragen. Und es macht einfach mal Spaß, seinen Horizont zu erweitern, und bringt einen, glaube ich, auch im olympischen Sport voran. Es wäre relativ schwierig bis fast unmöglich, alle Events der Segel-Bundesliga zu segeln und nebenbei professionellen olympischen Segelsport zu machen. Das geht auf jeden Fall nicht."
Malte kommt zwar aus Schwerin, wohnt aber jetzt in Kiel, trainiert am Olympiastützpunkt und studiert Mathe und Sport. "Der Vorteil ist natürlich, dass wir hier eine Partnerschule des Spitzensports haben. Das heißt, dass man mal Kurse schieben und Prüfungen so legen kann, dass man sie machen kann, wenn man da ist. Aber trotzdem muss man natürlich den Stoff auch lernen. Und da ist natürlich viel Selbstdisziplin gefragt. Man muss halt irgendwo auch akzeptieren, dass man in seinem Studium vielleicht nicht so gut oder nicht so schnell vorankommen kann wie die anderen, dafür dann aber den olympischen Sport dafür machen kann."
Eine Frau im Boot - das kann Vor- oder Nachteil sein
TV-Kommentar: "Rang eins momentan für den Bayerischen Yacht-Club, gefolgt vom Wassersportverein Hemelingen mit dem roten Segel. Zweikampf dann um Platz drei zwischen dem Hamburger Segel-Club und dem Münchener Yacht-Club. Es ist ein Bug an Bug-Rennen sozusagen."
"Wir haben hier eben das Schlauchboot mit dem Trainer vom Wannsee gesehen. Das heißt, das Team hat auch einen Trainer, der hier auf dem Wasser sie auch noch mal unterstützt. Aber nicht während des Rennens!"
"Jetzt kommt auf uns zu, der Hamburger Segel-Club im blauen Boot. Ich glaube – tatsächlich – sogar mit einer Steuerfrau."
Von 72 Teilnehmern sind nur vier Frauen. Auch Saskia Schlitter vom "Klub am Rupenhorn" ist heute nur Ersatz. Eine Frau im Boot?
"Das kann ein Vorteil sein. – Aber bei viel Wind, wenn man da nicht genug Gewicht auf der Kante hat, ist das auch eher ein Nachteil. Kann so oder so sein."
Valentin Gebhardt und Saskia sind Konkurrenten, kennen sich aber vom Training. Vier der achtzehn Bundesliga-Mannschaften kommen vom Berliner Wannsee. Der Berliner Yacht-Club war Gründungsmitglied der Liga.
"Bis jetzt haben wir es abgeschafft – wenn auch manchmal knapp – alle fünf Jahre bis jetzt in der ersten Liga zu bleiben. Letztes Jahr war das Finale nervenaufreibend mit Relegation danach. Es hat gerade so funktioniert."
Trainingstage auf dem Wannsee
Dienstags ist Training auf dem Wannsee. Das vereinseigene Boot wird auf den Steg gerollt, mit dem Kran zu Wasser gelassen und aufgetakelt. Der Berliner Yacht-Club hat vier J/70-Boote gekauft und einen Trainer engagiert. Trillerpfeife am Band, Sonnenbrille. Die Haare flattern im Wind. Jörg Saeger sitzt im Schlauchboot wie auf einem Motorrad:"Die basteln jetzt alles am Boot zurecht und sortieren die Schoten. Dann lässt man sie für gewöhnlich erstmal in Ruhe und lässt sie erstmal in den Trainingstag hineinkommen. Das sieht erstmal ganz gut aus, was sie da hingestellt haben."
Er deutet auf ein Haus am gegenüber liegenden Ufer. Das ist der "Potsdamer Yacht Club". Da hinten um die Ecke der "Klub am Rupenhorn". Und dann ist meistens noch der "Verein Seglerhaus am Wannsee" mit der von der Partie. Allesamt Bundesligisten.
"Bei uns ist es in der Regel so, dass der Vormann, der vorne sitzt, der ist nachher auch für die Taktik auf der 'Vorwind' verantwortlich, auf der Kreuz hilft man sich gegenseitig. Der Wind muss im Blick behalten werden, was man vom Wasser lesen kann … man muss dieses Wasser lesen können. Man sieht halt immer die dunkleren Stellen und die helleren Stellen, und wie diese Böen verlaufen, das muss man beobachten, damit man auch seinen taktischen Plan für die "Kreuz" machen kann, oder wenn man schon einen gemacht hat, anpassen kann."
"So bei einer Wende hier müssen sie sich abstimmen, dass das Boot genügend Krängung erhält. Der Vormann hängt sich ein bisschen nach Lee raus, um dann auf der neuen Windseite das Boot nach Luv zu ziehen und dadurch mehr Druck zu erzeugen." Krängung heißt: das Boot bekommt gefährlich Schlagseite. Auf Kommando springen alle Insassen auf die gegenüberliegende Seite. Die Schoten rattern durch die Umlenkrollen und die Segel straffen sich.
Bundesligisten sind in Mecklenburg-Vorpommern dünn gesät
Zurück auf der Kieler Förde: "Oh, da wurde gepfiffen. Da wurde eine Strafe ausgelöst. Jemand hat gedrängelt, jemanden behindert." Einige Wettkampf-Boote fahren so dicht nebeneinander, dass die Besatzungen fast während der Fahrt umsteigen könnten.
"Das hier ist ein Jury-Boot. Mit den roten Jacken, das ist die Wettfahrtleitung. Es wird natürlich auch aufgepasst, dass keine Verstöße gegen die Regeln stattfinden. Und wenn, dann wird es sofort geahndet mit einer Strafrunde, das heißt, das Boot muss einmal einen kleinen Kreis drehen als Bestrafung für den Regelverstoß."
"Es ist immer gut, wenn man zwei oder drei Boote hat zum Trainieren, damit man so eine Situation einschätzen kann." Der Schweriner Yacht-Club hat nur ein Boot, sagt André Keil, und Bundesligisten sind in Mecklenburg-Vorpommern dünn gesät. "Wir haben ein Rostocker Team in der zweiten Liga, und die schaffen sich jetzt erst ein Boot an, so dass wir da vielleicht ein bisschen besser zusammenkommen. Das kostet im Rennmodus 45 000 Euro. Das ist schon ein Haufen Geld. Das muss man erst mal locker machen."
Im Moment ist der Schweriner Yacht-Club Tabellenletzter in der Ersten Bundesliga. "Es sieht eher nach Abstieg aus", gibt Torsten Haverland zu. Der Vizepräsident des Deutschen Segler-Verbands ist gleichzeitig Vorsitzender des Schweriner Yacht-Clubs. "Man muss auch fairerweise sagen: Wir können uns das aber auch finanziell nicht erlauben, im Herbst oder im Winter nach Malta zu gehen, wo andere trainieren, oder nach Frankreich, wenn ich das so lese, oder an den Gardasee."
"Wir waren früher Leistungszentrum zu DDR-Zeiten als "Sportclub Traktor". Sind dann umfirmiert, sage ich mal, als "Schweriner Yacht-Club". Aber unser Kern, alle im Vorstand, die sind alle mal aktiv leistungsmäßig gesegelt, und da schlägt unser Herz auch. Ich will nicht sagen, dass die Bundesliga nicht auch leistungsmäßig ist… man muss schon etwas dafür tun. Aber wir können uns, was die Ausgaben anbetrifft, nur auf ein Thema richtig konzentrieren. Das andere machen wir zwar mit, weil das den einen oder anderen ehemaligen Sportler an den Verein wieder bindet, aber Kinder- und Jugendarbeit und das Unterstützen unserer Leistungsträger müssen wir ja auch irgendwie finanzieren."
"Der Segelsport, vor allem der professionelle Segelsport, ist extrem kostenintensiv. Da kann man halt schon mal so 23 000 Euro für ein komplettes Schiff ausgeben. So, und wenn man realistisch das macht, dann braucht man jedes Jahr ein neues Schiff. Und da sind wir natürlich sehr froh, dass der Verein den olympischen Segelsport unterstützt, also auch stärker als die Segel-Bundesliga. Dann haben wir natürlich den deutschen Segelverband, der dann auch die Maßnahmen übernimmt, und dann gehören natürlich auch viel Sponsorenpflege und die Suche nach guten Sponsoren dazu."
Malte Winkels Teamkollege hört schweigend zu. Felix Lemcke ist Anfang 20, gehört aber zu denjenigen, die durch die Segel-Bundesliga zurück in den Verein gefunden haben.
Leistungssport neben der Arbeit
"Ich mache nur Bundesliga zurzeit. Ich bin lange 470er gesegelt. Aber das ist auseinander gegangen mit meinem Partner, und dann habe ich den Anschluss ein bisschen verloren. Und neben der Arbeit hat das dann auch nicht mehr so geklappt mit dem Leistungssport, und da habe ich dann aufgehört und konzentriere mich jetzt ganz auf die Bundesliga und versuche da auch viel zu trainieren. Aber es ist alles schon okay so, wie es gelaufen ist."
TV-Kommentar: "Hier noch mal ein schöner Zweikampf zwischen Hemelingen in rot und dem Bayerischen Yacht-Club. – Die Bayern haben gerade ein bisschen verloren, weil sie mussten sehr lange tief drücken zur Tonne und hatten nicht mehr den optimalen Winkel und haben dadurch sehr viel Speed auf der Strecke liegen lassen."
"Tolle Idee, dass wie im Fußball quasi Mannschaften gegeneinander kämpfen und nicht einzelne Segler."
Nicht nur der Segelfan wird angesprochen, sondern auch der Lokalpatriot.
"Leider ist Kiel nicht mehr dabei. Die sind ja ausgestiegen. Aus wirtschaftlichen Gründen hat man das, glaube ich, nicht weiter betrieben."
Der Kieler Yacht-Club hat sich Anfang des Jahres aus der Bundesliga zurückgezogen. Ein weiteres Engagement wäre nur zu Lasten der Jugend- und Regatta-Gruppe möglich gewesen, hieß es in einer offiziellen Erklärung.
In Internetforen wurde die Entscheidung unterschiedlich kommentiert. "Glückwunsch nach Kiel! Hochachtung für diesen Vorstand!" schrieben die einen. Andere halten die Gründe für vorgeschoben: "Hätte man schon früher mehr auf Teamrace gesetzt, wäre die Situation bei der Jugend heute vielleicht eine andere."
Wie attraktiv ist der Segelsport?
Wenn Mannschaftssegeln so beliebt ist, wäre es nicht auch was für Olympia? "Der Segelsport muss sich überlegen: wie attraktiv ist er? Wie medial ist er? Das ist richtig. Dazu könnte solch ein Format natürlich beitragen. Aber man darf nicht vergessen, dass ich auch die entsprechende weltweite Verbreitung haben muss. Das ist die Crux dabei."
Bei olympischen Spielen sitzen höchstens zwei Segler im Boot, sagt Torsten Haverland vom Deutschen Segler-Verband, und ein Boot wie die J/70 wäre wahrscheinlich nicht konsensfähig.
"Das kostet eben auch seine 45 bis 50 000 Euro und welches Land und welcher Verein kann sich das leisten? Wir haben Bootsklassen dabei wie zum Beispiel Laser, der kostet halt sechseinhalb tausend Euro und wird weltweit in über 150 Nationen gesegelt. Und J/70 wird sich in Afrika, in Asien oder in bestimmten lateinamerikanischen Ländern dann keiner leisten."
Bei den Olympischen Spielen in Rio haben deutsche Segler eine Bronzemedaille gewonnen, nachdem sie vier Jahre zuvor sogar leer ausgegangen waren. Auch in anderen Ländern ist Segeln beliebt.
"Segeln ist eine der erfolgreichsten Sommersportarten in Österreich. Das glaubt man gar nicht. Oder die Holländer, die auch sehr viel Geld in den Segelsport investieren. Frankreich ja so und so. Und Spanien. Das sind die typischen Segelnationen. Aber auch Slowenien und Kroatien, die auch Medaillen gewonnen haben, so dass für uns die Trauben da auch eher hoch hängen. Wir müssen da auch sehr viel investieren und unsere Sportler müssen viel Enthusiasmus mitbringen, viel Ehrgeiz und Organisationsvermögen, um am Ende dann auch das Ziel, das wir uns gesteckt haben, zu erfüllen."
Die Kosten für ein Boot halten sich in Grenzen
In einem Liegestuhl vor der Videowand streckt sich Jürgen Jentsch aus. Er ist Vorsitzender des Segelclubs Füssen-Forggensee.Von 360 Mitgliedern sind achtzig Jugendliche, sagt er. Aber Bundesliga ist noch Zukunftsmusik. "Weil wir erst unsere jungen Leute ausbilden müssen, weil man braucht doch eine Mannschaft von zwölf Mann damit man daran teilnehmen kann, weil nicht immer jeder Zeit hat."
Die Anschaffung von Segelbooten sieht er nicht als Hauptproblem: "Die Kosten halten sich in Grenzen, denn es gibt Gebrauchtmaterial und wenn man so ein Boot kauft, ist das ja keine Null-Abschreibung. Später, wenn du es wieder hergeben möchtest, verlierst du halt tausend Euro. Aber miete mal ein Auto."
Seine Vereinskameradin Claudia Wachsmann pflichtet bei. Dass Segeln teuer sein muss, hält sie für ein Vorurteil. "Das hält viele ab, ihre Kinder zum Segeln zu schicken, weil man denkt: 'Oh Gott, so viel Geld habe ich nicht, so viel Zeit habe ich nicht.' Meine Jungs haben ein altes Boot, das relativ günstig war, aber ich kann das dann, wenn die in ein paar Jahren dann umsteigen, wieder verkaufen. Natürlich ist jetzt Kapital gebunden, das man erst mal haben muss, aber es ist nicht futsch. Ein Auto hat einen größeren Wertverlust."