Schwieriger Weg zum Frieden

"Die Herren des Landes" ist eines der wichtigsten Bücher, die je über Israel geschrieben wurden. Wer sich für Gründe interessiert, warum fast alle Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern bisher scheiterten, der kommt an der Analyse von Idith Zertal und Akiva Eldar nicht vorbei.
Das Buch ist voll bitterer Wahrheiten über ein einst säkulares Land, das religiösen Fundamentalisten freiwillig immer mehr Macht einräumt – auf Kosten von Demokratie und Gerechtigkeit. Jahrelang hatten die beiden Autoren in Zeitungsarchiven gesessen, um das Anwachsen der Siedlerbewegung seit dem Sechstagekrieg von 1967 detailgenau nachzuzeichnen. Die Historikerin Idith Zertal:

"Die Siedler sind ein faszinierendes und wichtiges Phänomen. Leider sind sie auch sehr gefährlich. Aber sie sind sehr interessante Menschen, sie sind in jeder Hinsicht eine Elite. Sie sind der Ersatz, die stärkste und einflussreichste Bewegung im Zionismus nach dem Abstieg der Arbeitsbewegung."

Die Kibbuzim in Israel, der Traum vom gemeinschaftlichen Leben und der friedlichen Besiedelung des Landes ist in Israel längst Nostalgie. "Die Herren des Landes" zeigt auf, wie die jüdischen Siedler an die Stelle der sozialistischen Pioniere traten – nicht geliebt, aber geduldet von den Funktionären der Arbeitspartei, die in den energisch auftretenden Siedlern das Abbild ihrer längst verflossenen Jugend sahen. Doch das war ein Trugschluss, denn während die säkularen Zionisten nur nach einer Heimstätte für das jüdische Volk strebten, ging es der Siedler-Gruppierung "Gusch Emunim", dem "Block der Getreuen", um nicht weniger als die Erlösung – des biblischen Landes und des gesamten jüdischen Volkes. Zertal und Eldar führen ein in die Ideologie der Siedler, die von maßgeblich von dem Rabbiner Zvi Jehuda Kook geprägt wurde:

"Der Herr des Universums hat seine eigene Politik und ihr zufolge vollzieht sich die niedere, irdische Politik. Teil dieser Erlösung ist die Eroberung des Landes und seine Besiedelung. Dies ist eine Vorgabe göttlicher Politik, die keine niedere Politik durchkreuzen kann."

Zertal und Eldar stellen aber nicht nur die Ideologie von Fundamentalisten vor, die mit der Besiedelung von Judäa und Samaria, wie sie das Westjordanland nennen, das Kommen des Messias beschleunigen wollen. Sie beschreiben auch detailliert die grandiosen Tricks der Siedlerbewegung, die es geschafft hat, dass die Öffentlichkeit zwischen angeblich "legalen" und "illegalen" Siedlungen unterscheidet. Die Autoren zeigen an der Geschichte einzelner Kommandeure, wie verflochten die Interessen von Siedlern, Politikern und der Armee inzwischen sind.

Akiva Eldar: "Zahal, die Armee zur Verteidigung Israels, ist zur einer Armee für die Verteidigung der Siedler geworden. Und die Siedler haben schnell kapiert, dass ihr Schicksal von der Armee abhängt. Sie sind massiv in Eliteeinheiten eingetreten. Heute bewachen die Siedler tags ihre Siedlungen als Kommandeure der Armee, und nachts schlafen sie in ihren Siedlungen – als Bewohner."

Seit 1967, als der Siedler Chanan Porat den ersten Pflock in den felsigen Boden von Kfar Etzion trieb, hat die Siedlerbewegung ihren Einfluss ständig ausgebaut. Heute leben im Westordanland fast 300.000 Juden – unter ihnen auch Säkulare, die wegen der billigen Mieten in die Siedlungen gezogen sind. Die Autoren stellen klar: Die Nachgiebigkeit der Politiker gegenüber den Siedlern, einschließlich ehemaliger Ministerpräsidenten der Arbeiterpartei wie Izchak Rabin, Ehud Barak und Schimon Peres, hat nicht nur mit der Macht der Fundamentalisten und ihrer effektiven Lobbyarbeit, sondern mit eigenen Wünschen der Israelis zu tun:

Idith Zertal: "Israel will Frieden mitsamt den Siedlungen, Frieden und Besatzung. In gewisser Weise sind wir alle sind Siedler. Ich benutze diesen Ausspruch als Metapher, den ich lehne die Siedler ab, schon mein ganzes Leben. Aber die Geschichte der Siedler ist deswegen so gewaltig, weil sie eine gesamt-israelische Geschichte ist. Das ist nicht nur irgendeine Gruppe von Verrückten, die Israel zu etwas gezwungen hat."

An der Haltung der Israelis zum UN-Teilungsplan von 1947, sagt Idith Zertal, könne man dies gut nachvollziehen:

"Ben Gurion sagte: Wir akzeptierten diesen Plan, weil wir keine Wahl haben, denn das ist momentan das Beste, was man uns anbietet. Aber wir sehen darin keine endgültige Grenze, kein endgültiges Territorium, und wir werden darauf hinarbeiten, das Gebiet auszuweiten. Ganz tief im Zionismus gab es immer das Bedürfnis der Erweiterung, die Grenze zu überschreiten und das Territorium zu vergrößern."

Gerade für Freunde Israel ist dieses Buch schmerzhaft zu lesen, aber von großem Wert. Denn eine Heilung von der "tödlichen Krankheit" der Siedlungen, wie Idith Zertal sie nennt, setzt eine klare Diagnose voraus. Zertal und Eldar warnen vor der Zerstörung des Zionismus von innen, vor der Zersetzung der israelischen Demokratie. Doch trotz ihrer ernsten Diagnose sind die Autoren zwar tief besorgt, aber nicht ganz ohne Hoffnung. Eine Heilung von der Siedlerkrankheit sei für Israel immer noch eine reale Option.

Idith Zertal: "Ja, das ist möglich. Ich denke, dass man die Siedlungen räumen muss – und nach Hause zurückkehren. Zuhause, das heißt für mich die Grenzen von 1949, die Grenze, die als Folge des Krieges festgelegt wurde. Das ist für mich Zionismus. Bis dahin geht mein Zionismus, bis zur grünen Linie. Und in diesem Sinne bin ich vollkommen zionistisch. Aber jenseits der grünen Linie endet mein Zionismus."

Rezensiert von Ayala Goldmann

Idith Zertal/Akiva Eldar: Die Herren des Landes
Israel und die Siedlerbewegung seit 1967

Aus dem Englischen von Markus Lemke
Deutsche Verlags-Anstalt, München 2007
Buchcover Idith Zertal/Akiva Eldar: "Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967"
Buchcover Idith Zertal/Akiva Eldar: "Die Herren des Landes. Israel und die Siedlerbewegung seit 1967"© Deutsche Verlagsanstalt