Schwarzmarkt

Das schmutzige Geschäft mit Konzertkarten

Musikfans bei einem Konzert
Musikfans bei einem Konzert: Händler treiben die Ticketpreise in die Höhe © picture alliance / dpa / Sebastian Widmann
Von Tobias Ruhland · 07.01.2016
Konzertkarten für Adeles Europa-Tournee 2016 konnten Fans bereits vor dem offiziellen Verkaufsstart ergattern - für bis zu 999 Euro auf dem Schwarzmarkt. Veranstalter haben den Kampf gegen fragwürdige Händler zwar intensiviert - stoßen dabei aber auf einige Hürden.
Es ist schon wirklich zum Heulen – nein, nicht jetzt in erster Linie die dramatische Schlussmach-Ballade von Rekord-Chanteuse Adele, sondern eher die Zustände oder besser: die Missstände, die Anfang Dezember der Ansturm auf die Konzertkarten für Adeles Europa-Tournee 2016 ausgelöst hat. Während die Server der offiziellen Ticketanbieter vor den millionenfachen Anfragen in die Knie gingen und abstürzten, lief es auf dem Schwarzmarkt umso besser. Schon einige Tage vor dem offiziellen Verkaufsstart konnte man dort Adele-Tickets ergattern. Ganz gemütlich. Ok, es war dafür auch ganz schön teuer. Bis zu 999 Euro pro Ticket. Ganz transparent heißt es da auf der Seite: Der Preis setzt sich zusammen aus dem Originalticketpreis und einer so genannten Dienstleistungsgebühr. Im Falle von Adele also 149 Euro plus 850 Euro für den Zwischenhändler.
Der rapide wachsende Ticketzweitmarkt stößt da gerade die Tür zu einer Dimension auf, befürchtet Johannes Ulbricht vom bdv, dem Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft:
"Der kleine Händler, der da fünf oder zehn Karten weiterverkauft – das ist nicht das große Problem für uns. Das gab's schon immer. Der stellt sich vor die Konzerthalle, wenn's noch kein Internet gibt. Das Problem ist, dass ich im digitalen Raum solche Skalierungseffekte habe. Ich kann das Ganze, wenn es mit fünf Karten funktioniert, gut auch mit 5000 Karten machen. Ich brauch halt eine gute Organisationsstruktur, ich brauche viele Accounts bei den Online-Ticketing-Systemen oder viele Leute, die für mich Karten kaufen, aber auch diese Struktur kann ich mir mit Geld schaffen."
Einer, der über solche Strukturen verfügt, ist ein Schwarzmarkthändler, der im letzten Jahr unter dem Pseudonym Wim Bledon das Buch "Schwarzmarkt Tickethandel. Ein Dealer packt aus" geschrieben hat. Interviews gibt er nur mit verstellter Stimme.
"Ich sehe mich gar nicht mal als Schwarzhändler, sondern wenn mich jemand aus dem persönlichen Umkreis fragt, was ich tue, dann bin ich in der Event-Vermarktung tätig."
Legal - solange der Verkäufer nicht gewerblich handelt
Dieser Schwarzhändler hat gut lachen: Wirklich illegal ist das, was er da seit 15 Jahren treibt, nämlich nicht. Zunächst bedeutet Schwarzmarkt Handel mit legalen Gütern nach dem Prinzip von Angebot und Nachfrage. Wer ein Ticket rechtmäßig erworben hat, so die aktuelle Rechtsprechung, kann damit machen, was er will. Auch zu einem Vielfachen des Originalpreises weiter verkaufen – solange er nicht gewerblich handelt.
Um nicht den Anschein eines Gewerbetreibenden zu erwecken, agieren Schwarzmarkt-Akteure wie Wim Bledon über zig Fake-Profilen auf eBay und Ticketbörsen, sein Netzwerk unterhält jede Menge Briefkasten zu Wohnungen, die es nicht gibt, von Personen, deren Namen erfunden sind. Konzertkarten, sagt er, sind wie Wertpapiere.
Und es geht ja auch zu wie an der Börse: Wer die eingangs erwähnten 999 Euro Adele-Tickets gekauft hat, bekommt noch nicht das Ticket, sondern lediglich das Versprechen, ein Ticket zu erhalten. Dieses Versprechen können Schwarzhändler wie Wim Bledon auch nur deshalb geben, weil sie zum Beispiel Mitarbeiter an den Ticketvorverkaufsstellen bestechen. Johannes Ulbricht vom Bundesverband der Veranstaltungswirtschaft bdv weiß das:
"Wir haben eine Weiterverkaufsverbotsklausel entwickelt und die in vielen Fällen auch eingesetzt. Dann gehen wir gegen gewerbliche Anbieter vor und mahnen die ab, wenn die auf ebay oder sonstwo Karten verkaufen. Wir hatten das jetzt bei Konzerten von Helene Fischer. Wir hatten das bei Konzerten der Toten Hosen und anderen bekannten Bands. Das reicht leider nicht. Das ist wirklich nur die schlechteste aller Möglichkeiten. Dann hat man oft Probleme, an die Adressen von denen zu kommen. Das ist also noch keine befriedigende Lösung."
Vor allem, weil es im Internet fragwürdige Ticketvermarkter wie viagogo gibt. Das Portal versteht sich als neutraler Treuhänder zwischen Käufer und Verkäufer und ermöglicht – was für ein praktischer Zufall für Schwarzhändler – anonyme Transfers. Da ist es dem bdv nur durch Testkäufe auf viagogo möglich, potentielle Profi-Schwarzhändler ausfindig zu machen. Wozu aber der ganze Aufwand? Ist doch eigentlich total egal, wer wie viel für ein Ticket zahlen muss – Hauptsache die Halle wird voll, oder?
"... dass das Publikum sich andere Sachen nicht kaufen wird"
"Naja, es ist ja so, dass im Ergebnis der Preis steigt. Aber dieses Geld fließt nicht in Taschen der Künstler und Veranstalter. Das heißt dann auch, dass das Publikum sich andere Sachen nicht kaufen wird. Es wird seltener zu Konzerten gehen. Es wird auch mehr erwarten. Wenn ich letztendlich eine Karte für mehrere Hundert Euro gekauft habe, ist meine Erwartungshaltung möglicherweise höher. Aber es schadet mir auf jeden auch Fall deswegen, weil ich auf jeden Fall die Kontrolle verliere."
Um nicht noch mehr die Kontrolle zu verlieren, versuchen es Veranstalter mit Maßnahmen wie: Maximal vier Tickets pro Käufer. Bei den beiden jüngsten Berlin-Konzerten von Helene Fischer zeigte das aber kaum Wirkung. Professionelle Zweitmarkthändler hebelten diese Klausel aus, indem sie einfach über viele Online-Accounts und Strohmänner Karten kauften. Als umso effizienter stellte sich die Weiterverkaufsverbotsklausel heraus: Der Schwarzmarkt auf eBay, wo Helene Fischer Tickets im Wert von 50 Euro für bis zu 2000 Euro angeboten wurden, kam dank der Abmahnungen zum Erliegen.
Eine weiteres Instrument, um bei Großereignissen den Schwarzmarkt einzudämmen, ist das Personalisieren von Tickets. Eingelassen wird nur, wessen Name auf dem Ticket mit dem seines Personalausweises übereinstimmt.
"Zum Beispiel Bayreuth hat inzwischen auch Personalisierung. Es ist ganz klar, dass die Wagner Festspiele halb leer wären, wenn es da keine personalisierten Karten geben würde. Genauso Kraftwerk hat mal zehn Konzerte im Museum in Berlin gespielt. Da wurden die Karten eben auch personalisiert, weil die sonst auch zu unglaublich hohen Preisen gehandelt worden wären."
Aber auch die Personalisierung ist nicht unproblematisch: Da dauert der Einlass dann schnell mal länger als das Konzert. Mal ganz abgesehen von Fragen wie: Was macht jemand mit seinem Ticket, wenn er krank wird, oder ein Ticket verschenken will? Wie lassen sich Karten umpersonalisieren, ohne dass nicht gleich der nächste Schwarzhändler diese Schwachstelle für seine Zwecke nutzt? Brauchen wir französische Verhältnisse, wo der gewerbliche Weitererkauf von Konzertkarten per Gesetz bestraft wird, wenn er ohne Einwilligung des Veranstalters geschieht?
"Wir sind jetzt noch nicht soweit. Für uns ist das sowas wie die letzte Option, dass wir da an den Gesetzgeber herantreten mit Wünschen, weil wir uns denken, dadurch wird ja immer so ein Stück Flexibilität aus dem Markt genommen."
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