Neuerscheinungen

Das muss man gehört haben - oder auch nicht

Die Sängerin Adele
Die Sängerin Adele in Hamburg im März 2011. © picture alliance / dpa / Foto: Malte Christians
Von Oliver Schwesig · 20.11.2015
Adele, Stephanie Nilles und Enya - diese drei Frauen machen diese Woche mit ihren neuen CDs das Rennen für unseren Kritiker Oliver Schwesig. Der Top-Act ist für ihn eher "die Biene Maja unserer Tage". Eine, auf die sich viele einigen können.
Adele: "25"
Ok, an diesem musikalischen Big Bang kommt man in dieser Woche nicht vorbei. Die britische Sängerin Adele. Die Biene Maja unserer Tage. Eine, auf die sich wirklich viele einigen können. Besonders beim letzten Album war das so. Da sollen zu Spitzenzeiten 100.000 Exemplare verkauft worden sein - pro Woche! Bei der neuen Platte - die wieder nach ihrem aktuellen Alter benannt wurde, "25" - wird das sicher ähnlich kommen. Den Vorschuss, den sich Adele erarbeitet hat, der machts möglich. Ein allürenfreies Pop-Mädchen, ihre Songs selbst schreibt, die singen kann und bei einem Indielabel geblieben ist. Das nenne ich Haltung.
Ich analysiere mal: Moderne, flächige Beats, dicke Piano-Akkorde und gefühlvolle Balladen (wie man das heute nennt). Ich gebe zu, das ist alles nicht ganz so warm und ergreifend wie beim letzten Album. Alles noch ein wenig höher gepitcht, enger produziert, weiter gedreht. Aber, Herrschaften, kann die Frau singen! Stark, flehend, klar, herzerweichend. Adele - Kniet nieder!

Programmtipps: 12:07 Uhr Studio 9, 16:07 Uhr Tonart: Was macht die Sängerin zur Ausnahmeerscheinung?

Stephanie Nilles "Murder Ballads"
Musik am Piano macht auch Stephanie Nilles. Allerdings mit ganz anderen Parametern. "Murder Ballads" heißt die neue Platte der Sängerin aus Chicago. Und da wissen wir schon gleich, wo die Reise hingeht. Mit deftiger Lyrik streift Stephanie Nilles durch die morbiden Ecken der Musikgeschichte: In stinkige, fahl beleuchtete Kammern. Sie spielt Bordell-Jazz der 30er, beladen mit Blues-Mythen.
Den Pfad der Mörderballaden haben ihr ja andere schon frei getrampelt, von Nick Cave bis Tom Waits. Das ist stilistisch nichts Neues. Aber Stephanie Nilles fesselt mich aus anderen Gründen. Erstens werden in dieser Musik noch Geschichten erzählt. Nicht so ein Heulsusen-Songwriter-Kram, der einem sonst so aufgetischt wird. Naja, und dann: Wie sie das vorträgt, schon beeindruckend! Fluchend und mit schlitzoriger Stimme. Als lebe sie die Stories, die sie da singt. Man kann sich das richtig vorstellen. Mit verschmiertem Lippenstift, und Zigarette im Mundwinkel zieht sie sich ein gerissenes Strumpfband hoch und schwingt sich auf den Klavierhocker. Tod, Teufel, Schnaps und schwarzer Humor. Großartig. Stephanie Nilles - mein Favorit in dieser Woche.
Enya: "Dark Sky Island"
Ja, Sie haben richtig gehört. Klingt wie Enya. Ist auch Enya. Ihr achtes Album "Dark Sky Island". Diese Frau und ihre Musik erstaunen mich bis heute. Über 80 Millionen Platten hat sie mit mehr oder weniger der gleichen Musik verkauft und ist damit seit fast 30 Jahren ununterbrochen erfolgreich.
Enya. Die musikgewordene Nivea-Creme. Duftig, rein und weich. Alles schwebt und fließt. Durklänge, Harfen, irischer Folk, Synthesizer, Dutzendfach Stimmen, geschichtet wie in einer Sahnetorte. Seit den 80ern läuft diese Enya-Formel unverändert wie am Schnürchen. Ok, muss ich ihr lassen. Schafft auch nicht jeder. Aber 1988 bei "Orinoco flow" hatte das noch den Effekt des aufregend Neuen. Heute klingt Enya für mich wie ein ausgeleierter ferner Klang. Eine Süßigkeit, die ihren Geschmack verloren hat, weil man schon zu viel davon gegessen hat.
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