Großbritannien

Mit Ausstellungen schwarze Geschichte schreiben

08:33 Minuten
Das farbintensive Bild von Denzil Forrester mit dem Titel "Jah Shaka" zeigt eine Menschenmenge die Musik hört und dabei beobachtet wird.
Ausstellungen wie „Life Between Islands“ in der Tate Britain – hier das Bild "Jah Shaka" von Denzil Forrester – hätten einen Effekt über ihre Laufzeit hinaus, sagt der schwarze britische Künstler Keith Piper. © Tate / Collection Shane Akeroyd London / ©Denzil Forrester
Robert Rotifer im Gespräch mit Christine Watty · 17.01.2022
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Zwei Schauen in London und den Midlands dokumentieren schwarze Kunst der vergangenen Jahrzehnte in Großbritannien. Der Künstler Keith Piper erklärt, sie wirkten über ihre Laufzeit hinaus – und seien Teil der aktuellen politischen Auseinandersetzung.
Im Vereinigten Königreich beschäftigen sich gerade zwei Ausstellungsorte mit schwarzer Kunst: in der Londoner Tate Britain die Schau „Life Between Islands“ , die diese Kunstrichtung aus Großbritannien und seinen ehemaligen karibischen Kolonien von 1950 bis zur Gegenwart dokumentiert; und in Walsall in den westlichen Midlands die Ausstellung „Jet Black Futures“ über das bisherige Lebenswerk des schwarzen britischen Künstlers Keith Piper, der in den 80er-Jahren einer der Mitbegründer der britischen BLK Art Group war.
Warum die Geschichte einer in den 80er-Jahren gegründeten Gruppe von Künstlerinnen und Künstlern gerade wieder so relevant erscheint, lasse sich am besten anhand einiger Werke der BLK Art Group von damals in der Tate Britain beschreiben, erklärt London-Korrespondent Robert Rotifer. Zum Beispiel Eddie Chambers' „Destruction of the National Front“, eine Serie von Bildern aus dem Jahr 1983, in der der Union Jack als Hakenkreuz und das dann fortlaufend fragmentiert dargestellt wird – ein klassisch polemisches Werk. Oder Keith Pipers „Go West Young Man“ aus den 80er-Jahren, eine Art Collage, in der der Querschnitt eines Sklavenschiffs mit diesem amerikanischen Pionierslogan verbunden wird.

Vorgeschichte des Sturzes der Colston-Statue

Im Kontext dieser Schau könne man sehen, wie die BLK Art Group, die es in den 80ern nur für ein paar Jahre in den Midlands – zwischen Städten wie Birmingham, Coventry und Wolverhampton gegeben habe – einiges, was nachgekommen sei, geprägt habe, sagt Rotifer. Und inwiefern die Idee, eine Gruppe zu gründen, eine wichtige Strategie zur Schaffung von Öffentlichkeit war.
Eine Fotografie zeigt eine Gruppe junger Mädchen mit dem Symbol der Bewegung "Black Panther" auf ihren Schultaschen 1970.
Die Ausstellung zum Beispiel in der Tate Britain – hier eine Fotografie einer Gruppe junger Mädchen mit dem Symbol der Bewegung "Black Panther" – sei auch eine Reaktion auf die „Black Lives Matter“-Bewegung, sagt Journalist Robert Rotifer. © Tate / ©Neil Kenlock Archive
Die Institutionen hätten auch auf die in Großbritannien vor anderthalb Jahren so stark manifestierte „Black Lives Matter“-Bewegung reagiert, so Rotifer. Doch es werde auch sehr klar, wie sehr auch die Kunst überhaupt erst die Voraussetzungen für eine Bewegung wie „Black Lives Matter“ geschaffen habe. Keith Piper nennt hier ein Beispiel, wie schwarze Kunst in Großbritannien Teil der politischen Avantgarde ist: den Sturz der Statue des Sklavenhändlers und Mäzens Edward Colston, so Rotifer, in Bristol im Sommer 2020. Das sei ein Resultat jahrzehntelanger Kampagnen. Bereits 1992 habe sich die junge Künstlerin Carole Drake mit ihrem Werk konkret auf die Colston-Statue bezogen.

Ausstellungen als eine Form der politischen Opposition

Mit den Ausstellungen gehe es auch darum, schwarze, britische Geschichte zu schreiben, so Rotifer. Keith Piper erklärt: Ausstellungen wie „Life Between Islands“ in der Tate hätten über ihre Laufzeit hinaus einen permanenten Effekt, weil sie auch zu den Beständen der Tate beitragen und damit das dokumentierte Bild der britischen Kunst an sich verändern: „Wir befinden uns also an einem interessanten Moment, wo sich Institutionen wie die Tate gewissermaßen als ein Gegengewicht zur rechten Presse, der konservativen Partei und anderen, spezifischen Stimmen der Rechten begreifen.“
Der Künstler Keith Piper sieht die Ausstellungen, in denen seine Werke ausgestellt werden, also als eine Form der Opposition gegen die politische Stimmung in Großbritannien beziehungsweise gegen die dortige Regierung – und er sieht die Kunstinstitutionen dabei eindeutig Stellung beziehen.
(abr)
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