Misere an deutschen Schulen

Zu wenig Personal, zu wenig Verständnis

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Zu sehen ist eine Gruppe von SchülerInnen mit Schulranzen und Rucksäcken auf dem Rücken beim Laufen durch eine Straße.
Überall fehlen Lehrerinnen und Lehrer - nun schlägt auch die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, Andrea Nahles, Alarm. © Imago / Michael Gstettenbauer
Heike Specht im Gespräch mit Jana Münkel · 18.01.2023
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Zwei Drittel der Schulleitungen in Deutschland klagen über Personalnot. Doch das sei nicht das einzige Problem, sagt die Autorin Heike Specht. Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen würden, etwa im Vergleich zur Schweiz, viel zu wenig gesehen.
An vielen deutschen Schulen fehlen Lehrerinnen und Lehrer. Zwei Drittel der Schulleitungen bezeichnen Personalnot als größte Herausforderung für ihre Arbeit. Das hat das Deutsche Schulbarometer im Auftrag der Robert Bosch Stiftung ergeben.

Schulabbrüche rechtzeitig verhindern

Auch Andrea Nahles, die Chefin der Bundesagentur für Arbeit, schlägt Alarm: Allein im Jahr 2021 hätten rund 47.000 Jugendliche die Schule abgebrochen. Nahles appelliert an die Bundesländer, mehr zu tun, um diese große Zahl zu reduzieren.
Die in Zürich lebende Autorin und Historikerin Heike Specht meint, dass die Probleme an deutschen Schulen auch daher rühren, dass auf die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen zu wenig Rücksicht genommen werde. Das habe sich besonders während der Coronapandemie gezeigt. Während die Schulen in Deutschland immer wieder monatelang geschlossen blieben, sei in der Schweiz eine andere Strategie verfolgt worden.

Familien an der Grenze des Leistbaren

"Da hat man von Anfang an andere Schwerpunkte gesetzt und gesagt: Es ist wichtig, dass Kinder nicht nur lernen können, sondern der Austausch mit ihrer Peer Group, mit Gleichaltrigen ist essenziell und zentral", erklärt Specht. Während in der deutschen Presse vor Kindern als "Virenschleudern" gewarnt worden sei, habe man in der Schweiz ausdrücklich darauf gesetzt, "den Kindern nicht das vorzuenthalten, was ihnen zusteht".

Wir müssen dafür sorgen, dass die jungen Menschen gehört, angesprochen, mitgenommen werden.

Heike Specht, Autorin

Es habe sie sehr mitgenommen zu sehen, "wie Familien in Deutschland an den Rand dessen geraten sind, was sie leisten konnten", sagt Specht. In vielen europäischen Ländern, deren Gesellschaften "stark überaltert" seien, stelle sich die Frage, wie junge Menschen besser zu erreichen und zu beteiligen wären.

Partizipation von jungen Menschen

Nicht umsonst werde auch in der Schweiz diskutiert, ob Jugendliche schon ab 16, in Kommunen vielleicht schon ab 14 das Wahlrecht erhalten sollten, so Specht. "Ich denke, all das muss man sich überlegen, wenn man Partizipation von jungen Menschen haben möchte."
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