Schröder-Biograf Gregor Schöllgen

"Wir sind auf gute Beziehungen zu Russland angewiesen"

Der Historiker Gregor Schöllgen sitzt während der Frankfurter Buchmesse vor einer Säule auf einem Stuhl.
Der Historiker Gregor Schöllgen hat bereits eine Biografie von Gerhard Schröder verfasst. Jetzt hat er sich mit dem Altkanzler für ein weiteres Buch zusammengetan. © imago / Sven Simon
Gregor Schöllgen im Gespräch mit Ute Welty · 26.01.2021
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Eine neue Weltordnung fordern Altkanzler Gerhard Schröder und Historiker Gregor Schöllgen in "Letzte Chance". Im Buch geht es auch um das Verhältnis zu Russland und wie man eine "vernünftige Außenpolitik" mit Kritik verbindet, so der Historiker.
Wir sollten endlich begreifen, dass die alte Weltordnung vor 30 Jahren untergegangen ist, und die Chance ergreifen, die in einem Neuanfang liegt: Das sagt der Historiker Gregor Schöllgen, dessen gemeinsam mit Altkanzler Gerhard Schröder verfasstes Buch "Letzte Chance. Warum wir jetzt eine neue Weltordnung brauchen" gerade erschienen ist.
Im Buch und im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur beklagt Schöllgen die festgefahrenen Strukturen von internationalen Organisationen wie NATO und EU. Auch in den neuen US-Präsidenten setzt der Historiker keine großen Hoffnungen.
Dieser werde zu sehr damit beschäftigt sein, die inneren Wunden seines Landes zu heilen. "Zum anderen wird er in vielem die Politik seiner Vorgänger Obama und Trump fortsetzen müssen, schon deswegen, weil er innenpolitisch kaum einen Spielraum hat."

Keine größere Abhängigkeit durch Nord Stream 2

Auch auf das Verhältnis zu Russland blickt Schöllgen. So betont er, die Abhängigkeit zu Russland werde durch die umstrittene Pipeline Nord Stream 2 nicht gesteigert. Schließlich sei sie bereits die fünfte solcher Verbindungen zu Russland. Nicht nur gebe es aus den 70er- und 80er-Jahren zwei Pipelines durch die Ukraine, Weißrussland und Polen.
"Wir haben auch inzwischen – das übersehen die meisten – einen erheblichen russischen Flüssiggasimport nach Europa und dann haben wir Nordstream 1", sagt der Historiker. "Das heißt, wenn es eine einseitige Abhängigkeit gäbe, die die Amerikaner immer gern unterstellen, hätten wir die längst. Wollte man die beenden, müsste man alle Pipelines dichtmachen. Das will keiner."
Generell seien wir auf gute Beziehungen zu Russland als unserem großen mittelbaren Nachbarn angewiesen, betont Schöllgen. Hier gelte es, die "richtige politische Kritik an dem, was innenpolitisch in Russland vorgeht", mit einer "vernünftigen Außenpolitik" zu verbinden.
(uko)
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