"Normale Wege haben mich nie interessiert"
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Historische Täfelungen von Museen oder der geerbte Stuhl von Oma: Matthias Vondung verleiht altem Holz neuen Glanz. Der Schreinermeister, Restaurator und Kunsthistoriker ist begehrt, bei Kunden wie bei Azubis. Kraft holt er sich beim Meditieren.
Die Liste der Auftraggeber von Matthias Vondung ist illuster: Museen und Schlösser vertrauen dem Berliner Schreiner und Restaurator ihre historischen Türen und Möbel an. Sein ganzer Stolz: die Restaurierungsarbeiten an der Staatsoper Unter den Linden. Mehrere Jahre waren Vondung und sein Team damit beschäftigt, zum Beispiel die großen Flügeltüren für die Schall- und Brandschutzbestimmungen des 21. Jahrhunderts fit zu machen.
Eine echte Herausforderung: "Es war natürlich schalltechnisch gar nichts vorhanden, der historische Kern war da und der historische Gesamtmantel. Und meine Mitarbeiter und ich haben uns dann sehr dafür eingesetzt, dass die historischen Türen erhalten werden konnten."
Die geplanten Kunststofftüren wären gegen die Ehre Vondungs gegangen. Und sie schafften es: Die Holztüren wurden entkernt, neu aufgebaut – und erstrahlen seitdem "in neuem alten Glanz".
Matthias Vondung reizen aber auch kleinere Aufträge, wenn Kunden eine alte Kommode oder einen Stuhl von der verstorbenen Oma vorbeibringen. Jedes Stück habe seinen Reiz, seine Geschichte, seine Patina. "Und das finde ich toll, wenn da drin noch der Tintenfleck von der Großmutter ist. Der bleibt dann natürlich auch."
Vom Kriegsdienstverweigerer zum Restaurator
Geboren wurde Matthias Vondung 1958 in Mannheim. Der Vater ist Arzt, auch die Geschwister zieht es in die Medizin. Nur Sohn Matthias schlägt einen anderen Lebensweg ein: "Normale Wege haben mich nie interessiert." Vondung gehört zu den ersten Kriegsdienstverweigerern in Baden-Württemberg. Bei seinem Zivildienst in einem Heim für schwer erziehbare Jugendliche entdeckt er im Keller eine verwaiste Schreinerwerkstatt und findet Gefallen am Drechseln.
Bevor er sich zu einer Schreinerlehre entscheidet, zieht er noch mit fahrenden Handwerksgesellen durchs Land: "Das waren super Typen. Geld und Macht interessieren die gar nicht. Da geht es um ganz andere Dinge, da geht es um Intuition, da geht es um Aufrichtigkeit, um Kameradschaft. Und das hat mich sehr beeindruckt."
Einfluss auf seine spätere Arbeit nimmt auch, dass er nach seiner Schreinerlehre zunächst in selbstverwalteten Betrieben arbeitet: "Das fand ich auch spannend, diese andere Art der Umgehensweise, auch mit Kollegen, dass es nicht unbedingt einen Chef gibt, sondern dass man es gemeinsam löst und überlegt – und das dann auch entscheidet."
Die Werkstatt benannt nach Johann Georg Elser
Nachdem er sich noch den letzten Schliff bei einer Ausbildung zum Restaurator und einem Studium der Kunstgeschichte geholt hat, gründet Vondung 1999 seine eigene Schreinerwerkstatt. Die Werkstatt in Berlin-Grünau benennt er nach einem anderen Schreiner – Johann Georg Elser.
Dieser verübte im Jahr 1939 im Münchener Bürgerbräukeller ein Bombenattentat auf Adolf Hitler; kurz vor Kriegsende wurde Elser hingerichtet. "Eine interessante Persönlichkeit, jemand, der eine Intuition hatte, was ich auch sehr schätze. Der hat einfach gesagt: Das geht nicht und hat sich dem widersetzt. Und das finde ich bewundernswert."
Zwischen Stilkunde und fernöstlichem Qigong
Matthias Vondung beschäftigt 32 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, darunter acht Auszubildende. Manche haben Hauptschulabschluss, andere Abitur, auch Studienabbrecher sind dabei oder ein über 50-jähriger Umschüler. Ihnen will er nicht nur das Handwerk mit auf den Weg geben, sondern auch den kunsthistorischen Hintergrund, wie Möbelstilkunde und Architekturgeschichte.
Entspannung findet Matthias Vondung beim Meditieren und beim Qigong. Diese chinesische Meditations- und Bewegungstechnik vermittelt er auch seinen Mitarbeitern. "Man lernt Zugang zu seinen Energien zu bekommen. Und für mich ist das selbst auch ein großes Geschenk, das gefunden zu haben – das tut sehr gut."
(sus)