Schreiben gegen das Verstummen

Von Holger Teschke · 13.04.2006
Vor 100 Jahren wurde der Dramatiker und Romancier Samuel Beckett in Foxrock bei Dublin geboren. Sein Theaterstück "Warten auf Godot" wurde zur Metapher einer Epoche. Sein Schreiben war der Versuch, das Verstummen vor den Schrecken der menschlichen Existenz zur Sprache zu bringen.
Als sein französischer Verleger Jérome Lindon am 23. Oktober 1969 bei Samuel Beckett in einem Hotel am Rande der tunesischen Wüste anrief, um mitzuteilen, dass ihm der Nobelpreis zugesprochen worden war, nahm Becketts Frau Suzanne den Anruf entgegen. Sie gab die Nachricht an ihren Mann mit den Worten weiter: "Was für eine Katastrophe!"

Der Dramatiker, dem der angesehenste Literaturpreis der Welt für ein Werk verliehen worden war, das "die Verlorenheit des modernen Menschen in seine Erhöhung verwandelt", verlor durch diese Erhöhung seinen kostbarsten Besitz - die Zurückgezogenheit von der Welt. Die Presse spürte ihn auf, und er musste vor die Kameras treten. In ihrem Licht blieb er fast bis zu seinem Lebensende. Erst in den letzten Jahren vor seinem Tod fand Beckett in einem Pariser Altersheim seine geliebte Stille wieder. In keinem seiner Stücke hat Beckett darüber so autobiografisch geschrieben wie im "Letzten Band".

"Erlahmen der Jagd nach dem Glück. Völliges Versagen der Abführmittel. Hohngelächter über das, was er seine Jugend nennt und Dankgebete dafür, dass sie vorbei ist. Schatten des opus magnum. Und schließlich - Ankläffen der Vorsehung.
Was bleibt von all dem Elend?"

Samuel Beckett wurde am 13. April 1906, einem Karfreitag, in Foxrock bei Dublin geboren. Nach behüteter Kindheit und besten Internatsschulen trat er im Herbst 1923 ins Trinity College ein und studierte Französisch, Italienisch und Neuere Literatur. Bildungsreisen führten ihn nach Paris und Florenz. Der Gedanke an eine akademische Karriere in Irland entsetzte ihn dermaßen, dass er nach dem Collegeabschluss als Englischlehrer an die Ecole Normale nach Paris ging, wo er James Joyce kennen lernte.

1937 unternahm er eine Deutschlandreise, die ihn zu den Kunstsammlungen von Hamburg, Berlin und München führte. Im selben Jahr kehrte er endgültig nach Paris zurück und freundete sich mit der Pianistin Suzanne Dumesnil an, die seine Lebensgefährtin wurde.

"Hörte mir soeben den albernen Idioten an, für den ich mich vor dreißig Jahren hielt. Kaum zu glauben, dass ich je so blöde war. Diese Stimme. Gott sei Dank ist das wenigstens alles aus und vorbei. Was für Augen sie hatte. Da lag alles drin. Alles."

Nach der Besetzung von Paris durch die deutsche Wehrmacht gehörte Beckett einer Résistancegruppe an, die 1942 an die Gestapo verraten wurde. Es gelang ihm, mit seiner Frau ins unbesetzte Frankreich zu fliehen, wo er in dem Dorf Roussillon als Landarbeiter lebte und schrieb. Nach Kriegsende entstand sein berühmtestes Stück "Warten auf Godot", das bald auf allen Bühnen der Welt gespielt wurde.

Nach der Verleihung des Nobelpreises 1969 wurden seine Texte lakonischer, bis er nur noch minimalistische Werke wie "Rockaby" oder "Stirrings still" veröffentlichte. Am 22. Dezember 1989 starb Samuel Beckett in Paris und wurde auf dem Friedhof Montparnasse beigesetzt. Noch heute pilgern seine Leser an das Grab und hinterlassen Botschaften an den Dichter, der gegen das Verstummen anschrieb bis zuletzt.

"Vielleicht sind meine besten Jahre dahin. Da noch eine Aussicht auf Glück bestand. Aber ich wünsche sie nicht zurück. Jetzt nicht mehr, wo dies Feuer in mir brennt. Nein, ich wünsche sie nicht zurück."
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