Richter ohne Robe

Neue Schöffen gesucht!

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Blick auf eine Garderobe für Richter und Schöffen am Landgericht Osnabrück.
Garderobe am Landgericht Osnabrück: Schöffen sollen zu einer lebensnahen Rechtsprechung beitragen. Ob das gelingt, ist umstritten. © picture alliance / dpa / Friso Gentsch
Jörg Schmitz im Gespräch mit Liane von Billerbeck  · 15.12.2022
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Schöffen sind ehrenamtlich tätig und unterstützen Richter in Strafprozessen bei der Urteilsfindung. Nun werden wieder neue Freiwillige gesucht, die sich für fünf Jahre verpflichten. Wieviel Zeit die Tätigkeit kostet, ist ungewiss.
Derzeit werden wieder Freiwillige gesucht, die als ehrenamtliche Schöffen an Strafprozessen teilnehmen. In Berliner U-Bahnen hängen sogar Plakate aus, um für das Ehrenamt zu werben.
Der bildende Künstler Jörg Schmitz hat sich sehr bewusst für dieses richterliche Ehrenamt entschieden. Er ist seit 2019 Schöffe am Landgericht Hanau. Er könne das Amt nur jedem empfehlen, der sich dafür interessiere, betont er.

Bisher keine Terminprobleme

"Mir war vorher klar, dass der zeitliche Aufwand für das Schöffenamt im Grunde nicht kalkulierbar ist", sagt Schmitz. "Der Faktor Zeit ist die große Unbekannte." Als Freiberufler habe er bisher keine Terminprobleme gehabt, aber das könne natürlich bei einem Bäckergesellen oder einer Medizinstudentin ganz anders sein.
Wegen dieses Umstands seien im Schöffenamt bestimmte Berufsgruppen besonders stark vertreten, vor allem Leute aus dem öffentlichen Dienst, Beamte oder Konzernbeschäftigte. Dort würden Schöffen von ihren Arbeitgebern freigestellt. "Ich kenne keine einzige Studentin, die Schöffin wäre", sagt Schmitz.

Hintergrund: Schöffen sind ehrenamtliche Richter, die bei Strafprozessen mitwirken. An der Urteilsfindung sind sie gleichberechtigt mit den Berufsrichtern beteiligt. Eine Amtsperiode für Schöffen beträgt zurzeit fünf Kalenderjahre, die aktuelle Amtsperiode begann am 1. Januar 2019. Deshalb erfolgt 2023 die Schöffenwahl für die nächste Amtsperiode.

Bewerbungen für das Schöffenamt sind in vielen Gemeinden möglich. Wenn sich nicht genügend Freiwillige finden, werden die Kandidaten aus den Daten der Einwohnermeldeämter gelost. Für den Einsatz als Schöffe gibt es keine Vergütung, sondern nur Ersatz von Fahrtkosten und einen Ausgleich bei Verdienstausfall. Durch eine Beteiligung der bundesweit rund 60.000 Schöffen in Gerichtsverfahren soll das Vertrauen der Bürger in die Justiz gestärkt und eine lebensnahe Rechtsprechung erreicht werden. Ob das gelingt, wird unter Fachleuten kritisch diskutiert.

Dass sich Schöffen gleich für fünf Jahre verpflichten sollen, findet Schmitz zu lang und nicht mehr zeitgemäß. Dadurch werde das Interesse an diesem wichtigen Ehrenamt deutlich begrenzt, meint er: "Da muss dringend nachgebessert werden." Eine Amtszeit von drei Jahren reiche.

"Schöffen TV" informiert

Schmitz hat 2020 den YouTube-Kanal "Schöffen TV" ins Leben gerufen, damit ehrenamtliche Richter mehr Hilfestellung finden. Vielen sei nicht bewusst, was sie erwartet, sagt er. Der Staat leiste keine Unterstützung. "Man erhält keinerlei sorgfältige Vorbereitung auf dieses Amt." Später gebe es in der Amtszeit auch keine Fortbildungen, deshalb habe er die Sache selbst in die Hand genommen.
(gem)

Literaturtipp:
Hasso Lieber und Ursula Sens: "Fit fürs Schöffenamt"
Berliner Wissenschafts-Verlag 2019
241 Seiten, 19,90 Euro

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