KI in der Justiz

Keine Richterroben für Roboter

08:48 Minuten
Ein weißer humanoider Roboter hält die Waage der Gerechtigkeit in der leicht erhobenen linken Hand.
Ein Roboter als Richter? Für viele eine gruselige Vorstellung. Das ist kein realistisches Szenario, beruhigt der Rechtsexperte Paul Nemitz. © picture alliance / Zoonar / Alexander Limbach
Paul Nemitz im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 14.12.2022
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Unser Alltag ist gespickt mit Künstlicher Intelligenz. Nur im Bereich der Justiz spielen Roboter und Co. noch keine große Rolle. KI könnte auch dort von Nutzen sein, glaubt Rechtsexperte Paul Nemitz – aber nicht als Richter oder Anwalt.
Künstliche Intelligenz dringt immer weiter in alle Lebensbereiche vor: Autofahren, Studierende unterrichten, im Chat Kundenprobleme lösen – das ist alles schon möglich und trägt zu unserer Entlastung bei.
Im Justizwesen wird schon seit einer Weile darüber diskutiert, inwiefern auch dort KI Juristinnen und Rechtspflegern unter die Arme greifen kann. Doch wer vor seinem inneren Auge bereits Roboter in Richterrobe sieht, dem sei gesagt: Das ist höchst unwahrscheinlich.

Algorithmen haben Vorurteile

Denn die KI-Algorithmen – das weiß man aus anderen Zusammenhängen, etwa bei der Kreditvergabe – neigen zu diskriminierenden Empfehlungen und Entscheidungen, etwa so: Du wohnst in einem Brennpunkt-Bezirk mit hoher Kriminalitätsrate? Dann bewilligt die Bank dir keinen Kredit, auch wenn du über ein festes und nicht zu knappes Einkommen verfügst und nicht vorbestraft bist.
Aber: Man werde vielleicht Teilbereiche der juristischen Arbeit mithilfe von KI erleichtern können, sagt Paul Nemitz, Chefberater der EU-Kommission im Bereich Justiz und Verbraucher sowie Autor des Buches "Prinzip Mensch: Macht, Freiheit und Demokratie im Zeitalter der Künstlichen Intelligenz". Und er gibt ein Beispiel: „Wenn heute ein Schriftsatz eingeht bei Gericht, dann müssen die Richter die dort zitierten Urteile noch von Hand heraussuchen.“
Das kostet Zeit. Vorstellbar sei daher, „dass all diese zitierte Literatur und die zitierten Urteile bereits in einer digitalen Akte vorliegen“ – zusammengestellt mithilfe von KI.

Kritische Kontrollinstanz Mensch

Hier und da gebe es bereits Versuche dazu. Nemitz räumt jedoch ein, dass ein solches Verfahren den Menschen weiterhin als kritische Kontrollinstanz brauche – „denn am Ende können wir uns nicht darauf verlassen, was diese Maschinen produzieren“.
Denkbar ist für Nemitz auch, KI als Assistenz für die Überprüfung von Urteilen heranzuziehen und Vorschläge für Entscheidungen machen zu lassen. Das funktioniere überall dort, „wo das Recht stark numerisch ist“.
Etwa bei der Berechnung von Arbeitslosengeld oder den derzeit noch geltenden Hartz IV-Leistungen. „Dort könnte mithilfe eines KI-Programms überprüft werden, ob der Bescheid der Agentur für Arbeit wirklich richtig ist.“
(mkn)
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