"Schindlers Liste"

Wie der Hollywood-Film Krakau verändert hat

Die Namen der von Oskar Schindler geretteten Juden sind aufgelistet in einem Raum der ehemaligen Emailfabrik in Krakau (Polen), die heute ein Museum mit einer multimedialen Ausstellung zur deutschen Besatzung in Krakau ist. Ohne Schindlers Liste wäre der Krakauer Stadtteil Kazimierz nicht das pulsierende Szene-Stadtteil der Gegenwart.
Die richtige "Liste" Oskar Schindlers ist in Krakau im Museum zu besichtigen © picture-alliance / dpa / Eva Krafczyk
Von Henryk Jarczyk  · 15.09.2014
Steven Spielberg schenkte der Geschichte um Oskar Schindler und damit auch der Stadt Krakau weltweite Bekanntheit. Der Besuch aus Hollywood, der Dreh von "Schindlers Liste", hat in Krakau tiefe Spuren hinterlassen.
Krakau während des Zweiten Weltkrieges. Die Nazis wüten in der Stadt. Die Juden werden im Ghetto eingepfercht. Wer nicht arbeiten kann, landet in den Gaskammern der naheliegenden Konzentrationslager.
Es gibt viele Filme über den Krieg und den Holocaust, die in Polen an Originalschauplätzen gedreht wurden. Steven Spielbergs Schindlers Liste bleibt dennoch ein besonders gelungenes Werk über die Grausamkeit der damaligen Zeit. Eine Zeit, die viele Krakauer bis zur politischen Wende in Polen zu verdrängen versuchten. Das Schicksal der Juden in der Stadt, meint die Kunstgeschichtedozentin Katarzyna Kos, sei aus politischen Gründen bis in die 90er-Jahre mehr oder weniger ein Tabuthema gewesen.
"De facto hat erst der Film dazu beigetragen, dass sich die Krakauer für die Problematik des Zweiten Weltkriegs aus der Perspektive der Juden zu interessieren begannen. Viele Menschen wussten nicht, wo genau das jüdische Getto war oder dass sich in dem Stadtteil Plaszow ein Arbeitslager und später ein Konzentrationslager befand. Der Film hat den Menschen Wissen beigebracht sowohl über Oskar Schindler, als auch über den Holocaust in Krakau während des zweiten Weltkrieges."
Horrorvorstellung: Holocaust im Hollywoodformat
Reserviert reagierten einige auch deshalb, weil sie Angst vor einer amerikanischen Filmproduktion hatten. Der Holocaust in Hollywoodformat - für manche Polen eine Horrorvorstellung. Vor allem für die ältere Generation, argumentiert der 60-jährige Ryszard:
"Ich habe den Film nicht gesehen, aber ich habe sehr viel darüber gelesen, ich kenne die Geschichte. Ich sehe prinzipiell selten Filme, die mit dem Krieg und dem Martyrium verbunden sind. Ich finde, dass dieses Thema schon im gewissen Sinne abgenutzt ist. Das ist vielleicht von Bedeutung für die junge Generation, aber für Menschen, die kurz nach dem Krieg geboren wurden, so wie ich, war dieses Thema stets präsent. Deshalb denke ich, dass sich damit eher Historiker befassen sollten und nicht unbedingt Kulturschaffende."
Für einen Regisseur, auch von Weltruhm, denkbar schwierige Voraussetzungen, um anstatt in einem Studio an jenen Orten zu drehen, an denen alles tatsächlich passiert ist. Steven Spielberg ließ sich dennoch nicht entmutigen. Und seine Entscheidung, sagt die Krakauer Kunstgeschichtedozentin, Katarzyna Kos, mache deutlich, dass er recht hatte:
"Die Dreharbeiten haben unter den Einwohnern Krakaus ein großes Interesse geweckt. Vor allem der Stadtteil Kazimierz, der damals ziemlich vernachlässigt war, bekam eine echte Chance auf eine Revitalisierung. Immer mehr Menschen kamen, um einerseits zu beobachten, was geschieht, und andererseits um die berühmten Schauspieler zu sehen. Zweifellos war das eine sehr große Attraktion für die Einwohner Krakaus."
In einigen Restaurants hat Spielberg gerne gegessen
Nachdem sich die Stadt seit 1945 gewaltig verändert hatte, musste Spielberg improvisieren. Denn erhalten geblieben war eigentlich nur das ehemalige Fabrikgebäude von Oskar Schindler, sowie seine Wohnung in der Ulica Straszewskiego.
"Das Gebäude stammt aus der Wende zwischen dem 19. und 20. Jahrhundert. Es war damals ein modernes Patrizierhaus. Auch im Film sieht man, dass die Innenräume gutbürgerlich sind, im positiven Sinne des Wortes."
Was die Szenen in dem von den Nazis geschaffenen Ghetto anbelangt, da musste Spielberg komplett auf das historische jüdische viertel Kazimierz ausweichen. Ein Stadtteil, der während des Krieges - erklärt Katarzyna Kos - nicht zum Ghetto gehörte und daher mit dem Holocaust nur ganz am Rande etwas zu tun habe:
"Steven Spielberg hat beschlossen, die Straßen und Höfe von Kazimierz als Drehorte für den Film zu nutzen, denn das Gelände, auf dem das Ghetto tatsächlich existierte, war mit vielen Hochhäusern ausgestattet, und eignete sich nicht mehr dafür. Also wurden die Ghettoszenen in den engen Gassen von Kazimierz und seinen Hinterhöfen gedreht. Das erschien authentischer. Damit konnten die Atmosphäre und das Aussehen des Ghettos besser wiedergeben werden."
Heute erinnert kaum etwas in Krakau an die eigentlichen Dreharbeiten. Von einigen Restaurants mal abgesehen, in denen Spielberg angeblich besonders gerne gegessen haben soll. Das jüdische Viertel Kazimierz indes wurde zu einer großen Touristen Attraktion. Und das, sagen die Krakauer, unter anderem dank Steven Spielbergs Verfilmung von Schindlers Liste.
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