Schauspielerin Uzo Aduba

"Ich bin dankbar, dass diese Figur geschrieben wurde"

Uzo Aduba arrives at the 21st annual Screen Actors Guild Awards - SAG Awards - in Los Angeles, USA, on 25 January 2015.
Schauspielerin Uzo Aduba auf den 21. Screen Actors Guild Awards - SAG Awards - in Los Angeles © picture alliance / dpa / Hubert Boesl
06.06.2015
In der Gefängnisserie "Orange is the new Black" spielt Uzo Aduba die Insassin Suzanne. Im Interview erklärt die Schauspielerin, warum sie die Rolle mag - und was die Serie so realitätsgetreu macht.
Susanne Burg: Sie haben mal gesagt, dass Sie die Rolle von Suzanne lieben. Was genau lieben sie an ihr?
Uzo Aduba: Ich liebe diese Figur, weil ich ihre Verletzlichkeit mag, ihre Ehrlichkeit, sie ist loyal, und sie steht 100 Prozent zu dem, was sie liebt, egal wer oder was das ist. Was ich an ihr mag, ist, dass sie nichts im Schilde führt, alles an ihr ist rein und authentisch.
Burg: Ein Journalist schrieb mal über Ihre Rolle: Crazy Eyes ist verrückt, man kann nicht sagen, ob sie harmlos ist oder im Geheimen Pipers Tod vorbereitet. Wie vereinbaren Sie beim Schauspielen diese beiden erst mal unvereinbar wirkenden Eigenschaften, Unschuld und diesen gewalttätigen Ausbruch?
Aduba: Man sollte dabei immer im Kopf behalten, dass diese Dinge, die gewalttätig erscheinen, von einem liebenden Hintergrund herrühren. Suzanne handelt zuerst und denkt danach. Sie tut nichts aus Boshaftigkeit. Ich glaube nicht, dass sie irgendetwas Bösartiges in sich hat. Sie hält ihr Handeln immer für begründet und gerechtfertigt, auch wenn es zu Gewalt kommt. Ihre Motivation besteht oft darin zu schützen, zu bewahren, was sie liebt, und zu beweisen, wie sehr sie jemanden oder etwas liebt. Das ist immer ihr Ausgangspunkt und treibt ihr Handeln an. Das hilft mir manchmal zu verstehen, warum Menschen sich auf bestimmte Weise verhalten.
Burg: Und wie schafft sie es eigentlich, diese Unschuld an einem Ort wie einem Gefängnis zu bewahren?
"Ich mag es, tiefer in die Materie einzudringen"
Aduba: Das ist eine gute Frage. Das ist lustig, weil in dieser Staffel Jenji Kohan sich daran macht zu untersuchen, was die Begriffe Vertrauen und Glaube außerhalb von Religion bedeuten können. Ich denke, Suzanne hat ihren Glauben nie verloren. Wenn Sie eine Liebende sind, jemand, der an die Liebe glaubt, dann glaubt man tief drinnen auch, das in jedem irgendetwas Gutes steckt und das am Ende alles gut wird. Und auch wenn sie kämpft, bleibt sie doch eine Liebende und keine Kämpferin. So erhält sie sich ihren Glauben, sie schafft es, alles Schlechte und den ganzen Lärm davon abzutrennen, sie bleibt ihrem ersten Glaubensgrundsatz treu, und der ist die Liebe.
Burg: Ihre Rolle war erst mal am Anfang in der Staffel eine Nebenrolle und war dann aber so beliebt, dass sie im Laufe der Zeit zu einer Hauptrolle wurde. Wie haben Sie selbst das erlebt, wie hat es auch Ihre Arbeit verändert?
Aduba: Als ich zum ersten Mal auf sie stieß, als sie in die Geschichte kam, in Folge zwei, und sie beschrieben wurde als unschuldig wie ein Kind, mit dem Unterschied, dass Kinder nicht beängstigend sind, fand ich das eine sehr interessante Art eine Gefängnisinsassin zu beschreiben. Ich war froh, Teil dieser Serie sein zu dürfen, auch weil ich wusste, dass die da etwas anders machten. Schon als ich das Skript des Pilotfilms las, wusste ich, dass das was Eigenes war, anders als alles, was ich zuvor gelesen hatte. Und weil sie sie so speziell beschrieben haben, freute ich mich über diese Herausforderung und wollte einfach mein Bestes geben. Ich legte meine ganze Energie und mein Herz in das, was sie da geschrieben hatten, und versuchte dem gerecht zu werden. Als die Serie weiterging, hat es mir einfach Spaß gemacht, sie zu spielen. Ich habe schon immer Rollen geliebt, die aus dem Rahmen fallen, ich mag es, tiefer in die Materie einzudringen, in komplexere Stoffe, die komplizierter sind, als sie auf den ersten Blick erscheinen. So ist das auch bei Suzanne. Es wäre leicht gewesen, sie einfach so zu spielen, ah, ich bin verrückt! Aber es steckt mehr in ihr, man muss sie nur ein bisschen reifen lassen, dann wird es aufregender und spannender. Ich bin wirklich sehr dankbar, dass diese Figur geschrieben wurde und dass Jenji, die Schöpferin der Serie, mich eingeladen hat, dabei zu sein und dabei zu bleiben.
Burg: Eine Sache ist ja eben das Drehbuch, die andere Sache sind dann aber die Regisseure, die kommen, und in einer Serie sind das verschiedene Regisseure. Wie stellen Sie sicher, dass Ihre Rolle trotzdem die gleiche bleibt, dass Ihre Performance die gleiche bleibt?
Aduba: Ich glaube, das ist immer eine Zusammenarbeit. Da gibt es die Autoren und die feste Hand von Jenji. Sie hat das alles erschaffen, sie kennt die Figuren so gut, wie alle unsere Autoren auch. Was die Regie betrifft, freue ich mich immer, wenn ein anderer, neuer Regisseur kommt. Bisher waren alle unsere Regisseure immer gut informiert und haben alles gelesen, und es ist immer gut, die Perspektive eines Außenstehenden zu haben, mit neuen und anderen Schwerpunkten. Manchmal bin ich vielleicht auch zu dicht dran an der Rolle, sodass ich gar nicht darauf komme, eine Textzeile einmal anders zu sagen, und sie geben mir die Möglichkeit, die Figur einmal auf andere Weise weiterzudenken. Ich liebe diese Zusammenarbeit und die neuen Stimmen und Blickwinkel, das alles zusammen ergibt die beste Arbeit.
Serie über Mütter, Töchter, Nachbarinnen und Ehefrauen
Burg: Haben Sie ein Beispiel dafür, wo Sie sich erinnern, da hat mich ein Regisseur dazu gebracht, das mal anders zu spielen?
Aduba: Da muss ich mal nachdenken. Wir hatten einen Regisseur, einen meiner Lieblingsregisseure, Michael Trim, der in der ersten Staffel Regie geführt hat und dann in der zweiten Staffel wieder zurückkam. Ich erinnere mich an eine Regieanweisung in Staffel zwei von ihm, zu Suzanne und dem Countdown der Uhr. Beim ersten Mal sollte ich es schneller spielen, weil sie noch nicht bemerkt hatte, dass sie außen vor blieb, beim zweiten Mal, später, sollte es dagegen langsamer sein, und er gab mir immer wieder die Anweisung, es noch langsamer zu spielen, weil der Schmerz so groß ist, kaum erträglich, sie kennt das schon, hat es schon erlebt. Man hält sich ja nicht wirklich an die Uhr, man zählt nicht die echten Sekunden, das habe ich dabei verstanden, dass es eben nicht um die tatsächliche Uhr geht, sondern um die Zeitbombe, die in dir tickt und langsam, langsam ihrem Ziel näher kommt.
Burg: Die Serie beruht ja auf einer wahren Geschichte, der von Piper Kerman. Und die hat vor Kurzem in einem Interview gesagt, dass ein Gefängnis in seinem Wesen eines der männlichsten Orte ist, die man sich vorstellen kann. An welchen Stellen haben Sie gemerkt, anhand des Drehbuches, dass das System Gefängnis nicht auf Frauen ausgerichtet ist?
Aduba: Ich denke, da gibt es viele Beispiele, an denen man sehen kann, dass dieses System nicht auf Frauen zugeschnitten ist. Es ist zum einen überhaupt nicht für transsexuelle Frauen gemacht, das sieht man daran, wie Sofia dafür kämpfen muss, ihre Medikamente zu bekommen. Man findet viele Bereiche. In den USA kommt das Thema der Sterilisation wieder auf. In Litchfield, in der Serie, ist die Zuteilung weiblicher Bedarfsartikel eingeschränkt, auch was Unterwäsche und so etwas betrifft. Im echten Leben finden sich aber viele Bedingungen in Gefängnissen, die nicht gerade zu einer menschlichen Lebensweise beitragen, bei Frauen und Männern, wie zum Beispiel Einzelhaft oder Arrestzellen.
Burg: Es ist nicht die erste Serie, die in einem Gefängnis spielt, da gab es "Prison Break", da gab es "Oz". Aber in den USA ist es die erste, bei dem Frauen im Zentrum stehen. Wie hat die Serie Ihrer Meinung nach die Wahrnehmung von diesem sehr relevanten Thema für die USA verändert? Frauen im Gefängnis!
Aduba: Ich glaube, die Leute, die sonst einfach weggesperrt werden, erhalten so ein menschliches Gesicht. Gleich am Anfang der Serie merkt man, dass man eigentlich keine Serie über Gefangene und ihre Verbrechen sieht, sondern eine Serie über Mütter, über Töchter, über Nachbarinnen, Angestellte, Geschäftsfrauen, Familien, Ehemänner und Ehefrauen, die alle mit dem Gefängnis und dem Strafvollzugssystem zu tun bekommen. Das ist die Serie, die Jenji schreibt, sie hat viele dieser Charaktere menschlicher gemacht. Man merkt, dass man nicht nur über Leute und ihre Verbrechen spricht, dass hinter der Sträflingskleidung mehr steckt als nur eine Nummer, es sind Menschen. Man sieht auch, dass gute Menschen Fehler machen können, und sich dann in Umständen wiederfinden, die sie uns erst einmal, oberflächlich betrachtet, fremd werden lassen, die uns glauben machen, dass wir nichts mit ihnen gemeinsam haben. Dabei sind ihre Kämpfe und Auseinandersetzungen, die gleichen, die auch viele von uns täglich zu führen haben.
Burg: Das heißt, Sie sind der Meinung, dass die Show eigentlich im Grunde genommen nur ein Spiegel der Gesellschaft ist?
Unternehmenspleiten und verstorbene Großmütter
Aduba: Auf jeden Fall. Wir sehen Stammesstrukturen, Cliquen- und Gruppenbildung, Freundschaften, die entstehen und auseinandergehen, Beziehungen, Ehen, die geschlossen werden und zerbrechen, wir sehen finanzielle Probleme, Unternehmenspleiten, Todesfälle in der Familie, verstorbene Großmütter. Außerdem macht Jenji das sehr gut, indem sie uns die Hintergrundgeschichten der Insassen zeigt, das Leben, das die Figuren vor dem Gefängnis Litchfield hatten, wie sie in die aktuelle Situation geraten sind. Wir haben alle Hürden zu überwinden im Leben und haben alle eine Geschichte, die zu unseren augenblicklichen Lebensumständen geführt hat. Wir sind vielleicht nicht im Gefängnis gelandet, aber wir haben alle mal Schwierigkeiten gehabt, mit denen wir klar kommen mussten. Was die Serie macht, ist genauer zu betrachten, wie wir mit solchen Problemen umgehen.
Burg: Es gibt sehr, sehr viele interessante Figuren, es gab aber auch Kritik an der Serie: In der Realität sind die meisten Frauen in Frauengefängnissen schwarz, in der Serie stehen aber die weißen Frauen im Zentrum, die Geschichte ist aus der Perspektive der weißen Frauen erzählt. Und die Kritik ist eben, dass die Figuren der schwarzen Frauen häufig sehr aggressiv seien oder Witzfiguren oder eben verrückte Frauen. Was ist Ihre Antwort auf diese Kritik?
Aduba: Unter anderen Umständen hätte diese Kritik vielleicht ein stärkeres Fundament, aber dieser Geschichte liegen wahre Begebenheiten zugrunde. Jenji hat sich Piper Chapman nicht einfach so ausgedacht, all das basiert auf dem Leben und den Aufzeichnungen von Piper Kerman, die nun mal eine Weiße ist, und die Frauen, die zu sehen sind, sind die, die sie getroffen hat. Die Figur der Suzanne wurde auch im Buch Crazy Eyes genannt, so hat Piper Kerman ihre Persönlichkeit beschrieben. Man muss also wissen, dass das die Grundlage für die Serie bildet. Jenji hat etwas sehr Kraftvolles daraus entstehen lassen, indem sie diese Serie ins Leben gerufen hat, und einen Einblick ins Gefängnissystem ermöglicht hat sowie einen Dialog darüber, was dort überall im Land passiert. Sie hat eine Umgebung geschaffen, die authentisch ist, das kann sie einfach, sie weiß, wie man die Wahrheit wiedergibt. Das mag manchmal eine Herausforderung sein, wenn wir mit der Wahrheit konfrontiert werden, das kann durchaus einiges aufwirbeln.
Burg: Vielen Dank!
Aduba: Ja, thank you, danke schön!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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