Schauspieler Mads Mikkelsen

"Der Traum, für den ich arbeite"

"Men & Chicken"
Gabriel (l, Nikolaj Lie Kaas) und Elias (Mads Mikkelsen) in dem Film "Men & Chicken" © picture alliance / dpa / Foto: Rolf Konow
Von Wolfgang-Martin Hamdorf · 04.07.2015
Er war der Gegenspieler von James Bond, der internationale Star Mads Mikkelsen. Jetzt ist er in einer Hauptrolle in "Men & Chicken" zu sehen. Der Schauspieler berichtet über seine Zusammenarbeit mit Regisseur Anders Thomas Hensen und mögliche neue Traumrollen.
"Ich habe keinen kleinen Hamlet in mir, im Sinne von „Ich muss den Hamlet unbedingt machen!“ Nein, das muss ich nicht. Wenn es ein interessanter Hamlet wäre, etwas, das wir noch nicht vorher gesehen haben, dann ist das was anderes. Meine Traumrolle entsteht immer dann, wenn ich einem Projekt zustimme, dann wird das der Traum, für den ich arbeite."
Mads Mikkelsen wirkte seit seiner ersten Rolle 1996 in einem dänischen Drogendrama in mehr als 30 Film- und Fernsehproduktionen mit. Im James Bond Film "Casino Royal" spielte er 2006 Le Chiffre, den teuflischen Gegenspieler des Agenten. Seine Rollen reichen vom dänischen Kleinkriminellen, über den Ritter Tristan, den Rebellen Michael Kohlhaas (2013) bis hin zum Komponisten Igor Strawinsky und dem Menschenfresser Hannibal Lecter. In "Men & Chicken" spielt er jetzt einen einsamen Mann mit einem sehr angespannten Verhältnis zu Tieren und zu seinen Brüdern:
"Darf ich jetzt weitererzählen? Ohne Unterbrechung? Gut. Ich versuche den Vogel zu umarmen. Nein, nein, das will er nicht. Er weicht dann immer zurück vor mir. Und dann sehe ich genau hin und es ist mein Bruder. Und ich werde ganz rasend vor Wut, ich verprügele ihn und zwar richtig heftig. Dann fessele ich ihn, dann breche ich ihm seine Flügel und das Geräusch ist richtig realistisch, so wie wenn man einen Hühnerschenkel rausreißt. Und dann endet es damit, dass ich ihn vergewaltige."
Elias ist jähzornig, im sozialen Umgang zurückgeblieben und immer auf der Suche nach einer Frau. Sein Halt im Leben ist sein Bruder. Als die beiden erfahren, dass sie adoptiert wurden, machen sie sich auf die Suche nach ihrem leiblichen Vater.
Die Rolle des hässlichen Taugenichts Elias
Die Rolle des Elias spielt der durchtrainierte Mad Mikkelsen mit seinem markanten schmalen Gesicht, das auch noch ein „spezielles“ Aussehen durch einen dicken Schnurrbart über einer Hasenscharte bekommt, dazu noch eine provinzielle 80er-Jahre-Frisur. Für Mads Mikkelsen ist der hässliche Taugenichts, mit seiner ständigen Gier nach Selbstbefriedigung ein ebenso gewalttätiger, wie zerbrechlicher Mensch:
"Er ist im Film auf einer Reise und weiß nicht, wohin sie geht. Aber sein eigener persönlicher Weg ist, dass er einfach von jemandem gemocht werden will, und ganz besonders von seinem Bruder Gabriel. Meine Figur kann man wirklich nur sehr schwer mögen, da kann man wenig daran ändern, er stolpert immer über sich selbst, das kann man lustig oder traurig finden."
Familiendrama mit fünf Halbbrüdern
"Men & Chicken" ist ein Familiendrama der ganz besonderen Art: Fünf Halbrüder, die zwar den selben Vater haben, aber - durch ein schreckliches Geheimnis bedingt - jeder eine andere Mutter. Fünf seltsame Männer und unzählige Tiere in einem halb verfallenen Krankenhausgebäude auf einer fast ausgestorbenen Insel: Es ist ein Mikrokosmos mit ganz absurden, kindlichen Regeln, wenn etwa die Brüder beim Abendessen um die Teller mit den Tiermotiven streiten:
"Gib Josef einfach den Hundeteller, sei du mal der Vernünftigere.“ „Nein!“
"Ach komm, dann nimm doch meinen, da ist eine Eule drauf."
"Glaubst du etwa, ich bin blöd, oder was? Die Eule ist noch schlechter als das Huhn."
"Das ist wirklich sehr nett Elias, aber die Eule ist der Allerschlechteste, alle wollen den Hund."
"Es gab viel Freiheit in unserer Zusammenarbeit"
Überwiegend in den Beelitzer Heilstätten bei Berlin und auf der dänischen Insel Ork gedreht, entwickelt "Men & Chicken" zwischen weiten Herbstlandschaften und verwahrlosten Ruinen eine ganz eigene Atmosphäre. Für Mads Mikkelsen ist es auch ein ganz typischer Film des dänischen Regisseurs Anders Thomas Hensen, mit dem er seit seinem Spielfilmdebüt zusammenarbeitet:
"Es gibt viel Freiheit in unserer Zusammenarbeit. Wir tauschen uns aus, wir entwickeln die Charaktere zusammen. Aber er weiß auch ganz genau, was er will. Ich liebe seine Filme, ich kenne keinen, der so poetisch, so schön ganz große Geschichten über Leben und Tod erzählt, und das in einem ganz eigenen, verrückten, absurden Universum."
"Men & Chicken" ist eine gelungene Gratwanderung zwischen schwarzem Humor und schwarzer Romantik, zwischen lautstarker derber Groteske und tiefen existenziellen Fragen. Ein Cocktail unterschiedlicher Genres, wie dem romantischen Horrorfilm à la "Frankenstein", "Der Insel des Dr. Moreau", Freakshow, brachialer Komödie und brutalem Slapstick. Aber in erster Linie ist "Men & Chicken" auch ein Film über Familie. Und es gelingt ihm am Ende wirklich, so etwas wie tiefe Sympathie für seine lautstarken, rauen und hässlichen Protagonisten zu schaffen. So wird er am Ende zum Plädoyer für das Miteinander ganz unterschiedlicher Charaktere.
"Im Grunde ist der Film ein Loblied auf das Leben. Er zeigt, dass das Leben an Dir arbeitet, und dich so akzeptiert wie du bist. Und dass Du, wenn du lange genug suchst, die Welt findest, in die Du gehörst. Das ist eines der wirklich großen Themen."
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