Keine Heldengeschichte

Von Jörg Taszman · 25.08.2008
"Tage des Zorns" ist ein Film über das Leben der dänischen Antifaschisten Flame und Citron, die 1944 von den deutschen Besatzern mit einem Kopfgeld gesucht wurden, weil sie Attentate gegen Kollaborateure und Gestapo durchführten. In der Aufarbeitung des Widerstands verzichtet der Film auf eine Rollenverteilung nach eindeutigem Gut-Böse-Schema und löste in Dänemark heftige Kontroversen aus. Dänemarks bekanntester Darsteller Mads Mikkelsen ist in der Rolle des Citron zu sehen.
Filmszene: "Sie haben die Belohnung erhöht. Nur Deine."
" Was wissen sie?"
"Auf jeden Fall, dass Du rote Haare hast. Färb' Dir die Haare oder trag' einen Hut."
"Einen Hut?"
"Oder eine Mütze, wenn es Dir lieber ist."
"Da ist er."
"Noch ein guter Grund. Redakteuere, die in ihren Zeitungen Nazipropaganda verbreiten."
"Redakteur Gaust? (Man hört Schüsse, das Aufheulen des Motors.)"

Den jugendlichen Heißsporn Flame, der 1944 erst 23 Jahre alt ist, mit seinen roten Haaren und seinem zehn Jahre älteren Partner Citron, der vor dem Krieg bei den Citroen Werken gearbeitet hatte, gab es wirklich. Nach der deutschen Besetzung in Dänemark regte sich zunächst kaum Widerstand, und die beiden jungen Männer gehörten einer ganz kleinen Minderheit von Untergrundkämpfern an, die zunächst nur die Befehle bekamen, dänische Kollaborateure zu liquidieren, aber keine Deutschen.

Mads Mikkelsen erzählt im Interview, dass man Flame und Citron kurz nach dem Krieg zwar ausgezeichnet, aber eigentlich schon vergessen hatte. Dafür gab es auch Gründe.

"Unser Blickwinkel war es, sich die Widerstandsbewegung genauer anzuschauen. Es ging nicht um den Krieg, den hat man zu Tode abgefilmt. Wir sind uns ja alle einig, dass Hitler ein großer, verrückter Psychopath war, und er war nicht alleine. Es ging eher darum zu sehen, was der Krieg aus Menschen macht.

In diesem Film sagen wir nicht: 'Sie hatten Unrecht, und wir hatten Recht.' Es geht um die Mittel und die Art des Kampfes und wie sich da auch innere Grenzen verschoben haben. Je mehr getötet und ermordet wurde, umso mehr verschoben sich auch die mentalen Grenzen. Das fanden wir interessant, denn jeder Soldat auf der Welt glaubt, dass er für die richtige Sache kämpft."

Gerade wenn den beiden Männern Zweifel an ihrem Tun kommen, sie die Befehle hinterfragen und Flame eine Liaison mit der Doppelagentin Ketty eingeht, stellt der Film interessante Fragen. Haben wirklich alle auf der Todesliste den Tod auch verdient?

Und so soll eines Tages auch Ketty umgebracht werden, die für den Widerstand als Spionin arbeitet, aber auch die Geliebte des Gestapo-Chefs Hofmann ist. Bis zum Schluss bleibt sie eine undurchsichtige, rätselhafte Figur. Noch kritischer werden die in Schweden untergetauchten Anführer des Widerstandes gezeichnet, die mitunter selbstherrlich über Leben und Tod entscheiden. Für Mads Mikkelsen sind genau diese Aspekte des Films intereressant.

"Wir würden uns ja alle gerne als die Guten und die Helden sehen. So sind wir aufgewachsen und erzogen wurden. Das wäre schlimm für uns, wenn wir nicht nur zu den Guten zählen würden. Während des Krieges gab es vielleicht bei uns in Dänemark zwischen 700 und 900 Widerstandskämpfer, aber 7000 Dänen kämpften in Russland für Deutschland. Diese Zahlen stehen in keinem Verhältnis zueinander.

Viele Leute hießen Nazideutschland willkommen in unserem Land. Dabei fanden viele auch die Ideologie gut, dass endlich etwas passiere in Europa und es Arbeit gebe. Nach dem Krieg gab es dann plötzlich 50.000 Widerstandskämpfer, also einen Tag nach Kriegsende. Wir haben ein Bedürfnis danach, Helden zu sein, und wir möchten uns nicht als kleine, verängstigte Verräter sehen."

In Dänemark löste "Tage des Zorns" heftige Kontroversen aus. Für die radikalen Linken sei der Film rechtsradikal, und die nationalistische Rechte empfände ihn als linksradikal, erzählt Mads Mikkelsen, der sich darüber freut, dass gerade auch Jugendliche, wie seine 15-jährige Tochter, sich den Film anschauten und das Thema nun auch wieder im Schulunterricht behandelt wird.

Mads Mikkelsen, der eine doppelte Karriere in Dänemark und den USA verfolgt, gehört zu den lockeren, angenehmen Schauspielern ohne jegliche Starallüren. Soeben hat er seinen ersten Film auf deutsch abgedreht, und auch bei "Tage des Zorns" arbeitete Mikkelsen in den Studios in Potsdam-Babelsbserg, wo die legendäre DDR-Straße aus "Sonnenallee" diesmal auf Kopenhagen umgebaut wurde.

"Es war schon seltsam, denn viele im Drehteam waren Deutsche. Es war schon komisch, einen Film über unseren Widerstand zu drehen, und dann reden alle Mitarbeiter laufend deutsch. Es war ein wenig provozierend. Wir hatten dann auch Dänen in Gestapo-Uniformen . Das lag daran, dass es in Babelsberg diese tolle Straße als Kulisse gibt. Dort konnten wir den Film drehen. Aber es war ja kein Film zum Thema Dänemark gegen Deutschland."

In Dänemark konnte die bisher teuerste, dänische Produktion aller Zeiten mit einem Budget von circa sechs Millionen Euro allein in den ersten drei Wochen über 500.000 Zuschauer in die Kinos locken. Mads Mikkelsen, der selber in einigen bedeutenden Dogma-Filmen mitwirkte, freut sich auch, dass "Tage des Zorns" nun ein Anti-Dogma Film mit großem Budget, teuren Kostümen und schicken Autos geworden ist.

Sicher sähe das alles manchmal aus wie in Chicago, meint der sympathische Däne lächelnd, aber genauso waren diese beiden Typen Flame und Citron, die als einzige in Kopenhagen mitten im Krieg mit einem Benzinauto durch die Straßen fuhren und gerne einen auf Gangster machten.