Urteil gegen Deutsches Theater Göttingen

Ein Schauspieler wehrt sich

04:20 Minuten
Das Bild zeigt das Deutsche Theater in Göttingen nachts mit beleuchteten Fenstern. Es ist ein altes Gebäude mit hohen Fenstern und Stuckverzierungen an der Fassade.
Ort des Streits: das Deutsche Theater in Göttingen. Nach 14 Jahren sollte Nikolaus Kühn nicht mehr weiterbeschäftigt werden. Er klagte dagegen. In vierter Instanz bekam er Recht. © picture alliance / dpa / Swen Pförtner
Von Henry Bernhard · 21.12.2022
Audio herunterladen
Theaterschauspieler leben in schwierigen Verhältnissen: Jedes Jahr droht ihnen die "Nichtverlängerung" in die nächste Spielzeit. Die Entscheidungshoheit hat die Intendanz. Ein Schauspieler aus Göttingen begehrte vor Gericht auf - und gewann.
"Viereinhalb Jahre Marathon zu Ende. Es ist unglaublich, es ist in diesem Fall geiler als eine Premiere! Ich meine, wir haben vier Generalproben gehabt mit vier gewonnenen Instanzen und jetzt number five – it’s number one! Und ich habe gewonnen. Ich habe einfach mal gewonnen. Ich gewinne total gerne. Entschuldigung!"

Es geschieht nicht allzu oft, dass im Bundesarbeitsgericht laut gejubelt wird. Der Schauspieler Nikolaus Kühn konnte nicht anders. Nach zwei Instanzen Bühnenschiedsgericht, nach Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht wurde ihm nun vom Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt bestätigt: Das Verfahren, mit dem sein Vertrag von seinem Arbeitgeber, dem Deutschen Theater Göttingen, nicht verlängert wurde, war unzureichend und damit unwirksam.

Besonderheit im Tarifvertrag

Kühn blickt zurück auf seinen Kampf vor Gericht: "So viel Leid und so viel Schmerz! Und es hat sich gelohnt. Also, es lohnt sich echt, für eine richtige Sache zu kämpfen. Und ich hoffe, dass das sozusagen Kreise zieht, dass wir uns wirklich in der Theaterlandschaft verbessern, im Umgang miteinander und dass auch Intendanten einfach mal sagen können: 'Scheiße! Ich habe einen Fehler gemacht!', und die Hand ausstrecken: 'Und wie gehen wir jetzt miteinander um?' Und nicht von Gericht zu Gericht rennen und sagen, 'Den machen wir so lange fertig, bis er nicht mehr kann!' Das ist keine Art so. Wir sind eine Kultureinrichtung! Und deswegen bin ich glücklich."

Abonnieren Sie unseren Weekender-Newsletter!

Die wichtigsten Kulturdebatten und Empfehlungen der Woche, jeden Freitag direkt in Ihr E-Mail-Postfach.

Vielen Dank für Ihre Anmeldung!

Wir haben Ihnen eine E-Mail mit einem Bestätigungslink zugeschickt.

Falls Sie keine Bestätigungs-Mail für Ihre Registrierung in Ihrem Posteingang sehen, prüfen Sie bitte Ihren Spam-Ordner.

Willkommen zurück!

Sie sind bereits zu diesem Newsletter angemeldet.

Bitte überprüfen Sie Ihre E-Mail Adresse.
Bitte akzeptieren Sie die Datenschutzerklärung.
Hintergrund ist eine Besonderheit im Tarifvertrag für Schauspieler, dem sogenannten Normalvertrag Bühne. Der Arbeitsvertrag verlängert sich jeweils um eine weitere Spielzeit, wenn das Theater nicht jeweils bis zum 31. Oktober eines Jahres eine Nichtverlängerungsmitteilung ausspricht.

"Nichtverlängerung" nach 14 Jahren am Theater

Nikolaus Kühn war bereits knapp 14 Jahre am Deutschen Theater in Göttingen engagiert, als sein Intendant ihm 2018 in einem Gespräch mitteilte, dass sein Engagement auslaufen werde. Allerdings benannte der Intendant keine Gründe. Die habe er ja schon zuvor in zwei Gesprächen dargelegt.
Daran scheiterte das Theater nun in letzter Instanz. Das BAG entschied, dass dem Schauspieler in der offiziellen Anhörung die konkreten Gründe auf seine Person bezogen mitzuteilen sind. Ein Verweis auf frühere Gespräche sei nichtig. Das erscheint auch Nikolaus Kühns Anwalt und Bruder Friedrich Kühn wichtig, über den Einzelfall hinaus.

Beschneidet das BAG Intendantenwillkür?

"Für die Arbeit am Theater bedeutet das Urteil, dass nunmehr ziemlich deutlich klargestellt ist, in welcher Form Nichtverlängerungsmitteilungen ergehen können und was da die Voraussetzungen sind", erläutert Friedrich Kühn. "
Besonders wichtig scheint mir die Aussage des Gerichtes, dass das Nichtverlängerungsverfahren mit der Einladung zu dem Verfahren erst beginnt, und alles, was davor stattfindet, keine Rolle spielt in dem Nichtverlängerungsgespräch."

Als Schauspieler kaltgestellt

Nikolaus Kühn war in den vergangenen vier Jahren zeitweise arbeitslos, nach juristischen Zwischenerfolgen aber wieder am Theater. Ohne richtige Rollen.

"Für mich ist es Machtmissbrauch, was im letzten Jahr da stattgefunden hat. Und das ist das eigentlich Schlimme: Dass man nicht mehr auf Augenhöhe miteinander diskutiert, sondern nur noch als kleiner Wurm da herumrennt."
Er habe quasi seit zwei Jahren eine Art Berufsverbot, weil der Intendant ihn nicht besetze. "Ich musste mich aber bereithalten ,natürlich. Ich spiele da jetzt den kleinen Rumpelwicht in „Ronja Räubertochter“ und darf dreimal die Woche zu Lesungen in Altenheime gehen, weil ich aufmüpfig war, weil ich mich gegen ein Urteil meines Entsandten gewehrt habe. Ein Nestbeschmutzer, der klagt …"

Bessere Arbeitsbedingungen für alle

Nikolaus Kühn geht es mit seiner erfolgreichen Klage aber nicht nur um seinen, nun sichereren Arbeitsplatz.

"Ich will bessere Arbeitsmöglichkeiten für uns haben. Wo wir angstfrei, nicht kritikfrei, arbeiten, damit wir auf der Bühne das machen können, wofür wir aber eigentlich mal angetreten sind, Utopien auf die Bühne zu bringen."

Kein Kommentar vom Theater

Und er fügt hinzu: "Wie sollen wir 'Kleiner Mann, was nun?' machen, wenn das bei uns sozusagen genau das Problem im Haus ist? Also, wir können keine anderen Utopien anbieten, wenn unsere Situation am Haus genauso unerquicklich ist wie woanders."

Das Theater Göttingen wollte heute kein Statement zu dem Urteil abgeben.
Mehr zum Thema