Schallplatten als Kunstobjekt

Die Lust am Spiel mit dem Material

Christian Marclays Installation im Jahr 1988
Christian Marclays Installation im Jahr 1988: Schallplatten auf dem Fußboden waren damals für viele Besucher ein Tabu. © Gelbe Musik/ Primary Information
Ursula Block im Gespräch mit Max Oppel  · 30.11.2018
Zerkratzte und noch spielbare Schallplatten präsentierte die Westberliner Ausstellung "Broken Music" 1988 mit Künstlern wie John Cage. Das Faszinosum der Schallplatte habe nie aufgehört, sagt die damalige Kuratorin Ursula Block 30 Jahre später.
"Broken Music" hieß eine legendäre Ausstellung, die 1988 in der Berliner daad-Galerie zu sehen war. Kuratiert hatten sie Ursula Block, Betreiberin des (Kunst-)Plattenladens "Gelbe Musik" und Michael Glasmeier, Kunst-Schreiber und Ausstellungsmacher. Zum 30. Jubiläum ist nun der vergriffene und heiß begehrte Ausstellungskatalog neu veröffentlicht worden.

Zerstören, Collagieren, Benutzen

"Broken Music" bezieht sich auf die gleichnamige Serie des Künstlers Milan Knížák, in der er mit zerbrochenen, vorsätzlich zerkratzten, verklebten und geschmückten Schallplatten arbeitete. Das war für die Ausstellung programmatisch, denn es ging dort um die Schallplatte nicht als Musiküberträger, sondern einerseits als ein Objekt mit plastischen Eigenschaften und Möglichkeiten der Verfremdung. Andererseits ging es auch um die Schallplatte als Träger von Klang und Geräusch. Große Namen finden sich im Katalog wie Marcel Duchamp, Luigi Russolo, Nam June Paik, Joseph Beuys, Laszlo Moholy-Nagy, John Cage und Christian Marclay.
Ausgangspunkt für die damalige Schau sei die Bildende Kunst gewesen, erklärt die damalige Kuratorin Ursula Block im Deutschlandfunk Kultur:
"Bildende Künstler gehen anders mit Tonmaterial um. Sie sehen das eher als plastisches Material – eben wie Knížák. Sie zerstören, collagieren, benutzen völlig andere Kriterien. Es ist eigentlich die Lust und das Spiel mit dem Material."
Christian Marclay, der in der "Gelben Musik" einen Boden mit gefundenen Schallplatten ausgelegt habe, sei ganz unorthodox mit den Schallplatten umgegangen, sagt Block: "Das war natürlich für den Klassik-Schallplattenhörer und viele Besucher ein Tabu."

Komposition für 42 Schallplatten

John Cage war mit einer Installation von Plattenspielern und Platten vertreten, die auch von den Besuchern benutzt werden sollten, um Kompositionen damit zu erzeugen. In der Ausstellung wurde zum Beispiel sein Stück für 42 Schallplatten "Imaginary Landscape NO.5, For any 42 recordings" präsentiert, mit denen verschiedene Musiker spielen. Der US-amerikanische Komponist sei eigentlich ein Feind der Schallplatte gewesen, sagt Block:
"Er sagte, wenn überhaupt Schallplatte, dann muss man sie kreativ benutzen, das heißt, etwas Neues damit machen. Das Publikum bekommt 100 anonyme Schallplatten geboten und sie können damit spielen und ein kleines Konzert arrangieren. Sie wissen nicht, was sie auflegen. Das sind alles gefundene Platten. Jede Platte hat das gleiche Label."
Die Bedeutung der Schallplatte hat sich inzwischen radikal geändert. Sie ist nicht mehr ein unentbehrliche Tonträger wie zu Zeiten von Cage und Duchamp, sondern etwas für DJs und Puristen. Das Faszinosum der Schallplatte habe nie aufgehört, betont Ursula Block:
"Die CD ist ein ganz praktisches, bequemes Medium. Man kann es leicht mitnehmen. Die Schallplatte war immer gefragter als künstlerisches Medium. Und wenn Sie jetzt durch die Läden in der Stadt gehen: Es gibt ein paar wenige, die auch noch das große CD-Angebot haben, aber wenn Sie all die kleinen Läden ansehen, da stehen wieder fast nur noch Schallplatten."
(cosa)
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