Satire im afghanischen Fernsehen

Wenn die Warlords Schnapsflaschen laden

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Die Comedian Ibrahim Abed, Gholam Nabi Roashan und Ahmad Siar Matin inszenieren sich überzogen auf einer Wiese.
Überdreht und in der Tradtion von Monty Python: Drei afghanische Comedians aus der Satireshow "Shabak-e Khanda" © AFP / Wakil Kohsar
Von Bernd Musch-Borowska · 30.04.2019
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Egal ob Warlords oder Politiker - vor den respektlosen Comedians der afghanischen Satireshow "Shabak-e Khanda" ist niemand sicher. Denn: Themen gibt es genug. Dafür haben die Macher der überdrehten Show des Senders Tolo News schon Drohungen kassiert.
"Shabak-e Khanda", die Satireshow im afghanischen Fernsehen, ist berüchtigt. Gnadenlos wird jedes schmerzhafte Thema aus Gesellschaft und Politik aufs Korn genommen.
Der Opener der Sendung, die im Fernsehsender Tolo News ausgestrahlt wird und später auf YouTube im Internet zu sehen ist, erinnert mit verschiedenen Zeichentrick-Elementen an die Tradition der Monty Pythons. Die Comediens von Shabak-e Khanda überspitzen den Irrsinn im Alltag der Afghanen bis zur Schmerzgrenze.
Die Sketche werden von den Schauspielern oft aus dem Stegreif ohne große Proben abgedreht. Nabi Roshan, Seer Matin und Quasim Taban sind ein eingespieltes Team. In einer Szene spielt Seer Matin eine Frau, die mit Wurmbefall im Gedärm zum Arzt kommt, und der Doktor greift aus lauter Hilflosigkeit zur Flöte, um wie ein indischer Schlangenbeschwörer die Würmer loszuwerden.
So etwas komme in Afghanistan gut an, sagt Matin. Er spiele die Frauenrollen, denn eine wirkliche Frau im Team zu haben, wäre zwar schön, aber eine Herausforderung: "Wir spielen ja manchmal auch etwas schlüpfrige Szenen, wo ein Mann eine Frau küsst, beispielsweise. Wenn dann einer von uns eine echte Frau im Fernsehen küssen würde, da wär' aber was los."

"Seer Matin ist als Frauendarsteller ein Hit"

Männer in Frauenkleidung seien ohnehin lustiger, meint Hafizullah Mohammadi, der Produzent der Show: "Wenn ein Mann in Frauenkleidung aufritt, dann ist das extrem lustig, auf jeden Fall in diesem Teil Asiens, hier in Afghanistan, aber auch in Indien und anderen Ländern. Es gibt sehr berühmte Schauspieler, die Frauenrollen spielen. Seer Matin ist mit seinen Frauen-Darstellungen ein Hit in Afghanistan."
An Themen mangelt es nicht, die von "Shabak-e Khanda" aufgegriffen werden. Auch die Friedensbemühungen mit den Taliban werden regelmäßig der Lächerlichkeit preisgegeben: "Ja, weil das überhaupt nicht voran geht. Seit zehn Jahren gibt es diese Friedensgespräche und keine Ergebnisse. Deshalb beschweren sich die Leute, da wird Zeit und Geld verschwendet, und das macht die Leute wütend. Und wir machen uns darüber lustig."

Politiker und Warlords werden durch den Kakao gezogen

In einer Szene spielen die Schauspieler eine der vielen Talkshows im afghanischen Fernsehen. Studiogast ist ein ranghoher Politiker, Mohammed Umer Daudzai, gespielt von Qasim Taban. Der Moderator fragt ihn, warum er denn Miglied im Hohen Friedensrat sei, obwohl er noch drei andere hohe politische Ämter bekleide. Ein Thema, das ein paar Tage vorher in der Nachrichtensendung Tolo News im Mittelpunkt stand.
Nabi Roshan sagt: "Wir fanden das lächerlich, dass dieser Mann auch noch Mitglied im Hohen Friedensrat wurde, obwohl er doch mit seinen anderen politischen Ämtern alle Hände voll zu tun haben sollte. Am Ende der Szene fragten wir ihn noch, ob er nicht noch als Moderator bei uns einsteigen wolle. Er sagte, er überlege es sich."
Für so manchen Politiker in Afghanistan sind die Witze bei "Shabak-e Khanda" ein schwerer Schlag. Einmal porträtierte die Show einen Warlord, der für seinen Alkoholkonsum berüchtigt war, mit einem Patronengürtel, in dem statt Patronen kleine Schnapsflaschen steckten.

Der Sender fühlt sich frei

Es habe auch schon Drohungen gegeben, aber insgesamt gebe es viel Freiheit für Satire, wie für die Presse insgesamt, sagt Lotfullah Najafizada, der Chefredakteur von Tolo News: "Wir sind ein unabhängiger Fernsehkanal. In Afghanistan haben wir eine freie Presse, im Vergleich zu all unseren Nachbarn, Pakistan im Osten, der Iran im Westen und Tadschikistan und Usbekistan im Norden. Wir sind ein positives Beispiel für Pressefreiheit."
Ihre Ideen holen sich die Comediens von "Shabak-e Khanda" aus den Nachrichten und den vielen Anrufen und Zuschriften von Zuschauern. "Wenn die Leute ein Problem haben, wenden sie sich nicht an ihren Abgeordneten, sondern sie kommen zu uns", sagt Produzent Hafizullah Mohammadi. Und meistens könnten sie auch etwas bewirken:
"Wir greifen die Probleme der Gesellschaft auf. Wir werten die Beschwerden der Leute aus und machen daraus Comedy. Wir stehen zwischen dem Volk und der Regierung. Es gibt rote Linien für uns, Angriffe gegen andere ethnische oder religiöse Gruppen, gegen Nationalitäten oder Sprachen. Aber wir bilden ab, was schief läuft in unserer Gesellschaft."
Es sei mehr ein Zufall, aber doch hilfreich, sagt Mohammadi, dass alle Schauspieler seiner Show Vertreter der unterschiedlichen Volksgruppen Afghanistans seien. Auf diese Weise könne man auch die verschiedenen Traditionen aufs Korn nehmen, ohne neue Konflikte auszulösen.

Hören Sie zum Thema Afghanistan auch den Beitrag "Wo die Gotteskrieger regieren" von Emran Feroz in "Weltzeit":
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