Sanktionen gegen Russland

Deutschland als Paradies für Oligarchen

09:08 Minuten
Eine weiße Yacht fährt durch den Hamburger Hafen neben Kränen.
Soll dem russischen Oligarchen Alischer Usmanow gehören: die Yacht "Dilbar" im Hamburger Hafen. © IMAGO/Felix Jason
Sebastian Fiedler im Gespräch mit Dieter Kassel · 23.03.2022
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Wegen des Ukraine-Kriegs hat der Westen Sanktionen gegen russische Oligarchen verhängt. Wen es in Deutschland trifft, ist noch unklar. Die Ermittlungen kämen spät und Gesetze hätten massive Lücken, kritisiert der SPD-Politiker Sebastian Fiedler.
Yachten, Villen, Konten: Putin-nahe russische Staatsbürger verfügen über Vermögenswerte, die nun eingefroren werden sollen. Damit reagieren westliche Staaten auf den Ukraine-Krieg. Auch Deutschland will gegen die Oligarchen vorgehen.
Doch anders als in Italien beispielsweise können ihre Yachten hier nicht einfach beschlagnahmt werden. Man weiß derzeit nicht einmal genau, wen die Sanktionen treffen dürften: Die Ermittlungen hätten gerade erst begonnen, kritisiert der SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Fiedler.

Task Force unter Leitung des Kanzleramts

"Wir stellen in der jetzigen Situation fest, was wir alles nicht geregelt haben und wo die Gesetze massive Lücken haben", sagt er. "Das hätte uns eigentlich schon zwei Jahrzehnte früher auffallen können." Jetzt sei eine Task Force unter Leitung des Bundeskanzleramts eingesetzt worden.
Dabei seien die Sanktionsregime kein neues "Phänomen". So gehe das aktuelle auf eine Verordnung von 2014 zurück. Für die Versäumnisse sieht Fiedler alle Parteien in der Pflicht, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten Verantwortung getragen hätten.

Kein Oligarch taucht mit Klarnamen auf

Deutschland als langjähriges Paradies für Oligarchen? Nicht nur das, sagt der frühere Chef des Bundes Deutscher Kriminalbeamter. Er habe in der Vergangenheit auch schon vom "Geldwäscheparadies" gesprochen. Die Mechanismen seien dieselben: Die Oligarchen stünden nirgendwo mit ihrem Klarnamen im Grundbuch und auch ihre Yachten seien nicht auf ihren Namen eingetragen.
Stattdessen gebe es "irgendwelche windigen Gesellschaftskonstruktionen", beispielsweise mit Sitz auf den britischen Jungferninseln. Dies sei schon aus den Panama- und Pandorapapers bekannt. "Das wirft das Licht auf diese Schattenfinanzplätze."

Da muss ich sagen, da gerät mein Blut in der Tat inzwischen jetzt in Wallung, weil ich den Eindruck habe, dass wir die ganze Zeit so tun, als wenn das eine Selbstverständlichkeit wäre, dass wir mit unserer deutschen Rechtsordnung solche Konstruktionen zulassen. Darüber wünsche ich mir mal eine Debatte."

SPD-Politiker Sebastian Fiedler

Befugnisse der Ermittlungsbehörden ändern

Aufgrund der Zusammenhänge und Machtverhältnisse von Oligarchen und dem System Putin klebe an solchen Konstruktionen "Blut", betont Fiedler. Geschäfte mit derartigen Gesellschaften müssten daher in Deutschland verboten werden. Dann dürfte kein Notar mehr eine Eintragung machen, und es dürften keine Finanztransaktionen mehr stattfinden.
Der Experte für Finanzkriminalität sieht auch Handlungsbedarf bei Gesetzen, um gegebenenfalls Aufgaben und Befugnisse für Ermittlungsbehörden zu ändern. Darüber werde "hinter den Kulissen" des Bundestags gesprochen. Insgesamt geht es nach Auffassung des SPD-Politikers darum, nicht nur an "kleinen Stellschräubchen" zu drehen. "Im Ergebnis spielt es eine relevante Rolle für die Frage von Krieg und Frieden."
(bth)

In unserer Sendung Weltzeit ab 18:30 Uhr geht Christine Heuer der Frage nach: "England und die Oligarchen – Londongrad bald Geschichte?"

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