Kampf gegen Geldwäsche

Eine Task Force gegen schmutzige Geschäfte

15:46 Minuten
Ein Mann hängt Dollarscheine auf eine Wäscheleine.
Für viele Geldwäscher galt Deutschland bislang als Paradies - speziell Berlin. Damit will die Hauptstadt jetzt durch gezielte Präventionsarbeit aufräumen. © Imago / Ikon Images / Gary Waters
Von Jens Rosbach · 02.03.2022
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Die Sanktionen gegen Wladimir Putin treffen auch die Kreml-Oligarchen, denn für sie war Deutschland bislang ein Geldwäscheparadies. Das galt besonders für Berlin. Doch mittlerweile ist die Bundeshauptstadt eine Vorreiterin im Kampf gegen derlei Geschäfte.
Berlin ist mit rund vier Millionen Einwohnern sehr attraktiv für Geldwäsche, allein wegen des nach wie vor boomenden Immobilienmarktes.
Das Problem der Geldwäsche sei „wie ein Krebs in der Gesellschaft. Wenn der sich einmal weit genug vorgefressen hat, wenn dieses schmutzige Geld aus kriminellen Geschäften einmal weit genug in der Gesellschaft angekommen ist, wird man ihn nur sehr schwer wieder los“, sagt etwa Christoph Trautvetter, wissenschaftlicher Referent beim Netzwerk Steuergerechtigkeit.

Vieles wurde in Berlin kaputtgespart

Benjamin Jendro, in Berlin Pressesprecher der Gewerkschaft der Polizei, dagegen findet, es habe sich in den zurückliegenden Jahren durchaus schon etwas getan bei der Bekämpfung schmutziger Geschäfte. Er räumt jedoch ein: „Wir wissen alle, dass der öffentliche Dienst, die Sicherheitsapparaturen, über Jahre in der Hauptstadt kaputtgespart wurden. Und diesen Personalkörper, den wir jetzt haben, der reicht eben nicht, um wirklich tief in die Materie zu gehen.“ 
Rückblick, Juli 2018. In einer Großaktion gehen Berliner Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt gegen eine berüchtigte arabische Großfamilie vor. Sie durchsuchen an 13 Orten Wohnungen und Firmenräume von Verdächtigen, zudem ein Notariat. Die Strafverfolger haben es auf das Vermögen des Clans abgesehen: Dutzende Immobilien, über die vermutlich Geld gewaschen wurde.

Wo kommt das Geld her?

„Einzelne Mitglieder dieser Familie werden eben dem Bereich der Organisierten Kriminalität zugerechnet. Und aus diesem Familienkreis heraus wurden sehr hochwertige Immobilien, insgesamt 77 Stück, in Berlin erworben – zumindest ist es der Verdacht, der im Raum steht. Und da muss man sich schon mal die Frage stellen, wo das Geld herkommt, um diese Immobilien zu erwerben, zumal die meisten offiziell Sozialleistungen beziehen", sagt Susann Wettley von der Berliner Senatsjustizverwaltung.
Durchsuchungen in einer Wohnung des Remmo-Clan in Neukölln. Polizeimitarbeitende tragen Beweismittel in braunen Tüten über die Strasse.
Immer wieder werden Wohnungen des Remmo-Clan durchsucht. Hier 2020 in Neukölln© imago / Olaf Wagner
Sie berichtet, dass dem Clan bislang keine Geldwäsche nachgewiesen werden konnte. Dennoch rücke der Staat die Immobilien nicht wieder heraus, weil die rund zehn Millionen Euro schweren Häuser, Wohnungen und Wochenendgrundstücke einfach nicht legal finanziert worden sein können.
„Das Besondere dieser Verfahren ist, dass die Immobilen beschlagnahmt wurden. Und das ist etwas, was man erstmals tatsächlich, gerade auch in so einer Größenordnung, überhaupt in Deutschland gemacht hat.“ Die Berliner „Vermögensabschöpfung“ - die bislang prominenteste Anti-Geldwäsche-Aktion an der Spree.

Er meldet sich nur mit: "Lehnert, Geldwäsche"

Ein schlichtes Büro mit hellbraunen Schiebeschränken, mit Wandkalendern, Aktenordnern und Papierlochern. Am Telefon: Jörg Lehnert , ein schlanker 57-Jähriger mit Brille, schwarzen Haaren und grauem Pullover. Der Beamte leitet eines der bundesweit größten Geldwäschepräventionsteams im Nicht-Finanzsektor, also im Nicht-Bankensektor.
Da seine Dienststelle bei der Berliner Senatswirtschaftsverwaltung etwas sperrig klingt, kürzt Lehnert sie gern – augenzwinkernd – ab: „Lehnert, Geldwäsche.“
Der Beamte und bis zu elf Kollegen nehmen unter anderem Immobilienmakler, Juweliere und Autohändler unter die Lupe, also Unternehmer, die mit viel Bargeld hantieren oder große Geschäfte vermitteln und deshalb gern für Geldwäsche benutzt werden.
Diese Gewerbetreibenden sind laut Geldwäschegesetz sogenannte „Verpflichtete“, die von ihren Kunden Ausweispapiere verlangen, Verkäufe dokumentieren und den Behörden Verdachtsfälle melden müssen. Doch bis zu 70 Prozent der Händler und Makler halten sich nicht an alle Regeln oder kennen sie einfach nicht, berichtet Lehnert.

Juweliere werden besonders aggressiv

Deshalb macht sein Berliner Team bis zu 250 Kontrollen im Jahr, schriftlich, oder auch unangekündigt vor Ort. Die meisten Unternehmer kooperierten dabei, einige aber auch nicht.

Zum Beispiel Juweliere: Die würden manchmal besonders heftig und aggressiv reagieren, wenn sie befragt werden. Nicht aggressiv genug, um es als Nötigung oder Bedrohung gegen sie zu verwenden. Aber das Signal, „dass sie nicht gewillt sind, wirklich mitzuarbeiten“, sei deutlich. 
Manchmal nimmt Jörg Lehnert an speziellen „Verbundeinsätzen“ teil, zusammen mit Polizei, Finanzamt oder Ordnungsamt. Dafür hat der Berliner Beamte eine schusssichere Weste im Schrank hängen sowie eine blaue Signalweste mit der Aufschrift „Geldwäscheaufsicht“.

Aufwendige Aktionen

Die konzertierten Aktionen, bei denen oft Buchhaltungsunterlagen mitgenommen werden, sind aufwendig. Deshalb kann Lehnerts Anti-Geldwäscheteam nur bei drei bis vier solcher Einsätze pro Jahr mitmachen.
Lehnert rechnet vor: „Die Prüfung vor Ort dauert maximal eine Stunde, die Vor- und Nachbereitung dauert dann bis zu drei Monate. Das heißt, das Verhältnis zwischen einem Einsatz, ob mit oder ohne Polizei, und der Vor- und Nachbereitung ist eigentlich ein Promille zum Rest. Und das ist etwas, was viele in der Politik selten sehen.“ 
Lehnerts Einheit hat bereits einem Immobilienmakler, der sich nur für das Geld, aber nicht für die Personalausweise seiner Kunden interessierte, eine 9000-Euro-Strafe eingebracht. Und einem Motorradhändler eine 50.000-Euro-Strafe. Die Geldwäscheaufsicht habe sich mittlerweile einen Namen gemacht in der Berliner Wirtschaft, bilanziert der Beamte.

Das ist ein sehr offensiver Ansatz, der nicht überall auf großes Interesse stößt. Und wir haben teilweise Bundesländer, in denen die Aufgabe der Geldwäscheprävention beziehungsweise -aufsicht Sache des Landkreises ist. Und wenn dann ein oder zwei Kollegen dort sitzen, die – ich überspitze jetzt – morgens sich um Hundekotbeseitigung kümmern müssen, mittags um Flüchtlingsbetreuung und nachmittags um Geldwäsche, dann haben die natürlich ganz andere Möglichkeiten und sind viel begrenzter in der Art und Weise, wie sie arbeiten können.

Jörg Lehnert, Geldwäscheaufsicht, Senatswirtschaftsverwaltung

Geldwäscheaufsicht und -bekämpfung sind Sache der einzelnen Bundesländer. Doch da die Länder lange Zeit nichts taten, leitete die Europäische Kommission seit 2005 mehrere Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland ein, das jüngste Verfahren im vergangenen Jahr.

Vom Schlendrian zum Vorreiter

Auch die Metropole Berlin interessierte sich offenbar nicht dafür, ob hier Gewinne aus dem internationalen Drogen-, Waffen- oder Menschenhandel gewaschen wurden. „Geld stinkt nicht“ habe das Motto gelautet, erklärt Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit, der sich auch um Geldwäscheprävention kümmert. 

Wenn man 20 Jahre zurückgeht, dann war der Berliner Immobilienmarkt ein Problemmarkt. Dann standen viele Wohnungen leer, Häuser wurden nicht renoviert, die Stadt hat nach Investoren gesucht, und da hat man eben in Berlin spezifisch dieses Problem gesehen: Wir nehmen das Geld und fragen nicht so genau, wo es herkommt. Und es ist auf jeden Fall nicht unsere Aufgabe, da hinterher zu spionieren, und das Problem anderer Länder hier zu lösen.“

Christoph Trautvetter, Netzwerk Steuergerechtigkeit

Heute gehört das Land Berlin bundesweit zu den Vorreitern bei der Geldwäscheprävention. Experten sehen folgende Gründe für den Richtungswechsel: Zum einen wurde Deutschland in Berichten der zuständigen EU-Arbeitsgruppe Financial Action Task Force, FATF, immer wieder international kritisiert.

Datenleaks befeuerten die Geldwäschedebatte

Zum anderen befeuerten Datenleaks über illegale Offshore-Firmen die Geldwäschedebatte. Außerdem nahmen Nordrhein-Westfalen und Berlin verstärkt den Kampf gegen Clankriminalität auf. So wurde ab 2016/17, nach dem Wechsel von der rot-schwarzen zur rot-rot-grünen Berliner Koalition, die Geldwäscheaufsicht ausgebaut, im Hause der damaligen grünen Wirtschaftssenatorin Ramona Pop.
Auch ihr Parteikollege, der damalige Berliner Justizsenator Dirk Behrendt, schuf ein eigenes Anti-Geldwäscheteam.
Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung Lena Kreck im Berliner Abgeordnetenhaus.
Lena Kreck, die Senatorin für Justiz, Vielfalt und Antidiskriminierung.© imago / Bernd Elmenthaler
Der jetzige rot-grün-rote Senat setze diesen Kurs fort, betont Lena Kreck von den Linken, die im Dezember 2021 Berliner Justizsenatorin wurde: „Diese Idee wird jetzt auch weitergetragen im neuen Koalitionsvertrag, wir wollen daran anschließen und weitergehend uns intensiv mit der Geldwäsche befassen.“

Task Force Geldwäsche kontrolliert Notare 

Zu Krecks Justizverwaltung gehört die zweite Berliner Präventionstruppe: die sogenannte Task Force Geldwäsche. Dabei handelt es sich um eine vierköpfige Einheit beim Berliner Landgericht, die weitere Präventions-„Verpflichtete“ kontrolliert: die Notare, denn Notare beurkunden oft millionenschwere Immobiliengeschäfte und müssen deshalb ebenfalls Ausweispapiere verlangen und Vertragsabschlüsse dokumentieren.
Für diese Quasi-Amtspersonen gilt eine besondere Verschwiegenheitspflicht, so dass sie nur in Ausnahmefällen von sich aus Geldwäsche anzeigen dürfen. Behörden hatten da bislang – bei Notarkontrollen – mehr Spielraum.

Hohe Erfolgsquote

Susann Wettley von der Berliner Senatsjustizverwaltung hat die Task Force Anfang 2020 mit ins Leben gerufen. Mit Erfolg: Die Arbeitsgruppe entdeckte bei den rund 650 Berliner Notaren innerhalb von gut einem Jahr 86 Geldwäscheverdachtsfälle.
Sie nennt ein Beispiel, das Ermittelnde hellhörig werden lässt: Käufer und Verkäufer sind beide wohnhaft in Berlin, doch der Kaufpreis wird aus dem Libanon überwiesen. Der Zusammenhang zum Käufer bleibt aber unklar. Dann, sagt Wettly, „wollen wir uns das zumindest genauer anschauen.“ 
Ähnlich wie die Präventionseinheit der Wirtschaftsverwaltung stößt auch die Berliner Justiz-Task-Force bei ihren Kontrollen auf Vorbehalte. Die Notare seien durchaus für Recht und Ordnung, hätten aber mitunter Angst, dass eine Überprüfung an die Öffentlichkeit gelangen und durch Negativschlagzeilen ihrem Ruf schaden könnte, weiß die Staatsanwältin.

"Politisch exponierte Personen" unter der Lupe

Die Task Force Geldwäsche nimmt auch Geschäfte von sogenannten politisch exponierten Personen unter die Lupe: von Politikern, besonders von ausländischen Autokraten, die man kenne aus verschiedenen Sanktionen, zum Beispiel gegen Russland oder auch Belarus.

Die Taskforce gilt als ein sehr erfolgreiches Unterfangen. Als umso misslicher empfindet es zum Beispiel auch Justizsenatorin Kreck, „dass der Bundesgesetzgeber die Arbeit deutlich erschwert hat“. 
 
Die Senatorin arbeitet in einem halbrunden Sandsteinbau, mit Marmorfoyer, schweren Glaslampen und eisernen Treppengeländern. In ihrem großen, hellen Büro klagt die Politikerin über eine Gesetzesänderung: Seit August letztes Jahr dürfen staatliche Kontrolleure nur noch in Ausnahmefällen einen Geldwäscheverdacht aus Notarbüros weitergeben.

Die Justizsenatorin ist erbost

Dem damaligen Bundestag war die Vertraulichkeit notarieller Geschäfte wichtiger als eine Strafverfolgung. Seitdem sind der einzigartigen Task Force die Hände gebunden. Das Land Berlin hat zwar zwei Bundesratsinitiativen gestartet, um die Restriktionen zurückzunehmen, kam damit aber nicht durch. Die Justizsenatorin Kreck ist erbost.

Anstatt die Kompetenzen einer solchen Taskforce zu beschränken, sind die anderen Bundesländer gut dabei beraten, auch entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Das Ziel sollte sein, dass die organisierte Kriminalität ihr Geld nicht über Immobiliengeschäfte waschen kann.

Lena Kreck, Berliner Justizsenatorin

Eine konsequente Task Force der Berliner Justiz, die die Notare kontrolliert sowie eine schlagkräftige Geldwäscheaufsicht der Wirtschaftsverwaltung, die Makler, Juweliere und Autohändler durchleuchtet – damit macht die Hauptstadt von sich reden, auch in internationalen Fachkreisen.
Christoph Trautvetter vom Verein Netzwerk Steuergerechtigkeit hinterfragt jedoch die Berliner Präventions-Systeme.

Diese Systeme der Geldwäscheprävention sind oft vor allen Dingen Bürokratiemonster und lassen sich mit der entsprechenden kriminellen Energie leicht umgehen. Deshalb wäre es wichtig, zu diesen eher bürokratischen Hindernissen der Geldwäscheaufsicht mindestens genauso starke Kontrollen durch die Strafverfolgungsbehörden, durch die Polizei, durch die Staatsanwaltschaft, einzurichten, die dann auch in der Lage sind, komplexere Fälle auch aufzudecken und zu sanktionieren.

Christoph Trauvetter, Netzwerk Steuergerechtigkeit

Gibt es in der Hauptstadt nicht genug Fahnder, um einen Geldwäscheverdacht aufzuklären? Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei, GdP, arbeiten beim Landeskriminalamt mit seinen 3500 Vollzeitstellen rund 20 Geldwäscheermittler.

Andere Bereiche liegen jetzt brach

Benjamin Jendro, Pressesprecher der Berliner GdP, verweist darauf, dass auch Beamte aus anderen Dezernaten Geldwäschefälle aufklären, doch habe Berlin jahrelang viel kaputtgespart. Bis heute sei die Hauptstadt knapp bei Kasse.

Klar ist auch, wenn Sie natürlich einen Bereich zubuttern mit ganz viel Personal, dass man auch immer mit den Ressourcen schauen muss. Dafür bleibt dann halt was Anderes liegen. Wir haben in Berlin verstärkt in den Bereich organisierte Kriminalität, verstärkt in den Bereich "Terror" Kollegen reingepackt.  Und dafür liegen andere Bereiche völlig brach. Zum Beispiel der Fahrraddiebstahl, zum Beispiel der Ladendiebstahl, das ist komplett runtergefahren. Und deswegen redet man immer über eine Priorisierung – und deswegen werde ich Ihnen jetzt auch keine Wunschzahl nennen können.

Benjamin Jendro, Gewerkschaft der Polizei

Polizisten, Staatsanwälte und Aufsichtsbeamte räumen zudem ein: Bei Geldwäsche geht es oft um komplizierte, weltweite Finanzströme mit Strohmännern und Briefkastenfirmen. Die Ermittlungen sind aufwendig, und internationale Rechtshilfeersuchen scheitern häufig an der fehlenden Kooperation autoritärer Staaten.
Jörg Lehnert von der Geldwäscheaufsicht der Berliner Senatswirtschaftsverwaltung resümiert: Letztlich gehe es um Abschreckung und um eine Sensibilisierung für eine Schattenkriminalität, die die Gesellschaft zersetze.
Für Präventionsarbeit, sagt Lehnert,  brauche man „einen sehr langen Atem“. 
 

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