Sammlung Berggruen

135 Bilder geprüft − kein Raubkunstverdacht

Die Rückseite von Paul Klee’s "Lebkuchenbild" mit Provenienzhinweisen. Foto: Andres Kilger
Auch die Herkunft von Paul Klees "Lebkuchenbild" ist in der Berliner Sammlung Berggruen exemplarisch dokumentiert. © Andres Kilger
Carsten Probst im Gespräch mit Britta Bürger  · 20.11.2018
Kein einziges Kunstwerk der Berliner Sammlung Berggruen muss restituiert werden. Das ist das Ergebnis einer fast drei Jahre währenden Untersuchung von Provenienzforschern. Allerdings wurde nicht die gesamte Sammlung geprüft.
Nur die 135 Werke wurden untersucht, die sich im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz befinden und nicht die gesamte Sammlung, die der 2007 verstorbene Heinz Berggruen vor seinem Tod zum Teil verkauft und zum Teil seinen Erben vermacht hat. Ob also Heinz Berggruen nicht am Ende doch zeitweilig im Besitz von NS-Raubkunst gewesen sei, konnte mit dem heutigen Ergebnis nicht abschließend geklärt werden, sagte der Journalist Carsten Probst im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur.

Keine Altlasten im Museumsbestand

Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz hatte sich zwischenzeitlich von Kritikern vorwerfen lassen müssen, dass sie die Sammlung nicht gleich beim Kauf geprüft und sich von Berggruen zu einer schnellen Entscheidung hatte drängen lassen. Doch nunmehr lässt sich sagen: Es gibt wohl keine Altlasten im Bestand. Bei 83 Werken konnte ein NS-verfolgungsbedingter Entzug ausgeschlossen oder als "höchst unwahrscheinlich" angenommen werden. Das sind immerhin 45 Werke mehr im Vergleich zu 2015, über die jetzt weitgehend Gewissheit herrscht. Vier weitere Werke, alle von Picasso, waren zwar nachweislich NS-Raubkunst, wurden jedoch schon nach dem Krieg an die rechtmäßigen Erben zurückgegeben. Berggruen hat sie erst später gekauft.

Schwierige Zuordnung

Bei 48 Werken, knapp einem Drittel, gibt es Lücken in der Provenienz: Nicht alle Vorbesitzer konnten eindeutig nachgewiesen werden. Das erklären die Forscher aber damit, dass es sich größtenteils um Druckgrafik handelt oder auch um Zeichnungen, bei denen es oftmals mehrere Fassungen mit dem selben Motiv gibt und bei denen nur durch historische Abbildungen oder Kaufbelege nicht klar ist, ob wirklich diese spezielle Fassung in der Sammlung gemeint ist.
Die Erforschung war das so oft bekannte Puzzlespiel mit vielen offenen Enden. Die Forscher berichten, dass es von Heinz Berggruen selbst keine persönlichen Erwerbungsunterlagen gab, keine Aufzeichnungen darüber, wann er was von wem unter welchen Umständen gekauft hat. Teilweise gab es noch Kopien von Rechnungen, die man von der Familie erhielt. Man verfolgt dann also über die Archive, Auktionskataloge, Museumskataloge (in diesem Fall in den USA und Europa) für jedes einzelne Werk die Entwicklung.

Provenienzforschung erlebbar gemacht

Die dazugehörige Ausstellung im Museum Berggruen demonstriert das anschaulich an einigen Beispielen, etwa Picassos Gemälde "Gitarre und Zeitung" von 1916. Auf dem daneben angebrachten Täfelchen wird die Provenienz, soweit bekannt aufgelistet: Zuerst war das Bild in der Sammlung von Miriam Hopkins in Los Angeles – wie es dorthin gekommen ist, ist nicht klar, aber Picasso-Werke wurden seit etwa 1910 in den USA auf dem Markt angeboten. Hier muss insofern nicht zwingend ein NS-Raubkunstverdacht begründet sein. 1971 wurde das Bild schließlich nach mehreren Stationen von Heinz Berggruen gekauft. Man kann aber auch die Rückseite des Bildes in dieser Ausstellung in Augenschein nehmen, dort gibt es verschiedene Aufkleber und handschriftliche Notizen zu sehen: zum Beispiel Picassos Adresse im Jahr 1916 in Paris, oder ein Etikett, das darauf hinweist, dass das Bild schon 1939 in einer New Yorker Galerie war und dort eventuell verkauft wurde.
Paul Klee "Lebkuchenbild", 1925
Paul Klee "Lebkuchenbild", 1925© Andres Kilger

Problematische Vermischung der Bedeutung

Zusätzlich haben die Staatlichen Museen eine Reihe von afrikanischen Skulpturen erforscht, die Berggruen offenbar in der Absicht erworben hatte, sie zusammen mit Bildern von Picasso zu präsentieren. Auf die Idee war er wohl vor allem durch einen Besuch in der Wohnung des Künstlers Tristan Tzara gekommen. Aus heutiger Sicht ist es problematisch, Werke aus anderen Kulturkreisen mit dem westlichen Kunstbegriff zu vereinnahmen, der dann ihre ursprüngliche Bestimmung auslöscht. Daher die gesonderte Untersuchung dieser Skulpturen, die auch noch keine endgültigen Resultate zu ihrer Herkunft und Bestimmung erbracht hat.

Die Forschung steht erst am Anfang

Etwa 350 Werke haben die Staatlichen Museen bislang aus ihren Sammlungen an rechtmäßige Erben oder Insitutionen restituiert, wurde heute vermeldet, dazu rund 2000 Bücher. Das klingt zunächst einmal viel, ist es im Vergleich zu anderen sehr großen Sammlungen auch. Doch während der NS-Zeit wurden mindestens eine halbe Million Werke von den Nationalsozialisten geraubt, und das macht deutlich, wie epochal und uferlos diese Forschungsarbeit heute ist – und wie groß die Versäumnisse seit der Nachkriegszeit.
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