Herkunftsforschung bei den Kunstsammlungen Dresden

"Geraubt, entzogen, abgepresst"

Der Leiter der Provenienzforschung, Gilbert Lupfer, schaut am 13.08.2013 in der Bibliothek der Staatlichen Kunstsammlung im Residenzschloss in Dresden (Sachsen) in ein Buch.
Gilbert Lupfer leitet die Forschungsabteilung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. © dpa picture alliance / Ole Spata
Gilbert Lupfer im Gespräch mit Vladimir Balzer · 13.11.2018
Neben der Herkunftsforschung nach geraubten Werken durch die Nazis beschäftigt die Kunstsammlungen Dresden nun auch die Nachkriegszeit. Vernachlässigt wurde bislang der Raub von Werken von Menschen, die aus der DDR flohen, meint Gilbert Lupfer, Kurator der Sammlungen.
Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sehen in der Erforschung ihrer Bestände auf eine mögliche Herkunft aus Nachkriegsenteignungen in der DDR und der Sowjetzone ein bislang vernachlässigtes Forschungsfeld. "Wir haben in Dresden eine ganz komplexe Gemengelage von Provenienzfragen", erklärt Gilberg Lupfer, Leiter der Forschungsabteilung bei den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden im Deutschlandfunk Kultur.
Dabei ständen zwar im Kern der Forschung die Fragen des NS-Kunstraubes, doch würden dort ebenso Erwerbungen aus der Nachkriegszeit untersucht - sowohl jene aus den ersten Jahren durch die sowjetischen Besatzungstruppen, als auch dann die später in der DDR erworbenen.

Die Begehrlichkeiten der Stasi und der KoKo

"Über die Mechanismen des Kunstentzugs in der DDR wissen wir noch relativ wenig", sagt Lupfer. "Man weiß nur, dass alles, um an Kunstwerke zu kommen, von der Kunst- und Antiquitäten GmbH oder von der Kommerziellen Koordinierung (KoKo) betrieben wurde."
Dabei sei es den Kunsthändlern im Auftrag des DDR-Devisenbeschaffers Alexander Schalck-Golodkowski aber meist darum gegangen, die Werke für Devisen zu verkaufen, und nicht darum, die Bestände der Museen zu verbessern, erklärte Lupfer. Lediglich zufällig seien dabei dann einige Kunstgegenstände auch ins Museum gelangt. "Der Großteil ist damals in den westlichen Handel geflossen", erklärt Lupfer.
Drei Zielgruppen habe es dabei gegeben: "Das eine waren die sogenannten Republikflüchtlinge, die in den Westen unter oft schwierigen Bedingungen geflohen sind und die ihr Eigentum zurücklassen mussten. Das Zweite waren Leute, die legal ausgereist sind, ein paar Wertobjekte mitnehmen wollten und sich dann oft auf komplizierte Deals einlassen mussten: 'Was dürfen sie mitnehmen und was dafür aber zurücklassen?' Und das Dritte waren Sammler, die es eben in der DDR auch gab, und die die Begehrlichkeiten der Stasi und der Kommerziellen Koordinierung geweckt haben." Diese Sammler seien oft mit fingierten Steuerstrafverfahren dazu gebracht worden, ihre Sammlung unfreiwillig abzugeben. Werke aus diesen Beständen in den Museen seien aber eher Einzelfälle, weil das Gros der Werke in den Westen verkauft worden sei.

Viele Objekte aus der "sogenannten Schlossbergung"

Der deutlich größere Teil von Werken aus der Nachkriegszeit in den Beständen der Museen seien Werke aus der "sogenannte Schlossbergung im Rahmen der Bodenreform", betont Lupfer. Diese wechselvolle Geschichte der Herkunft werde nun auch in den verschiedenen Sammlungen im Haus erzählt. Die Herkunft wiesen nun Texte und Hinweisschilder aus an jenen Objekten, die "geraubt oder entzogen oder abgepresst wurden". Grundlage für den Fakt, dass diese Objekte nun noch Teil der Sammlung sind, sei, dass mit den Eigentümern und Erben "gütliche Lösungen" gefunden worden seien, erklärt Lupfer.
(sru)

Die Ausstellung "Kunstbesitz. Kunstverlust. Objekte und ihre Herkunft" ist in der Zeit vom 16. November 2018 bis 25. März 2019 an unterschiedlichen Orten in Dresden zu sehen.

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