"Salome" in Frankfurt

Eine kranke, falsche Liebe

06:58 Minuten
Szenenbild aus der Oper "Salome" von Richard Strauss inszeniert von Barrie Kosky, zu sehen sind von links nach rechts Claudia Mahnke (Herodias), Ambur Braid (Salome) und AJ Glueckert (Herodes) mit den Juden.
Keine Femme Fatale, sondern eine zarte, zerbrechliche Frau macht Barrie Kosky aus Salomé an der Oper in Frankfurt. © Monika Rittershaus
Von Natascha Pflaumbaum · 01.03.2020
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Die biblische Figur der mörderisch liebenden Salomé hat Richard Strauss in einer der ersten Literaturopern der Musikgeschichte verewigt. Barrie Kosky zeichnet die Rolle der Salomé an der Frankfurter Oper in einem neuen Licht.
Kaum eine Oper ist so mit Klischees behaftet wie Richard Strauss' Oper "Salomé". Diese femme fatale Salomé, die als Männerfesserin erst für ihren Stiefvater tanzt, um dann aus sadistischer Rache den abgeschlagenen Kopf des Jochanaan zu küssen, ist das grausame Zentrum einer Geschichte, in der Richard Strauss die extreme Verbindung von Liebe, Tod und Religion auslotet.

Naiv und verspielt statt sadistisch

Regisseur Barrie Kosky verabschiedet sich in seiner Frankfurter Inszenierung von diesem sadistischen Frauenbild. Er zeichnet eine naive, verspielte, kluge Salomé, die sich ernsthaft verliebt in Jochanaan, erst in seine Stimme, dann in sein Haar, in seinen Kopf, in seine Haut, in seinen Körper. Stück für Stück. Barrie Kosky nimmt Salomés Liebe sehr ernst und legt in kleinen Dosen dar, wie sich kranke, falsche Liebe entwickelt.
Als würde er eine Familienaufstellung im zeitlosen Raum inszenieren, reduziert Kosky das Salomé-Geschehen auf die vier zentralen Figuren der Geschichte: Salomé , Jochanaan, Herodes und Herodias. Bühnenbildnerin Katrin Lea Tag baut dazu eine komplett schwarze leere Bühnenkiste, in die allein das Mondlicht auf die Figuren fällt, mal flackernd, mal fahl.
Düster ist diese Welt, in der die Männer schwach, paranoid, fast lächerlich wirken - mit Ausnahme von Jochanaan- und die Frauen stark, aber verblendet. Kosky moralisiert diese Liebe nicht, er zeigt keine falsche Empathie, er kritisiert diese ungeheuerliche Familie und ihre Gesellschaft auch nicht. Er zeigt nur, wie schlecht es für alle laufen kann, wenn man Liebe falsch gelernt hat.

Klangpanorama bettet Stimmen fantastisch ein

Düster und ehrlich ist auch die Musik, die Joana Mallwitz mit dem Frankfurter Museumsorchester dazu macht, geradezu rauschhaft symphonisch, groß, gewaltig, störrisch mitunter. Den Sänger und Sängerinnen bietet sie so ein breites Klangpanorama, in das sich alle vier Hauptstimmen fantastisch einblenden können.
Selbstgewiss, körperlich, groß: Ambur Braid als Salomé. Resolut und warm: Christopher Maltman als Jochanaan. Mit hitzig gereizter Angst in der Stimme: AJ Glueckert als Herodes. Resolut mütterlich: Claudia Mahnke als Herodias.
Musik und Bühnengeschehen gehen Hand in Hand, auch weil Kosky in seiner Regie-Reduzierung der Musik den allermöglichsten Freiraum lässt. So kahl, düster, einsam und leer er diesen schwarzen Seelenraum auch zeichnet, so berückender ist schließlich die zentrale Szene, wenn Kosky Salomé im Schleiertanz komplett ausbremst, sie auf den Boden setzt, wo sie meterweise blondes Haar aus ihrem Unterleib zieht. Nie waren Erotik und Ekel näher beieinander.
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