Salafisten in Münchner Moschee

Die Wanderprediger aus Somalia

Eine Moschee mit Minarett im Hintergrund davor Hütten eines Flüchtlingslagers in Somalia.
Eine Moschee in einem Flüchtlingslager in Somalia. © picture alliance / dpa / Yannick Tylle
Von Joseph Röhmel · 17.07.2018
Sie sind miteinander vernetzt und reisen durch die ganze Welt. Ostafrikanische Prediger wie der gebürtige Somali Said Rageah: jung, charismatisch, wohnhaft in Kanada und bekannt für seine strengreligiösen Botschaften.
Frauen, sagt Prediger Said Rageah aus Somalia in einem Internet-Video, müssen zu Hause bleiben:
"Wenn eine Frau das Haus verlässt, kommt der Satan. Sobald du das Haus verlässt, wird der Satan dir folgen."
Ostafrikanische Wanderprediger wie Rageah dozieren auf Somali, Suhaeli oder Englisch. Sie betreiben eigene Facebook-Seiten mit hunderten von Anhängern. Videos und Fotos im Internet zeugen von ihren gut besuchten Auftritten in Moscheen in Kanada, Schweden, Holland, Kenia oder Deutschland. Said Rageah zum Beispiel verbreitete seine Botschaften Anfang 2017 in Frankfurt am Main. Für andere Prediger, mit denen er sich stolz auf Facebook präsentiert, war zuletzt München ein wichtiger Anlaufpunkt in Deutschland.

Beobachtet vom Verfassungsschutz

Die Münchner Moschee Taufiq wurde Ende 2012 von Somalis gegründet. Nun wird sie im neuesten bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnt. Verfassungsschutz-Sprecher Markus Schäfert:
"Bei der Taufiq-Moschee haben sich die Anhaltspunkte dafür verdichtet, dass wir es mit einer extremistischen Moschee zu tun haben. Und zwar insbesondere dadurch, dass dort Prediger aufgetreten sind, die dem salafistischen Spektrum zuzuordnen sind. Und wenn eine Moschee solchen Predigern eine Bühne bietet, dann ist das den Moscheeverantwortlichen auch zuzurechnen. Und dann führt das eben zu einer entsprechenden Bewertung durch uns als Verfassungsschutz-Behörde."
Die Betreiber der Moschee sind auch im Fokus der Polizei: Am 3. Juli 2017 werden die Räume durchsucht. Grund sind Ermittlungen wegen Volksverhetzung gegen eines der Mitglieder des Moscheevereins. Das Mitglied habe nach Erkenntnissen der Behörden antisemitische Inhalte auf Facebook gepostet, sagt der Moschee-Vorstand im Interview mit Deutschlandfunk Kultur. Es sei um irgendeinen Brand in Israel gegangen:
"Man hat das so verstanden, dass er gesagt hat, die sollen brennen, so in der Art. Ich bin mir nicht sicher, ob er gesagt hat, die Juden oder ob er Israelis meint."

Volksverhetzung

Auf Anfrage teilt das Amtsgericht München mit, dass die Staatsanwaltschaft inzwischen Anklage erhoben hat. Das Gericht prüft, ob es die Anklage zur Verhandlung zulässt. Eine schwierige Situation für die Moschee, die sich als wichtiger Ankerpunkt für Somalis versteht, als Ort der Integration und Heimat für Flüchtlinge.
Die Moschee liegt am Frankfurter Ring im schroffen Norden von München. Von außen ist die Moschee ein Haus mit einem großen Vorplatz. Im Gebäude knien Männer dicht gedrängt auf einem bunten Teppich, der den gesamten Gebetsraum ausfüllt.
Vor einem Jahr – im Juli 2017 – werden drei Gemeindemitglieder neu in den Vorstand gewählt – nur wenige Tage nach der Durchsuchung der Moschee. Der junge Somali gegen den wegen Volksverhetzung ermittelt wird, ist nicht mehr dabei. Der Kontakt zu ihm sei komplett abgebrochen, heißt es vom Verein.

Für Besucher kein deutscher Pass

"Es wurde zwar von uns auch ihm nahegelegt, dass solche Äußerungen nicht adäquat sind und nicht akzeptabel sind für den Verein. Und wir haben ihn auch gewarnt, aber deshalb wurde er nicht abgewählt."
sagt der neue erste Vorstand – ein älterer Herr, der seinen Namen nicht im Radio hören will. Er fürchtet Konsequenzen, weil die Moschee im Verfassungsschutzbericht erwähnt wird. Der Vorstand berichtet, dass aus diesem Grund regelmäßigen Besuchern der Taufiq-Moschee die deutsche Staatsbürgerschaft verweigert wurde. Seinen Vorgängern, so der Vorstand, war nicht bewusst, dass der Verfassungsschutz die Prediger als salafistisch einstuft. Zum Beispiel den somalisch-stämmigen Prediger Sheikh Mohamed Idris. Verfassungsschutz-Sprecher Markus Schäfert:
"Er hat sich zur Krise in Somalia geäußert und dort als Lösungsstrategie vorgeschlagen, man solle zum einen die Scharia umsetzen. Und man solle zum anderen alle Probleme auf Basis von Koran und Sunna lösen. Das würde also implizieren, dass man sozusagen aus der religiösen Sphäre heraus alle politischen Fragestellungen beantwortet. Eine Trennung von Politik und Religion ist da nicht mehr erkennbar. Es würde hinauslaufen auf eine gottesstaatsähnliche Vorstellung so wie wir sie auch aus dem Salafismus kennen."

Anfrage bleibt unbeantwortet

Deutschlandfunk Kultur schickt Sheikh Mohamed Idris eine Anfrage mit Bitte um schriftliche Stellungnahme, diese bleibt aber unbeantwortet. Fotos zeigen Idris mit zahlreichen Besuchern der Münchner Gemeinde. Auf einem der Bilder ist auch ein schlanker junger Mann zu sehen, ungefähr Mitte 30, ein gebürtiger Somali. Seit der Gründung der Moschee vor mehr als fünf Jahren wirkt er als Imam in München. In einem kleinen Nebenraum erzählt der Imam, warum Sheikh Idris eingeladen wurde. Der junge Mann selbst spricht Somali, ein Gemeindemitglied übersetzt seine Worte ins Deutsche:
"Er ist ein sehr beliebter und bekannter Prediger bei den Somalis. Über Internet haben wir seine Reden gesehen. Und das war der Grund, warum wir gesagt haben, ob er mal zu uns kommt."
Der Moscheevorstand sagt, dass seit einem Jahr solche Prediger nicht mehr aufgetreten sind. Künftig will sich der Vorstand beim Verfassungsschutz über Prediger informieren, bevor er Einladungen ausspricht.

Salafisten als Deutschlehrer

Ein Blick auf die Facebook-Seite des Imams vermittelt ein anderes Bild: Unter seinen "Gefällt mir"-Angaben finden sich auch Facebook-Kanäle bekannter Salafisten-Prediger, unter anderem den des deutschen Konvertiten Pierre Vogel. Er wisse nicht wer Pierre Vogel sei, sagt der Imam der Münchner Moschee. Und doch ist Vogel für ihn eine Art Deutschlehrer:
"Der erste Grund war, dass ich meine Deutsch-Kenntnisse verbessere, da ich auch die selbe Arbeit mache, aber nicht in der Lage bin alles auf Deutsch zu machen. Da ich auch die Religion sehr gut kenne, dass ich auch auf Deutsch was lerne. Also die Sprache von Pierre Vogel, wie er auf Deutsch macht diese Vorträge."
Zu Salafisten oder Extremisten habe die Moschee keinerlei Bezüge, sagt der Vorstand:
"Wir setzen uns mit diesem Thema nicht auseinander. Das Ziel ist, wie können wir unseren Landsleuten, die neu hier ankommen, wie können wir praktisch helfen. Wir bieten Mathematik-Grundlage und Deutsch-Grundlage."

Importierter Salafismus

Ignoriert die somalische Moschee in München ein tiefgreifendes Problem? Der somalische Politologe Afyare Abdi Elmi lehrt im Nahen Osten, an der Quatar University in Doha: Salafismus, berichtet er, sei längst in der somalischen Gesellschaft verankert. Als Grund nennt der Politologe Somalis, die vor Jahrzehnten zum Studieren oder Arbeiten in den Nahen Osten gegangen sind. Später hätten sie dann den Salafismus in ihr Heimatland importiert:
"Als sie zurückgekommen sind, haben sie ihr Islamverständnis in verschiedene Aspekte des somalischen Lebens eingebracht. Wenn sie diese Entwicklung mit Gewalt in Verbindung bringen, ist das das falsche Verständnis."
Es gibt viele Salafisten, die Terror und Gewalt ablehnen, erklärt der Politologe Afyare Abdi Elmi am Rande einer mehrtätigen Veranstaltung im Max-Planck-Institut für ethnologische Forschung in Halle. Dort haben sich im Juni Wissenschaftler aus Europa, dem Nahen Osten, Nordamerika und Afrika mit der gesellschaftlichen Situation in Somalia beschäftigt – ein Land, gebeutelt von Krieg, Hunger und dem Terror der Al-Shabab-Miliz. Zu Gast war auch ein Professor, der an der Universität der somalischen Hauptstadt Mogadishu lehrt: Abdurahman Baadiyow vom Institut of Somali Studies. Er kennt Sheikh Idris persönlich, jenen Wanderprediger, der auch in München aufgetreten ist und den der bayerische Verfassungsschutz als salafistisch einstuft:

Scharia eingeführt, Problem gelöst

"Mohamed Idris ist ein sehr bekannter islamischer Gelehrter. Er predigt keine Gewalt. Wenn man die Gemeinde am Leben halten will, dann braucht man jemanden, den die Gemeinde respektiert, jemand, der zu ihnen kommt und sie inspiriert. So machen es doch alle Religionen. Es gibt christliche Prediger, die gehen nach Afrika. Das ist genau das gleiche Phänomen."
Sheikh Mohamed Idris kann sich laut bayerischem Verfassungsschutz vorstellen, alle Probleme in Somalia mit dem islamischem Recht, der Scharia, zu lösen. Professor Abdurahman Baadiyow selbst ist ein führender Kopf der Muslimbrüder in Somalia und damit ebenfalls Teil einer weltweiten Bewegung, die laut Verfassungsschutz ein islamisches Herrschaftssystem auf Basis der Scharia anstrebt. Manches was er sagt, wirkt vage. Seine Zuhörer sollten auf Details achten.
Klar distanziert sich Baadiyow von Maßnahmen, die Frauen unterdrücken – zum Beispiel Schlagen:
"Gruppen wie der IS sorgen für ein negatives Bild: Dass im Islam Körperteile abgehackt, sie ausgepeitscht oder erschossen werden. Das ist Blödsinn. Islam ist viel tiefgreifender als das."

"Scharia ist allumfassend"

Auch dass Dieben die Hand abgehackt wird, das gehört aus Baadiyows Sicht keineswegs in ein modernes Staatssystem. Aber er betont ebenso, dass diese harte Strafe im Koran nun einmal erwähnt wird:
"Wenn jemand das verweigert, ist er kein Muslim, denn er verweigert den Koran. Scharia ist auch, du musst einen guten Charakter haben, du musst ein gutes Benehmen haben, du darfst nicht lügen, du darfst keinen Alkohol trinken. Du darfst keinen außerehelichen Sex haben. Das ist alles Scharia. Scharia ist allumfassend."
Scharia ist also auch Auslegungssache. Ein Grund, warum die Verfassungsschützer genau hinschauen, wenn plötzlich salafistische Wanderprediger aus Ostafrika zum Beispiel in München verkehren. Ein Teil ihrer Reisen dürften die Prediger aus Spenden finanzieren. So schreibt das Bundesamt für Verfassungsschutz Deutschlandfunk Kultur, dass im Nachgang solcher Auftritte, die Spendenbereitschaft der afrikanischen Diaspora häufig deutlich ansteigt. Geld, das Salafismus fördert und Integration verhindert.
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