Safe House in Afghanistan

Wer schützt die zivilen Helfer der Bundeswehr?

Straßenszene aus Masar-i-Scharif in Afghanistan: Ein deutscher Soldat patroulliert durch den Vordergrund des Bildes, mit dem Rücken zum Fotografen. Er bewegt sich weg von drei afghanischen Zivilisten, die im Hintergrund des Bildes stehen und zu ihm schauen.
Die deutschen Truppen haben Afghanistan verlassen. Ihre zivilen Helfer vor Ort müssen nun fürchten, von den Taliban getötet zu werden. © picture alliance / dpa | Maurizio Gambarini
Marcus Grotian im Gespräch mit Max Oppel · 15.07.2021
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Die Bundeswehr hat Afghanistan verlassen, doch ihre Helfer sind noch da und von den Taliban bedroht. Das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte versorgt sie mit einer sicheren Unterkunft – finanziert mit Geld vom Zentrum für politische Schönheit.
Der Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan ist beendet. Doch sicher ist es am Hindukusch jetzt nicht – insbesondere nicht für die ehemaligen zivilen Helferinnen und Helfer der Bundeswehr vor Ort. Das Zentrum für politische Schönheit hat bekannt gegeben, in Kabul derzeit eine sichere Unterkunft für diese Menschen zu finanzieren, da die deutsche Bundesregierung dies nicht tue: Den afghanischen Ortskräften der Bundeswehr drohe die Ermordung durch die Taliban, schreibt das Künstlerkollektiv auf Twitter.
Eingerichtet hat diese sichere Unterkunft, ein sogenanntes Safe House, der Verein Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte. "Wir haben seit letzter Woche festgestellt, dass es staatlicherseits keine Unterstützung geben wird", erzählt Marcus Grotian vom Patenschaftsnetzwerk, der selbst in Afghanistan im Einsatz war. "Da haben wir überlegt, wie wir selber den Ortskräften eine Möglichkeit eröffnen können."


Es gebe circa 2000 ehemalige Ortskräfte in Afghanistan, die nun ein Visum in Deutschland beantragen könnten, sagt Marcus Grotian. Dieser Prozess werde aber eine lange Zeit in Anspruch nehmen, während der sie gefährdet seien.

Nach Kabul in ein Haus mit zwei Bunkern

Das Auswärtige Amt habe über den Weg von Masar-i-Scharif, wo die Bundeswehr stationiert war, nach Kabul gesagt, dass man nicht ständig von Taliban angehalten werde. "Das reicht mir persönlich nicht, wenn man nur ab und zu erschossen wird oder wenn man eine Straße entlang fährt", kritisiert Grotian, auch wenn es vielleicht etwas zynisch sei, das so zu sagen. "Deshalb haben wir sichergestellt, unsere ehemaligen Ortskräfte mit Flugzeugen, wo es möglich und nötig war, nach Kabul zu verlegen, um ihnen dort eine sichere Unterkunft zu geben."
Im Großraum Kabul gebe es einige, zuvor von Diplomaten genutzte Gebäude, die nun leer stünden, und als Safe Houses genutzt werden könnten, berichtet Grotian. Das erste Safe House könne etwa 100 Menschen aufnehmen. Die Kapazitätsgrenze werde allerdings nun erreicht. Um die Sicherheit der dort einquartierten Menschen zu gewährleisten, habe das Safe House zwei Bunker und eine Schleuse und werde von bewaffneten Wachen geschützt.

280.000 Euro für ein Flugzeug nach Deutschland

"Wie wir mit den Ortskräften umgehen, dafür gibt es kein Konzept", kritisiert Grotian, und dass man sich das vielleicht früher hätte überlegen müssen. "Dann springen wir halt ein."
Das Patenschaftsnetzwerk Afghanische Ortskräfte sei ein ziviler Verein, in dem sich aktive und ehemalige Soldaten engagierten, sagt Grotian. Mit Spenden wollen sie die hohen Kosten finanzieren, um die ehemaligen Helferinnen und Helfer zu schützen. Grotian nennt als Beispiel, dass allein eine Chartermaschine, die 200 Menschen von Afghanistan nach Deutschland bringe, 280.000 Euro koste.
"Wir halten es für selbstverständlich, dass diese Flugtickets und diese Kosten von uns durch Spenden übernommen werden", sagt Grotian. "Denn diese Menschen verdienen eine Chance. Wir sind eher verwundert, dass das nötig ist." Die Bundesregierung, so Grotian, habe bisher nicht mit dem Patenschaftsnetzwerk Kontakt aufgenommen.
(jfr)
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