Sachbuchbestenliste Oktober

    Der Nutzen der Geschichte für die Gegenwart

    06:07 Minuten
    Hier geht es zur Sachbuchbestenliste im Oktober 2020.
    Zwei Neueinsteiger haben es unter die Top 3 der Sachbuchbestenliste Oktober geschafft. Dazu der Erstplatzierte des Vormonats: Omri Böehms "Israel - eine Utopie" © C.H. Baeck, Propyläen, Kein & Aber
    23.09.2020
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    Bücher über Demokratie und Geschichte beherrschen die Sachbuchbestenliste Oktober. An der Spitze: Hedwigs Richters "Demokratie. Eine deutsche Affäre", das die Demokratieentwicklung in Deutschland als Kette von Zufällen, Fehlern und Lernprozessen beschreibt.
    Deutschlandfunk Kultur, ZDF und "Die Zeit" präsentieren gemeinsam die stärksten Sachbücher des Monats. Gekürt werden die Titel von einer Jury aus 30 Kritikerinnen und Kritikern.

    1 (-) Hedwig Richter: "Demokratie. Eine deutsche Affäre"
    C.H. Beck, München 2020
    400 Seiten, 26,95 Euro

    Coverabbildung des Buches "Demokratie. Eine deutsche Affäre" von Hedwig Richter.
    Hedwig Richter: "Demokratie. Eine deutsche Affäre"© C.H. Beck / Deutschlandradio
    Viele warnen heute vor dem Untergang der Demokratie. Aber ist es wirklich so
    ernst? Die Historikerin Hedwig Richter reist in die Vergangenheit, erzählt die
    Geschichte der deutschen Demokratie als eine Chronologie von Fehlern,
    Zufällen und Lernprozessen, in deren Zentrum der Zivilisationsbruch des
    Holocausts steht. Ein Buch, das trotz allem viel Hoffnung weckt. 84 Punkte

    2 (1) Omri Boehm: "Israel – eine Utopie"
    Aus dem Englischen von Michael Adrian
    Propyläen, Berlin 2020
    256 Seiten, 20 Euro


    "Lasst das Licht der öffentlichen Debatte dazu beitragen, ein rationales Urteil über den jüdischen Staat zu fällen", sagt der Philosoph Omri Boehm. Er unterscheidet in Bezug auf Israel Selbstbestimmung und Souveränität: Das israelische Volk habe ein Recht auf Selbstbestimmung, aber keines auf eine Souveränität, die Minderheiten oder andere Völker unterdrücke. Boehm benennt Demokratiedefizite, ganz ohne Polemik. 48 Punkte
    Das Buchcover, von Omri Boehm: "Israel – eine Utopie", Propyläen Verlag, 2020.
    Omri Boehm: "Israel – eine Utopie"© Propyläen Verlag / Deutschlandradio

    3 (-) Dina Nayeri: "Der undankbare Flüchtling"
    Aus dem Englischen von Yamin von Rauch
    Kein & Aber, Zürich 2020
    400 Seiten, 24 Euro


    Dina Nayeri weiß, was es bedeutet, auf der Flucht zu sein und sich ein neues Leben aufzubauen. In ihrem vielschichtigen Buch verwebt die iranisch-US-amerikanische Essayistin ihre persönliche Fluchtgeschichte mit der anderer Migranten und zeigt, was sich in der Weltpolitik ändern muss. Ein schillernder, trauriger Erfahrungsbericht. 46 Punkte
    Coverabbildung des Buches "Der undankbare Flüchtling" von Dina Nayeri.
    Dina Nayeri: "Der undankbare Flüchtling"© Kein & Aber / Deutschlandradio

    4 (-) Magnus Brechtken: "Der Wert der Geschichte"
    Siedler, München 2020
    304 Seiten, 20 Euro

    Coverabbildung des Buches "Der Wert der Geschichte" von Magnus Brechtken.
    Magnus Brechtken: "Der Wert der Geschichte"© Siedler / Deutschlandradio
    Magnus Brechtken ist Historiker und wirbt in diesem flammenden Appell für die Werte der Freiheit. An zehn Beispielen zeigt er, wie hart Selbstbestimmung und Teilhabe erkämpft wurden, wie sehr sie das Leben der Menschen verbessert haben – und warum diese Errungenschaften auf dem Spiel stehen. Durch Nationalisten und Populisten von rechts wie links. 40 Punkte

    4 (4) Max Czollek: "Gegenwartsbewältigung"
    Hanser, München 2020
    208 Seiten, 20 Euro


    Wer ist deutsch, wer nicht? Gerade in Krisenzeiten spaltet diese Frage die Gesellschaft, sagt der Publizist und Lyriker Max Czollek. Sein Bestseller "Desintegriert euch!" war ein Manifest für die plurale Gesellschaft und forderte mehr Vielfalt hierzulande. Jetzt legt der Autor nach: In seinem neuen Buch dekonstruiert er das hiesige Verständnis von Nation und Kultur, das noch immer völkisch geprägt sei. 40 Punkte
    Das Cover von Max Czolleks Buch "Gegenwartsbewältigung" auf orange-weißem Hintergrund.
    Max Czollek: "Gegenwartsbewältigung"© Carl Hanser Verlag / Deutschlandradio

    6 (-) Jonathan Lear: "Radikale Hoffnung"
    Aus dem Englischen von Jens Pier
    Suhrkamp, Berlin 2020
    235 Seiten, 28 Euro

    Coverabbildung des Buches "Radikale Hoffnung" von Jonathan Lear.
    Jonathan Lear: "Radikale Hoffnung"© Suhrkamp / Deutschlandradio
    Kurz vor seinem Tod erzählte Plenty Coups, der letzte große Häuptling der Crow, Jonathan Lear vom Niedergang seines Volkes. Der Philosoph hört zu und versteht dank der Geschichte, wie kurzlebig menschliche Kulturen sind – und dass sie jederzeit verschwinden können. Das Buch fragt: Wie können wir als Gesellschaft mit so einer Verwundbarkeit leben? 30 Punkte

    7 (-) Detlef Pollack: "Das unzufriedene Volk"
    transcript, Bielefeld 2020
    232 Seiten, 20 Euro

    Coverabbildung des Buches "Das unzufriedene Volk" von Detlef Pollack.
    Detlef Pollack: "Das unzufriedene Volk"© Transkript 7 Deutschlandradio
    Die Ostdeutschen sehen sich oft als Opfer und Vergessene, dabei wird über
    keinen Bevölkerungsteil so viel geschrieben und diskutiert wie über die Ostdeutschen. Auch die Revolution von 1989 war kein Erfolg einer Elite, sondern
    ein Sieg des Volkes. Der Soziologe Detlef Pollack schildert, wie die Selbstermächtigung der Ostdeutschen zum Ressentiment wurde. 27 Punkte

    8 (6) Jakob Hein: "Hypochonder leben länger"
    Galiani-Berlin, Berlin 2020
    240 Seiten, 20 Euro

    Das Cover von Jakob Heins Buch "Hypochonder leben länger" auf orange-weißem Hintergrund
    Jakob Hein: "Hypochonder leben länger"© Galliani-Berlin / Deutschlandradio
    Der Berliner Kinder- und Jugendpsychiater erzählt aus seiner Praxis. Patentrezepte gibt er keine, er ermutigt, Fragen an sich und andere zu stellen. Jakob Hein weiß, wie kompliziert es für viele Menschen ist, aus Sackgassen herauszufinden, egal ob im Beruf, in der Beziehung oder anderswo. Ein Ratgeber, der nicht nur lebensnah ist, sondern auch klug. 25 Punkte

    8 (-) Helmut Lethen: "Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug"
    Rowohlt Berlin 2020
    320 Seiten, 24 Euro

    Coverabbildung des Buches "Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug" von Helmut Lethen.
    Helmut Lethen: "Denn für dieses Leben ist der Mensch nicht schlau genug"© Rowohlt Berlin / Deutschlandradio
    Die Angst vor den Bomben, eine Kindheit im Krieg – damit beginnen Helmut Lethens Erinnerungen. Er berichtet in seiner Autobiografie von politischen und denkerischen Experimenten, von Weggefährten und Ideengebern wie Adorno und Enzensberger. Ein Entwicklungsroman der Bundesrepublik – wie ihn nur noch wenige Intellektuelle zu erzählen vermögen. 25 Punkte

    10 (-) Richard J. Bernstein: "Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt"
    Aus dem Englischen von Andreas Wirthensohn
    Suhrkamp, Berlin 2020
    141 Seiten, 14 Euro


    Noch ein Buch über Hannah Arendt? Es gibt kaum ein Thema, das nicht
    schon mit Arendt verknüpft wurde: Konservativismus, Antisemitismus,
    Feminismus, Kolonialismus. Der amerikanische Philosoph Richard J. Bernstein
    hält dagegen und beweist in seinem Buch, dass das Werk von Hannah Arendt
    lange noch nicht toterzählt ist. 23 Punkte
    Zu sehen ist das Cover des Buches "Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt" von Richard J. Bernstein.
    Richard J. Bernstein: "Denkerin der Stunde. Über Hannah Arendt"© Suhrkamp Verlag / Deutschlandradio

    So funktioniert die Abstimmung:

    Jedes Jurymitglied vergibt an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.

    Die Jury der Sachbuch-Bestenliste:

    René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur)
    Peter Arens (ZDF)
    Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur)
    Ralph Bollmann (FAS)
    Stefan Brauburger (ZDF)
    Alexander Cammann (DIE ZEIT)
    Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel)
    Heike Faller (DIE ZEIT)
    Daniel Fiedler (ZDF)
    Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch)
    Manuel J. Hartung (DIE ZEIT)
    Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur)
    Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur)
    Inge Kutter (DIE ZEIT)
    Hannah Lühmann (DIE WELT)
    Ijoma Mangold (DIE ZEIT)
    Susanne Mayer (DIE ZEIT)
    Tania Martini (taz)
    Catherine Newmark (Deutschlandfunk Kultur)
    Jutta Person (freie Literaturkritikerin)
    Bettina von Pfeil (ZDF)
    Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung)
    Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur)
    Anne Reidt (ZDF)
    Anna Riek (ZDF)
    Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte)
    Hilal Sezgin (freie Autorin)
    Catrin Stövesand (Deutschlandfunk)
    Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
    Julia Voss (Leuphana-Uni Lüneburg)

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