Sachbuch

Das Recht auf Wasser

Ein Mädchen in Bangladesch wartet auf Trinkwasser.
Ein Mädchen in Bangladesch wartet auf Trinkwasser. © dpa picture alliance
Von Susanne Billig · 18.11.2014
Maude Barlow beschreibt in ihrem Buch "Blaue Zukunft", wie der Wasserhunger von Industrie und Landwirtschaft den Bevölkerungen selbst in Industrieländern häufig nicht das Nötigste lässt. Ein sehr informatives Buch mit Ideen für eine bessere Zukunft.
In den Slums und unterentwickelten Regionen dieser Erde sterben jährlich 3,6 Millionen Menschen, darunter 1,5 Millionen Kinder, an Infektionen durch verschmutztes Trinkwasser. Dreckwasser ist damit der größte Menschenkiller - weit hinter Gewalttaten einschließlich aller Kriege.
Wer in das Thema Wasser nicht eingearbeitet ist, wird in dem Buch "Blaue Zukunft" der weltweit anerkannten Expertin und Aktivistin Maude Barlow auf jeder Seite Neues erfahren - hässliche Wahrheiten ebenso wie kaum zu glaubende politische Ränkespiele und viele kreative, fundierte Ideen für eine bessere Zukunft.
Erschreckende Beispiele
Weltweit leben 2,5 Milliarden Menschen ohne die einfachsten sanitären Einrichtungen, erklärt die Autorin. Vor allem Frauen, die ihre Notdurft im Freien verrichten müssen, sind massiver sexueller Gewalt ausgesetzt. Hunderttausende von Mädchen gehen nicht zur Schule, weil ihr Tag mit Wasserholen angefüllt ist. Die grassierende Privatisierung sorgt aber auch auf der Nordhalbkugel für Wassermangel, wie die Autorin mit erschreckenden Beispielen belegt. In Detroit verfügen zehntausende von Einwohnern nicht über fließendes Wasser, weil sie die hohen Tarife nicht bezahlen können. Diese Menschen behelfen sich, indem sie in öffentlichen Toiletten Wasserkanister abfüllen und ihre Notdurft in Plastiktüten verrichten.
In ihrem beeindruckend kompetenten, dicht und eindringlich geschriebenen Buch zeichnet Maude Barlow die Wege des "blauen Goldes" nach und macht deutlich, wie der weltweite Wasserhunger von Industrie und agroindustrieller Landwirtschaft im Verbund mit der Privatisierung der Wasserversorgung den Bevölkerungen selbst in Industrieländern häufig nicht das Nötigste lässt. In vielen Ländern pumpt die Agrarindustrie so schamlos die Flüsse ab, dass nur noch Rinnsale im Meer ankommen. Das betrifft den Gelben Fluss und den Indus in Asien, Euphrat und Tigris im Nahen Osten, aber auch Colorado und Rio Grande in Nordamerika.
Zugang zu sauberem Trinkwasser als Menschenrecht
Grund genug, um international für ein "Recht auf Wasser" zu kämpfen, wie es die Autorin und viele ihrer Mitstreiter seit Jahrzehnten tun - jüngst sogar mit einigem Erfolg, wie das Buch beschreibt. 2010 verabschiedete die Generalversammlung der UNO eine historische Resolution, die den Zugang zu sauberem Trinkwasser und Sanitärversorgung als Menschenrecht anerkennt. Mit diesem Dokument im Rücken können Bürgerinnen und Bürger ihre Regierungen nun juristisch in die Pflicht nehmen, auch um Schaden von Wasserquellen abzuwenden, etwa durch Bergbauunternehmen.
Maude Barlow hat ein leidenschaftliches Buch geschrieben, das zwischen Ökologie, Geologie, Fragen einer gerechteren Wirtschaftsordnung und der politischen Verankerung von Menschenrechten vielschichtig auf sein Thema eingeht. Bisweilen zeigt sich die Autorin so mit Detailwissen angefüllt, dass sie ihr Publikum damit zu erschlagen droht - im Sinne des populären Sachbuchs wäre hier weniger manchmal mehr gewesen. Politisch und ökologisch interessierte Leserinnen und Leser werden sich dem Sog dieser Lektüre gleichwohl kaum entziehen können.

Maude Barlow: "Blaue Zukunft: Das Recht auf Wasser und wie wir es schützen können"
Aus dem Englischen von Gabriele Gockel und Thomas Wollermann
Kunstmann Verlag, München 2014
320 Seiten, 22,95 Euro

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