Sabine Hark: "Gemeinschaft der Ungewählten"

Freiheit und Sorge zusammendenken

16:06 Minuten
Prof. Sabine Hark, in den 50ern mit grauer Kurzhaarfrisur.
Die Soziologin Sabine Hark ist Professorin für Interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschung an der TU Berlin. © privat
Sabine Hark im Gespräch mit Shelly Kupferberg · 25.09.2021
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Wie gelingt ein gutes Zusammenleben? Diese Frage steht im Zentrum des neuen Buchs der Soziologin Sabine Hark. Sie schlägt vor, unser Verständnis von Freiheit neu auszutarieren. Und zu erkennen, dass Privilegien auch den Privilegierten schaden.
In ihrem jetzt als Buch veröffentlichen Essay "Gemeinschaft der Ungewählten" beschäftigt sich die Soziologin Sabine Hark mit Fragen der Zugehörigkeit.
Der Begriff der Ungewählten bezieht sich auf die Philosophin Judith Butler. Letztlich seien alle Menschen ungewählt, so der Grundgedanke, denn niemand sei ausgesucht worden und niemand dürfe ausgesucht werden. Alle haben das gleiche Recht, zu existieren.
Sie habe diesen Gedanken in ihrem Buch erweitert, sagt Hark. Es gehe nicht nur darum, zu existieren, "sondern in der Welt zu gedeihen, ein gutes Leben führen zu können".
Dazu müsse der Begriff der Freiheit neu bewertet werden, meint sie. "Wir glauben, dass wir nur frei sein können, wenn wir autonom sind." Doch Freiheit und Sorge müssten zusammengedacht werden.

Sorge um das gemeinsame Anliegen

Sorge sei dabei in dreierlei Weise zu verstehen: Sorge um sich selbst, Sorge um andere und Sorge um "unsere gemeinsamen Anliegen".
Außerdem brauche es für ein geglücktes Zusammenleben das Verlernen der Dominanzkultur, sagt Hark: "Das durchzieht unsere gesamte Kultur, unsere gesamte Gesellschaft, das wir beständig klassifizieren in solche, die wir als uns ebenbürtig anerkennen, und in andere, die wir für weniger wert halten."
Dieser Mechanismus beschädige auch die Privilegierten, unterstreicht Hark: "Weil sie den gesamten Reichtum der Welt nicht kennenlernen."
(beb)

Sabine Hark: "Gemeinschaft der Ungewählten. Umrisse eines politischen Ethos der Kohabitation"
Suhrkamp Verlag, Berlin 2021
271 Seiten, 15 Euro

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