Russische Revolution

Abschied vom Lenin-Mythos

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Arbeiter säubern eine Lenin-Statue in der russischen Stadt Krasnojarsk
In ganz Russland stehen bis heute Lenin-Statuen und erinnern an die sowjetische Geschichte © picture-alliance/Tass/Andrei Samsonov
Andreas Arndt im Gespräch mit Ute Welty  · 22.04.2020
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Heute vor 150 Jahren wurde der russische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin geboren. Der Philosoph Andreas Arndt fordert, die Mythen rund um diese historische Figur beiseite zu schieben und Ereignisse um 1917 nüchterner zu betrachten.
Der russische Revolutionär Wladimir Iljitsch Lenin (1870-1924) gehört zu den wichtigen historischen Figuren des 20. Jahrhundert. Der Gründer der Sowjetunion wurde heute vor 150 Jahren geboren. Sein einbalsamierter Leichnam liegt bis heute offen zur Schau getragen im Moskauer Lenin-Mausoleum auf dem Roten Platz und gilt als touristische Sehenswürdigkeit.

Hoffnungen der Revolution

"Lenin ist ein Mythos", sagt der Philosoph Andreas Arndt. "Mythen haben nun mal die Eigenschaft sich sehr stark zu verselbstständigen."
Es gebe den positiven Mythos, der im Verlauf der russischen Oktoberrevolution entstanden sei. Ähnlich wie nach der Französischen Revolution hätten sich nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zusammenbruch der alten Weltordnung große Hoffnungen mit diesem Jahrhundertereignis verbunden.
"Ein solcher Enthusiasmus verknüpft sich dann auch ganz stark mit Personen und das war Lenin – auch wenn er weniger getan hat, als man ihm zugeschrieben hat."

Historische Figuren werden überschätzt

Solche Ereignisse würden nicht von einzelnen Personen gesteuert, so Arndt. Lenin habe in einer Situation agiert, in der vieles unkontrolliert und spontan abgelaufen sei. "Er hatte gar nicht diese großen Handlungsmöglichkeiten."
Linke Kritiker wie die Sekretärin der Kommunistischen Internationale, Angelica Balabanoff, hätten Lenin schon damals vorgeworfen, dass seine Politik – "Der Zweck heiligt die Mittel" – die Revolution verrate.
"Das kann man ihm sicher vorwerfen, aber es gibt eben auch einen negativen Mythos, der sich spiegelbildlich zum positiven Mythos verhält", sagt Arndt. So werde Lenin für alles Mögliche verantwortlich gemacht, was Teil der historischen Prozesse gewesen sei.
Arndt fordert, die Mythen beiseite zu räumen, die historische Figur Lenin nüchterner zu betrachten und die damaligen Ereignisse eher im Lichte des Bürgerkrieges anzusehen.
(gem)

"Verehrt, verklärt, vergessen? Mythos Lenin - ein Beitrag von Gesine Dornblüth:
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