Ruhrtriennale: "Projecting Space"

Meditation auf dem Minibagger

Menno Vandevelde (li.) und Márcio Kerber Canabarro in "Projecting Space"
Márcio Kerber Canabarro (re.) meditiert auf dem Minibagger © Laura van Severen
Von Stefan Keim · 31.08.2017
Die US-amerikanische Choreographin Meg Stuart zeigt bei der Ruhrtriennale ihr neues Tanzstück "Projecting Space". In dem stillgelegten Bergwerk Zeche Lohberg in Dinslaken zeigen die Tänzer eine originelle Performance zwischen Meditation und Ekstase.
Die Tänzer sind schon da, bevor die meisten Besucher hinschauen. Zwei klettern auf einem Auto herum und schmücken es mit Bändern. Ein Mann in Badehose und eine Frau im Bikini rasen auf Fahrrädern über die Industriebrache. Der Übergang vom Ankommen des Publikums zur Vorstellung "Projecting Space" bei der Ruhrtriennale ist gleitend.
Zwischen großen Pfützen auf dem matschigen Vorplatz des Spielortes entstehen rätselhafte Bilder. Ein Tänzer sitzt auf einem Minibagger, regungslos, ganz in sich versunken. Gearbeitet wird längst nicht mehr auf der Zeche Lohberg in Dinslaken. So entstehen gedankliche Freiräume, vielleicht steht die Meditation auf dem Minibagger für ein harmonisches Miteinander von Mensch und Maschine.
Roberto Martínez und Márcio Kerber Canabarro in "Projecting Space"
Roberto Martínez (li.) und Márcio Kerber Canabarro in "Projecting Space"© Laura van Severen
Meg Stuart und ihr Ensemble haben einige Wochen lang im vor zwölf Jahren stillgelegten Steinkohle-Bergwerk gearbeitet. Im Gegensatz zur anderen Hallen des Ruhrgebietes ist die Zeche Lohberg nicht als Industriedenkmal hergerichtet worden. Hier sind noch direkt die Spuren der Arbeit zu sehen. Nun folgen die Premierengäste den Tänzern nach dem Prolog zwischen den Pfützen in die riesige Halle.

Das Fragmentarische ist Programm

Ein gewaltiger Reifen schwingt an einer Kette. Das Publikum hat etwas Zeit, um sich umzusehen. Dann gehen die Tänzer mit offenen Händen auf einzelne Zuschauer zu, verwickeln sie interaktiv in kurze Choreographien. Auch Meg Stuart mischt sich unter das Ensemble und zieht sich nach einiger Zeit wieder zurück auf die Position des Beobachters. Die Compagnie besteht aus Individuen, jeder hat eine eigene Bewegungssprache und setzt Impulse. Das Fragmentarische ist Programm. Meg Stuarts Bilder bleiben bewusst unscharf, sind Anstupser zum Weiterdenken und Weiterfühlen. Doch am Ende gibt es einen Bruch.
Als der Rhythmus wieder einheitlicher wird, verschwindet die Individualität. Das Ensemble peitscht sich zu einer wilden Party hoch und erinnert an ein ekstatisches Naturvolk. Das ist zwar effektvoll, aber die Freiheit der Fantasie ist damit zerstört. Am Ende sitzen die Tänzer draußen um ein Lagerfeuer, während hinter ihnen farbiger Rauch in die Nacht schwebt. Ein zu gefälliger Schluss für eine über weite Strecken anregende und originelle Performance.
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