Jelineks "Kein Licht" bei Ruhrtriennale

Ein König, der nicht weiß, was Sache ist

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Mezzosopran Olivia Vermeulen in Nicolas Stemanns Inszenierung "Kein Licht" bei Ruhrtriennale © Caroline Seidel/Ruhrtriennale
Von Stefan Keim · 25.08.2017
Bei der Ruhrtriennale feierte Nicolas Stemanns Inszenierung von Elfriede Jelineks und Philippe Manourys "Kein Licht" Uraufführung: Es geht um eine ausgelöschte Welt und einen tumben, unschwer als Donald Trump erkennbaren König - ein großer Theater-Bauchladen kluger Gedanken.
Die Welt ist nicht verwüstet. Sie ist ausgelöscht. Keine Töne dringen mehr ans Ohr, Dunkelheit überall. Aber da lebt noch was. Etwas, das spricht. Zwei Wesen – vielleicht Geister, Schatten oder klassische Musiker – sprechen über sich als erste und zweite Geige. Auf die Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 reagierte Elfriede Jelinek mit einem garstigen, boshaft ironischen Nachtstück. "Kein Licht" ist nun ergänzt durch zwei weitere Jelinek-Texte zu einer vollgepackten Musiktheaterperformance geworden, einem Thinkspiel, wie es der französische Komponist Philippe Manoury nennt.
Komponist Philippe Manoury bei der Ruhrtriennale
Komponist Philippe Manoury bei der Ruhrtriennale © Caroline Seidel/Ruhrtriennale
Manoury ist ein Pionier der elektronischen Musik. Er kombiniert Klänge aus dem Computer – einmal sogar Musik, die ohne menschliche Zutat so lange von einem Programm weiter komponiert wird, bis Manoury auf die Taste drückt – mit einer vibrierenden, dissonanten, sich den Worten anschmiegenden, sinnlichen Partitur. Vier grandiose Gesangssolisten, ein Vokalquartett und die United Instruments of Lucilin unter Leitung von Julien Leroy leisten Großes.

Szenische Opulenz

Im berührendsten Moment hilft allerdings eine große Vorlage, Zarathustras Nachtwandlerlied aus Gustav Mahlers dritter Symphonie, elektronisch verfremdet. Die Altistin Christina Daletska singt "O Mensch! Gib Acht", während sie langsam eine Treppe in der Gebläsehalle des Landschaftsparks Duisburg-Nord hochsteigt. Nach dem Trommelfeuer an Ideen, der szenischen Opulenz und der Spielwut des Darstellerduos Caroline Peters und Niels Bormann ist so ein stiller Moment sehr wichtig.
Sonst beherrscht die ironische Ebene die Aufführung, mal mit Wut unterfüttert, mal ins Alberne entgleitend, was das Think-Spiel enorm unterhaltend macht. Da erobert Zeichentrickfigur Atomi in Projektionen die Wände, und die Schauspieler klettern auf überfluteter Bühne in große Ballons und werden zu Elementarteilchen.

Ein perfekt dressierter Hund

Zweimal ergreift Komponist Manoury das Wort und berichtet zum Beispiel davon, dass nach dem Ausstieg aus der Kernenergie in Deutschland die CO2-Belastung doppelt so hoch sei wie in Frankreich. Es ist halt alles nicht so einfach. Ein perfekt dressierter Hund, dessen Bellen und Jaulen elektronisch verfremdet wird, weist darauf hin, dass es hier nicht nur um menschlichs Leben geht.
Niels Bormann in Nicolas Stemanns Inszenierung "Kein Licht" bei der Ruhrtriennale
Niels Bormann in Nicolas Stemanns Inszenierung "Kein Licht" bei der Ruhrtriennale© Caroline Seidel/Ruhrtriennale
Jelineks neuer, für diese Aufführung entstandener Text über Donald Trump "Der Einzige, sei Eigentum (Hello Darkness, my old friend)" beschreibt einen König, der nicht weiß, was Sache ist und am liebsten die Macht gleich wieder los werden würde. Und kurz vor dem Ende fliegt die Erde in die Luft. "Kein Licht" ist einer dieser faszinierenden, assoziationsreichen Theaterabende Nicolas Stemanns, der durch die Musik noch einige weitere Schichten enthält.
Wer nicht thinken will, kann fühlen. Oder hören oder grinsen. Ein großer Theater-Bauchladen kluger Gedanken und spontaner Empfindungen.

Weitere Termine: 26., 27. August, 1., 2., 3. September
in der Gebläsehalle Landschaftspark Duisburg Nord
weitere Informationen auf der Website des Festivals

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