Rücküberweisungen von Migranten in Heimatländer

Auch soziale Werte werden transferiert

Migranten aus Zentralamerika laufen bei Guadalajara im Norden Mexikos entlang der Zuggleise in Richtung US-amerikanischer Grenze
Migranten aus Zentralamerika laufen bei Guadalajara im Norden Mexikos entlang der Zuggleise in Richtung US-amerikanischer Grenze © AFP/ Ulises Ruiz
Tobias Stöhr im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 24.04.2018
Noch nie haben Migranten so viel in ihre Heimatländer überwiesen wie im vergangenen Jahr: 379 Milliarden Euro. Welchen Entwicklungseffekt solche Gelder haben, ist umstritten. Tobias Stöhr vom Kieler Weltwirtschaftsinstitut erklärt, warum er die Sache positiv sieht.
379 Milliarden Euro haben Migranten laut Weltbank im vergangenen Jahr in ihre Heimatländer überwiesen, so viel wie noch nie. Die weltweite staatliche Entwicklungshilfe liegt dagegen nur bei etwa 150 Milliarden.
Sind diese privaten Gelder die bessere Entwicklungshilfe? Oder schaden sie letztlich einem Entwicklungsland, weil es oft die besser Qualifizierten sind, die das Land verlassen?
"Das kommt ein bisschen darauf an, wie wir Entwicklung definieren", sagt Tobias Stöhr vom Institut für Weltwirtschaft in Kiel. "Definieren wir Entwicklung als reines Wirtschaftswachstum, dann ist es sehr, sehr schwierig, das zu messen. Denn man weiß nicht, wie wäre die Einkommenssituation, wie wäre die Geldmenge usw. in dem jeweiligen Land gewesen, wenn es keine Migration gegeben hätte?"

Migration die "effektivste Form der Armutsreduktion für die Einzelperson"

Hinsichtlich der von der UN ausgegebenen nachhaltigen Entwicklungsziele seien aber auf jeden Fall Entwicklungseffekte zu sehen: zum Beispiele eine starke Armutsreduktion, bessere Gesundheit, langfristig auch bessere Bildung. Aus Sicht der Ökonomen sei Migration die effektivste Form der Armutsreduktion für die Einzelperson.
"Stellen Sie sich vor, Sie sind Krankenschwester in Ghana, relativ gut ausgebildet, können relativ einfach im britischen Gesundheitssystem besipielsweise unterkommen. Dann können Sie durch die Migration dorthin ihr Einkommen verdoppeln bis vervierfachen", so der Kieler Entwicklungsökonom. "Das sind natürlich Effekte, die können Sie mit klassischer Entwicklungshilfe kaum erzielen. Da reden wir von erfolgreichen Projekten, die das Einkommen um ein paar Prozentpunkte pro Jahr vielleicht erhöhen."
Ein krankes Kind liegt in einem Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen in Malakal im Südsudan.
Ein krankes Kind liegt in einem Krankenhaus der Ärzte ohne Grenzen in Malakal im Südsudan.© AFP / Albert Gonzalez Farran
Die Frage sei allerdings, ob die Gesellschaft als Ganzes davon profitiere. Denn es seien üblicherweise nicht die Ärmsten, die sich die Auswanderung leisten könnten, sondern die Mittel- und Oberschicht. "Sodass die Schere in diesen Gesellschaften erstmal auseinandergeht. Global gesehen sinkt aber durch die Rücküberweisungen die Ungleichheit. Insofern ist das aus meiner Sicht keineswegs etwas Schlechtes, wenn Leute durch die Rücküberweisungen einen höheren Lebensstandard erzielen können."

Auch soziale Werte werden "rücküberwiesen"

Hinzu kommt, dass Migranten nicht nur Geld in die Heimat überweisen, sondern auch Werte: "Zum Beispiel: Ich beteilige mich nicht an Korruption, da ich gesehen habe, dass es auch anders geht." Auch zwischen Familienplanung und Migration sieht Stöhr einen Zusammenhang: "Man sieht, dass Angehörige von Familien, die beispielsweise einen Cousin im Ausland haben, in Europa, dass die weniger Kinder bekommen."
(uko)
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