Rudolf Borchardts "Weltpuff Berlin" in Frankfurt präsentiert

"Eine MeToo-Parodie auf den Literaturbetrieb"

Rudolf Borchardt in einer historischen Porträtfotografie
Mit seinem pornografischen Roman "Weltpuff Berlin" versetzt Rudolf Borchardt den Literaturbetrieb in Wallungen. Peinlich, meint unser Literaturredakteur Kolja Mensing. © picture-alliance / akg-images
Kolja Mensing im Gespräch mit Frank Meyer · 11.10.2018
Völlig überraschend verkündete der Rowohlt Verlag auf der Frankfurter Buchmesse die Veröffentlichung des Romans "Weltpuff Berlin" aus dem Nachlass von Rudolf Borchardt. Die Präsentation geriet allerdings zum Herrenabend.
Die Kündigung der Verlegerin Barbara Laugwitz bei Rowohlt beschäftigt die Branche seit Wochen. Viele Autorinnen und Autoren des Hauses protestierten gegen die für sie völlig überraschende Personalie und beschwerten sich über die Informationspolitik des Hauses.

Ein Porno als Coup

Entsprechend lag bei einer Abendveranstaltung des Verlags im Rahmen der Frankfurter Buchmesse "eine gewisse Spannung" in der Luft, wie Dlf-Kultur-Redakteur Kolja Mensing berichtet. Interna aus dem Haus standen allerdings nicht auf der Tagesordnung.
Dafür stellte Alexander Fest in einem selbstbewussten Auftritt einen "kleinen, aus seiner Sicht aber gewaltigen Coup" des Hauses vor: So veröffentlicht der Verlag als Überraschung zur Buchmesse einen 80 Jahre alten Roman von Rudolf Borchardt: Ein "erotischer Roman, ein pornografischer Roman" mit dem plakativen Titel "Weltpuff Berlin".

Ein schmieriger Abend

Dass dieser Roman im Nachlass existiert, sei zwar bekannt gewesen, erklärt Mensing. Doch hatten sich die Erben bislang gegen eine Veröffentlichung gesperrt. In Mensings Augen geriet der Abend allerdings zum Debakel:
"Ehrlich gesagt: Das war eine ganz, ganz peinliche Veranstaltung. Nicht mehr ganz so junge Männer - Verleger, Journalisten, sogenannte Borchardt-Experten - schwärmten mit Blick auf ‚Weltpuff Berlin‘ von einem ‚saftigen Porno‘, von ‚deftigen Details‘ und - das Schlimmste dann - von einer angeblich ‚berührenden Deflorationsszene‘, die man doch bitte alleine lesen möge. Das war tatsächlich schlimmer als alles, was Karasek und Reich-Ranicki in ihren schlechtesten Momenten in den 80er-Jahren zusammenfantasiert haben. Ganz schlimm. Und das hatte auch so was Unwirkliches. So was Real-Satire-Artiges. Als ob man in so einer Art MeToo-Parodie auf den Literaturbetrieb gelandet ist. Am Ende blieb bei mir der Eindruck: Mit Barbara Laugwitz wäre dieser Abend garantiert nicht so gelaufen. Ich glaube: Rowohlt hat da gestern Abend ein kleines Eigentor geschossen." (thg)
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