Roman zum "vermeintlichen" Todestag

Elvis lebt als Double seiner selbst

Elvis spielt Gitarre bei einem Konzert in Texas.
Wollte Elvis lieber sterben und ein normales Leben führen? © imago stock&people
Tobias Geigenmüller im Gespräch mit Andrea Gerk · 16.08.2017
Elvis lebt! Diese verbreitete Verschwörungstheorie hat der Autor Tobias Geigenmüller ernstgenommen - und einen Roman darüber geschrieben. Wie sähe Elvis' Leben aus, wenn er seinen Tod vor 40 Jahren tatsächlich nur inszeniert hätte?
Andrea Gerk: Heute vor 40 Jahren starb Elvis, aber Sie kamen einen Tag später zur Welt. Hatten Sie trotzdem schon als Kind das Gefühl, da gibt es irgendeine besondere Verbindung, über die Sterne oder weiß ich, was?
Tobias Geigenmüller: Es klingt wie ein Marketing-Gag, aber es ist wirklich wahr. Ich wurde wirklich am 17. August 1977 geboren, eben an dem Tag, an dem mein Buch auch beginnt und Elvis dann vor dem Fernseher sitzt und sich die Nachrichten anschaut über seinen eigenen Tod und sich freut, dass er mal wieder größer ist als die Beatles und die Rolling Stones und all die anderen, die ihn mittlerweile abgehängt hatten.
Und ich hatte schon auch früher irgendwie das Gefühl, eine Verbindung zu ihm zu haben. Aber das hat sich natürlich jetzt mit dem Buch noch mal verändert, und ich habe jetzt viel mehr Elvis-Artikel auch noch bei mir auf dem Schreibtisch stehen. Ich war vorher kein übermäßiger Elvis-Fan, aber über die Arbeit und über die ganze Recherche am Buch hat sich das schon noch mal gesteigert.
Gerk: Bei Ihnen will Elvis ja tatsächlich sterben, um ein normales Leben zu führen. Er inszeniert dieses Dahinscheiden und will es dann erstmal als Lieferwagenfahrer probieren, und kehrt dann aber doch rasch zu seinen wahren Talenten zurück und wird so ein sehr erfolgreicher Elvis-Double-Darsteller. Und diese Idee haben ja tatsächlich einige von diesen Leuten, die Verschwörungstheorien über sein Weiterleben anhängen. Was gibt es denn da noch alles für Geschichten?

Realität und die Fiktion verwoben

Geigenmüller: Das fand ich auch so spannend, dass ich eben die Realität und die Fiktion verweben konnte, und dass ich auch zum Beispiel den ersten Artikel, der in Amerika ganz groß wurde, wo über so einen Elvis-Sichtung berichtet wurde, dass ich den auch aufgreife, und dass ich damit spiele, dass ich eben diese Hausfrau, die ihn damals gesehen hatte, auch wirklich bei mir einbaue, und seinen ehemaligen Manager so einbaue, dass er mit dabei ist und eben drauf reagiert und ihn jagt in so einem bestimmten Gebäude, wo er angeblich wohnen sollte, wo er aber nicht mehr lebte dann zu der Zeit.
Das war ganz spannend für mich, mit diesen ganzen Sachen zu spielen. Es gibt da ganz viele Geschichten. Man sagt auch teilweise, er wurde von Außerirdischen entführt und muss jetzt Nacht für Nacht auf dem Mars spielen. Er wurde vom FBI rekrutiert als Agent.
Gerk: Oder soll als Ranger, habe ich vorhin noch gelesen, in Argentinien leben.
Geigenmüller: Ja, das ging wirklich los nach diesem Artikel 1987, dass da plötzlich die absurdesten Auswüchse zustande kamen und dass es ganze Sondersendungen gab im amerikanischen Fernsehen auch über irgendwelche Elvis-Sichtungen, wo er irgendjemand in einer Bar getroffen haben soll, und so. Das fand ich spannend.
Ich fand es sowieso spannend mit allem, was man so benutzen konnte, auch später die Ehe von seiner Tochter mit Michael Jackson eben so zu nehmen, wie es wirklich hätte sein können, wenn Elvis noch gelebt hätte. Und diese Elvis-Imitator-Sache zum Beispiel, das ist ein Gerücht, das es schon gab. Aber im Buch werden eben auch ganz viele Geschichten thematisiert, die sich wirklich so mit der Realität auseinandersetzen, dass man eben ihn darauf reagieren lässt, wie seine Exfrau plötzlich eine weltbekannte Schauspielerin wurde, und wie er eben das so nimmt.
Gerk: In "Die nackte Kanone".
Geigenmüller: Genau.
Gerk: Sie haben ja eben sich, wie Sie es schon beschreiben, richtig in sein Leben vertieft. Was ich interessant fand, ist, dass er bei Ihnen, wenn man Ihr Buch liest, wahnsinnig sympathisch wirkt und eben auch sehr humorvoll. Zum Beispiel am Anfang, als er da dieses Lieferwagenfahren beginnt, da knöpft er sich den Besitzer dieses Betriebs vor, der so ein weißer Rassist ist, und führt den eben so richtig vor. Wie sind Sie denn zu diesem Bild von Elvis gekommen, dass er eigentlich so ein richtig netter Typ war?
Geigenmüller: Ich glaube, dass Elvis ein sympathischer, charmanter Typ war. Das sieht man, wenn man sich ein YouTube-Video von ihm auf der Bühne anguckt. Der hatte Charme wie kaum jemand anderes, und der hatte auch Humor, das ist auch nicht erfunden. Der hat zum Beispiel so Sachen gemacht, wie, dass er jemanden gerufen hat im Hotel, den Pagen, und meinte, sein ganzes Zimmer, die ganzen Möbel seien plötzlich weg gewesen. Die hat er vorher rausräumen lassen. Dann ist der Page daraufhin zum Hotelchef gegangen, und er hat alles wieder rein räumen lassen in der Zeit, wo der weg war. Dann kam der Page mit dem Hotelchef zurück, und plötzlich war eben alles wieder an seinem Platz.
Der hat so ganz viele Streiche gemacht, und der war eben auch wirklich so. Der ist aber natürlich auch sympathisch, weil ich ihn selbst auch liebe. Mir ging es nicht darum, ihn jetzt irgendwie schlecht zu machen und mich so in seiner Tablettensucht zu suhlen oder so was. Sondern ich wollte schon auch zeigen, das ist ein toller Typ. Und es ist ja auch letztendlich ein nachvollziehbarer Wunsch von ihm, ein normales Leben anzufangen, nachdem er so einen absurden Weltruhm hatte. Das ist ja gar nicht so von der Hand zu weisen, dass man so was vielleicht als Erstes machen würde an seiner Stelle.

Zerbrochen am Ruhm des Weltstars

Gerk: Das thematisieren Sie ja auch relativ am Anfang gleich, dass, wenn man alles hat, das eben auch nicht alles ist. Er zerbricht ja auch an diesem Ruhm, an der Enge, die das auch mit sich bringt, wie viele so berühmte. Das sind eigentlich auch traurige Geschichten, oder?
Geigenmüller: Ja. Man muss sich vorstellen, dass der so berühmt war, dass die Leute, während er im Kino saß und den ganzen Kinosaal extra mieten musste, draußen sein Auto auseinandergenommen haben wie die Piranhas. Der konnte ja wirklich nirgendwo mehr hingehen, und ich glaube schon, dass man auch merkt, man träumt immer davon, dass es so toll sein muss, berühmt zu sein. Aber ich glaube, wenn man berühmt ist, und so berühmt vor allen Dingen, wie Elvis war, dann merkt man auch, dass es vielleicht gar nicht so toll ist, dass man vielleicht gar nicht so viel davon hat, und dass man trotzdem noch ein ganz normaler Mensch ist.
Ich glaube, gerade dieser Gegensatz macht diese Leute auch oft kaputt. Auch Michael Jackson zum Beispiel ist ja auch eine tragische Figur letztendlich. Und bei Elvis hatte man am Ende gesagt, das Einzige, was er jetzt noch machen kann, ist Sterben. Das hatte seine Entourage, die Memphis-Mafia, damals gesagt.
Gerk: Wenn man sich zum Beispiel im Internet Videos anschaut von dem Stück, das wir eben gehört haben, "Suspicious Minds", wie er das in Las Vegas spielt, und wenn man dann noch Ihr Buch gerade dazu gelesen hat und sich klar macht, dass der ja jahrelang jeden Abend quasi in Las Vegas aufgetreten ist – das ist ja auch so eine Maschinerie, diese Unterhaltungsindustrie, die die Leute ja eigentlich nur kaputt machen kann, oder?
Geigenmüller: Über 600 Konzerte hat er da gespielt, und das war natürlich irgendwann Routine. Eigentlich war das sein supergroßes Comeback. Er hatte ein Jahrzehnt lang nur Filme gemacht und hatte auch darunter gelitten, weil er halt wusste, es gibt am Markt so eine Redewendung, dass es gute Filme gibt, und es gibt Elvis-Presley-Filme.
Und trotzdem war der teurer als Marlon Brando, als Marilyn Monroe, als all seine Helden eigentlich. Aber er hat es nie geschafft, so ein ernst zu nehmender Schauspieler zu werden. Und dementsprechend – klar, das hat schon auch irgendwie was Trauriges. Und nach diesem großen Comeback dann 600 Konzerte zu spielen, ist, glaube ich, irgendwann einfach – da fühlt man sich dann auch nicht mehr so richtig gut dabei.
Gerk: Jetzt gibt es ja schätzungsweise, habe ich gelesen, 85.000 Elvis-Doppelgänger. Jedes Jahr pilgern die Massen nach Graceland – also nicht nur jetzt, wo dieses runde Jubiläum seines Todestags ist. Was, glauben Sie, fasziniert die Menschen immer noch so an ihm?

"Elvis ist einfach eine Marke, die niemals sterben kann"

Geigenmüller: Ich glaube, Elvis ist einfach eine Marke, die niemals sterben kann, weil der so groß war, er hat die gesamte Popkultur eigentlich erst begründet. Selbst John Lennon hat mal gesagt: "Before Elvis there was nothing". Es hätte vielleicht die Beatles und die Rolling Stones überhaupt nicht gegeben ohne Elvis. Und deswegen ist es auch kein Wunder, dass der immer noch so groß ist, weil er einfach ein Stück Zeitgeschichte ist und irgendwie größer als das Leben, würde ich mal sagen, größer als die Geschichte.
Der Ire Grahame Patrick bereitet sich am 06.01.2015 in Berlin für die Probe zu dem Musical "Elvis - Das Musical" als Doppelgänger des US-amerikanischen Sängers Elvis Presley vor. Patrick wird zum 80. Geburtstag von Elvis am 8. Januar in dem Musical im Hotel Estrel in Berlin als Elvis' Doppelgänger auftreten. Foto: Stephanie Pilick/dpa | Verwendung weltweit
Elvis Doppelgänger© dpa
Gerk: Haben Sie denn schon von irgendwelchen Fanclubs oder Fans auch Reaktionen auf dieses Buch gekommen, oder ist für die so etwas Heiligenschändung?
Geigenmüller: Ich bin mir nicht sicher, ob es für manche vielleicht so was sein könnte. Ich glaube aber, zum Beispiel Elvis selbst hätte mein Buch super gefunden. Und ich würde mir auch wünschen, dass Priscilla und Lisa Marie das lesen und auch toll finden. Ich glaube eigentlich, wenn man es mit Humor nimmt – und ich habe ihn ja liebevoll beschrieben –, dann findet man das Buch toll.
Und ich kenne auch ganz große Elvis-Fans, unter anderem Helmut Radermacher, das ist der Gründer des ersten Elvis-Fanclubs in Deutschland, der auch heute noch Elvis-Reisen veranstaltet in die USA, unter anderem auch jetzt gerade, nach Graceland. Der zum Beispiel fand das Buch ganz toll. Und ich dachte mir, wenn der das Buch toll findet, dann ist mir eigentlich auch egal, ob es dann vielleicht noch ein paar Trolle gibt, weil die gibt es letztendlich immer, egal, was man in der Öffentlichkeit macht.
Gerk: Waren Sie denn überhaupt auch, habe ich ganz vergessen zu fragen, sind Sie auch hingereist und waren in Graceland? Oder gönnen Sie sich das noch?

"Leider war ich bisher noch nicht in Graceland"

Geigenmüller: Ich bin jetzt immerhin auf dem European Elvis Festival hier in Bad Nauheim, das findet ja bald statt. Aber leider war ich bisher noch nicht in Graceland. Ich würde es mir aber überlegen. Ich habe jetzt zwei kleine Kinder, deswegen ist es vielleicht ein bisschen ungünstig, die Reise gerade so mit der Familie zu machen. Aber vielleicht mache ich es schon noch mal. Ich hatte eigentlich die Hoffnung, dass Priscilla mich persönlich einladen würde.
Gerk: Genau. Wenn es dann verfilmt wird, Ihr Buch. Tobias Geigenmüller, vielen Dank, dass Sie hier bei uns waren!
Geigenmüller: Vielen Dank Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandfunk Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.

Tobias Geigenmüller: "Das ziemlich lebendige Leben des vermeintlich toten Elvis"
Rowohlt Berlin, 2017
256 Seiten, 19,99 Euro

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