Roman von Louis Begley

Der erste Krimi des Juristen

Louis Begley zu Gast im Deutschlandradio Kultur 2013
Erst nach seiner Juristen-Karriere widmete sich Louis Begley der Literatur. Im Deutschlandradio Kultur war er 2013 zu Gast. © Deutschlandradio/Bettina Straub
Von Gerrit Bartels · 09.01.2015
Der gelernte Jurist Louis Begley war weit über 50 Jahre alt, als er mit einem Roman debütierte. In Begleys erstem Krimi "Zeig Dich, Mörder" sucht der Held und Ich-Erzähler nach den wahren Gründen für den Tod seines Onkels.
Mit seinem Gewissen sei er im Reinen, gesteht der Held und Ich-Erzähler von Louis Begleys Roman "Zeig dich, Mörder" gleich zu Beginn. "Manche werden meinen, ich hätte mich an die Regeln halten sollen – auf das Strafrecht vertrauen und hinnehmen, dass der Mörder Strafmilderung gegen Schuldbekenntnis aushandelt", sagt der Schriftsteller und einstige Marine und Irak-und Afghanistan-Kriegsveteran Jack Dana: "Sei´s drum. Ich verachte Feiglinge und scheinheilige Weicheier und ihre selbstgefällige Naivität."
Hier geht es kräftig zur Sache, denkt man bei solchen ersten Sätzen gleich, hier wird Moral gegen Rambo-Manieren abgewogen, hier werden Fragen zu Recht und Gerechtigkeit verhandelt, ein Terrain, auf dem sich der gelernte Jurist und spätberufene, erst im Alter von 56 Jahren mit dem Buch "Lügen in den Zeiten des Krieges" debütierende US-Schriftsteller Begley zumal gut auskennt. Tatsächlich hat Begley mit "Zeig dich, Mörder" erstmals einen Kriminalroman geschrieben, der sich aber nach diesem furiosen Beginn zunächst sehr gemächlich anlässt. Dana stellt sich und sein Leben in New York City vor: wie er nach dem Militär zum Schriftsteller wurde, zum Beispiel. Oder was ihn nach dem Tod seiner Eltern für eine enge Beziehung zu seinem erfolgreich für die Anwaltskanzlei J & W tätigen Onkel Harry verbindet.
Auf der Spur eines Komplotts
Mitten in Begley-Country geht es da also hin und her zwischen Elite-Universitäten und den Hamptons, zwischen Upper-West-Side-Kanzleien und dem Literaturbetrieb. Nachdem man sich irgendwann inständig fragt, was die ganze Kriegsveteranen-Vorgeschichte des Erzählers eigentlich soll, wohin die Erzählreise hier überhaupt geht, entwickelt sich nach knapp einem Drittel des Romans die Kriminalgeschichte: Onkel Harry hat sich in seinem Haus in Sag Harbor, Long Island erhängt.
Weil aber sein geliebter Kater Pluto ebenfalls tot und mit grausam verdrehten Kopf daneben liegt, glaubt Jack Dana nicht an Selbstmord – und auch nicht an die plötzliche Demenz, die Onkel Harry seinen Beruf an den Nagel hängen ließ, so wie es ihm nicht zuletzt die Kollegen aus seiner Kanzlei nahegelegt hatten. Dana ist einem Komplott auf der Spur, ausgehend von Onkel Harrys Hauptklienten Abner Brown, einem milliardenschweren, politisch zweifelhaften und in unlautere Geschäfte verstrickten Unternehmer. Und er macht sich auf die Suche nach dem Mörder seines Onkels, immer schön zwischen Long Island, Manhattan und Washington DC pendelnd.
Unerwarteter Kitsch
Besonders spannend ist das leider alles nicht, dafür liegt der "Fall" doch ziemlich schnell offensichtlich dar, dafür hakt es auch an so mancher Stelle mit Zufällen und merkwürdigen Ungereimtheiten. Und dafür sind im Umfeld von Jack Dana Gut und Böse viel zu klar voneinander unterschieden, bis hin zu Onkel Harrys Schützling Kerry, in die sich Jack Dana sofort verliebt (und sie sich in ihn). Gerade auf die Jack-und-Kerry-Passagen hätte Begley besser verzichten sollen, sie sind von einer gestelzten Schlichtheit und einem Kitsch, den man von diesem Schriftsteller kaum erwartet hätte.
Interessant an diesem Roman ist vor allem die Frage, warum sich der Held mit aller Macht auf den Mörder seines Onkels stürzt und Rache sucht – und nur zögerlich auf dessen Auftraggeber. Das hat etwas sympathisch Archaisches: Auge um Auge, Zahn um Zahn, da lässt Jack Dana nichts drauf kommen. Traut Louis Begley dem Rechtssystem seines Landes nicht mehr über den Weg, insbesondere nach den Ereignissen von 9/11? Sind ihm da inzwischen zu viele Fallstricke enthalten? Das nicht unbedingt glückliche, die großen Bösen fast ungeschoren lassende Ende legt das nahe – und der Titel des Romans bekommt zudem eine beunruhigende Doppeldeutigkeit. Denn im juristischen Sinn wird letztendlich auch Jack Dana zum Mörder.

Louis Begley: Zeig dich, Mörder. Roman
Aus dem amerikanischen Englisch von Christa Krueger
Suhrkamp Verlag, Berlin 2015
302 Seiten, 19, 95 Euro

Mehr zum Thema