Roman über Ise Frank

Gropius´ beste Öffentlichkeitsarbeiterin

Ise Frank und Walter Gropius 1961 in Darmstadt
Ise Frank und Walter Gropius während der Eröffnung des Bauhaus-Archivs 1961 in Darmstadt. © picture alliance/dpa/Foto: Koll
Von Andreas Schäfer · 10.01.2019
Ise Frank, Ehefrau von Walter Gropius, war eine hervorragende Netzwerkerin - die männlichen Seilschaften im Bauhaus konnte sie dennoch nicht durchbrechen. Jana Revedin hat einen Roman über Frank geschrieben - und rückt sie damit ins rechte Licht.
"Ise Frank entdeckten wir gemeinsam mit meinen Meisterstudenten innerhalb unserer Studien zur Reform der Moderne."
Jana Revedin las in einem Seminar Bruno Tauts Buch "Die Frau als Schöpferin" von 1924. Daran ist nichts Ungewöhnliches, denn Revedin hat sich auf die Architektur der Moderne spezialisiert.
Vielsagend ist eher, dass selbst die Bauhaus-Spezialistin Revedin, als sie über die Lektüre auf Ise Frank stieß, so gut wie nichts über die zweite Frau des Bauhausgründers Walter Gropius wusste. Oskar Schlemmer, Kandinsky, Paul Klee, Mies van der Rohe und wie die Bauhaus-Legenden alle heißen. Aber Ise Frank?
"War das die Direktorengattin des Bauhauses, die Gäste empfängt? Oder war das eine viel tiefere, eine viel revolutionärere Figur, die sich wirklich für eine Emanzipation in der Zeit eigesetzt hat? Das hat mich nicht mehr losgelassen."


Ise Frank hatte als junge Frau schon als Journalistin und Buchhändlerin gearbeitet, als sie 1923 Walter Gropius auf einem Vortrag kennenlernt. Etwas zögernd lässt sich sie auf den wesentlich älteren "Rebellen-Architekten" ein – um sich dann, erst in Weimar, dann in Dessau, umso begeisterter mit der Bauhaus-Idee zu identifizieren.

Zitat: "Hier durfte man ausprobieren, korrigieren, neu beginnen, besser machen. Es war, wollte Ise einen Vergleich für ihr eigenes Metier finden, wie Texteschreiben im Kollektiv, und zwar mit einem Traumteam aus Kraus, Mann, Huxley und Virginia Woolf."
"Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus" von Jana Revedin
Jana Revedin hat einen Roman über den Werdegang von Ise Frank geschrieben.© DuMont Buchverlag/picture alliance/dpa/Foto: Mary Evans Picture Library

Vielschichtiges Porträt einer legendären Institution

Gestützt auf Quellen, hat Jana Revedin einen Roman über den Weg dieser Ise Frank geschrieben, der zugleich ein vielschichtiges Porträt der legendären Institution und ihrer nicht immer gerechten Verhältnisse ist. Von der Bauhaus-Ausstellung 1923 über den erzwungenen Umzug nach Dessau und die Einweihung der spektakulären Meisterhäuser bis zur Kündigung der Finanzierung des Flugunternehmers Junkers, womit schon der Anfang des später durch die Nazis erwirkten Endes 1933 eingeläutet wird. Man tanzt mit Oscar Schlemmer oder ist dabei, wenn Marcel Breuer den Freischwinger entwickelt.
Zitat: "Breuer hatte die Musterstücke im Archivregal erläutert: Aus den Stahlrohstücken entstanden Stehlampen oder ein Teetablett oder ein Handtuchhalter. ´Doch jetzt arbeiten wir an unserem ersten Stuhl, an einer ganzen frei-schwing-end-den Möbellinie.`"

"Männerseilschaften, die leider heute noch tragen"

Ise Frank war die beste Öffentlichkeitsarbeiterin, die sich Gropius hätte wünschen können, tat Finanzquellen auf und vernetzte jeden mit jedem. Aber sie hat auch die Einrichtung des Meisterhauses nach ergonomischen Prinzipien vorgenommen und als erste über die Arbeitsersparnis der Hausfrau Artikel geschrieben.
Über der Arbeit am Roman wurde Jana Revedin aber noch etwas anderes deutlich:

"Was mich in der Recherche ein wenig ernüchtert hat, war zu sehen, dass zwar Frauen zum Studium zugelassen waren, aber dass man den Frauen sehr schnell eine Nische zugewiesen hat – wie es heute nicht anders im Ausbildungs- und Arbeitsmarkt geschieht. Das sind Männerseilschaften, die leider auch noch heute tragen."
Natürlich ist in diesem Roman viel von Häusern, Glasflächen und offenen Grundrissen die Rede. Geschickt setzt Jana Revedin die "gläserne Wand" auch im Verhältnis zwischen den Figuren ein. Dass solche gläsernen Wände am Bauhaus zwischen den Geschlechtern existieren, macht der fesche Breuer Ise mit einer abfälligen Bemerkung über die Weberei früh deutlich: "Wen interessieren schon Lesbenteppiche."


Die durchsichtige Wand steht auch zwischen Ise und Walter Gropius. Er geht erotisch schnell eigene Wege. Ise verliert ein Kind – und zeitweise auch sich selbst.
Porträt von Jana Revedin
Jana Revedin lehrt als Professorin für Architektur in Lyon und in Paris.© Gernot Gleiss
Gropius ist für Ise oft nicht zu greifen – doch durch ihre Überidentifikation mit dem Bauhaus bindet sie sich auf schicksalhafte Weise umso enger an ihn. Erst diese zweite, dramatische Unterströmung bindet die vielen Szenen aus dem Bauhaus zu einem anrührenden Roman.
"Was das Drama in dieser Geschichte ist, ist, dass sie ihre eigene Entwicklung erst mal zurückstellt, in dem sie sich in eine größere Entwicklung einschreibt."

Fast wäre sie vergessen worden

Emanzipation Anfang der 20er-Jahre: Was hieß das eigentlich? Ise Frank hat das Bauhaus mitgestaltet, mit ihren Kontakten sorgte sie sogar dafür, dass nach der Schließung in Berlin ein New Bauhaus in Chicago gegründet werden konnte.
Dennoch wäre sie fast vergessen worden. Denn anders als ihre mondäne Freundin Irene Hecht, deren Fotos vom Studentenalltag heute noch bekannt sind, hinterließ sie kaum sichtbare Spuren. Und während ihr Mann nach der gemeinsamen Emigration in die USA zu Weltruhm gelangte, konnte sie nur noch unter seinem Namen publizieren.
Es ist der Verdienst dieses schmalen, aber reichen Romans, Ise Frank aus dem Halbschatten in Gropius´ Rücken endlich ins Licht gerückt zu haben.