Roman

Auf der Suche nach Nabokov

Der Autor Jens Sparschuh
Der Autor Jens Sparschuh © dpa / picture alliance / Woitas
Von Michael Opitz  · 28.04.2014
Der Protagonist dieses Romans begibt sich auf die Suche nach einem Detail aus dem Leben Vladimir Nabokovs. Diese Expedition bleibt zwar erfolglos, doch sie führt ihn zurück in die Wirklichkeit seines eigenen Lebens.
In dem 2012 erschienenen Roman "Im Kasten" des 1955 in Karl-Marx-Stadt geborenen Jens Sparschuh ist sich Hannes Felix sicher, wer helfend Einfluss nehmen könnte, um ein in Unordnung geratenes Leben wieder in jenen Zustand zu bringen, in dem alles seinen Platz hat: Es käme nur NOAH (Neue Optimierte Auslagerungs- und Haushaltsordnungssysteme) in Frage.
Der Gastdozent an einem amerikanischen Institut, der im Zentrum seines neuen Romans "Ende der Sommerzeit" steht, bräuchte ein ähnlich gut funktionierendes, die Dinge des Lebens ordnendes Unternehmen. Gern würde er Klarheit in einen Lebensabschnitt Vladimir Nabokovs bringen, denn dessen Skizze, die er in das einzig erhaltene Exemplar seines Romans "Verzweiflung" gezeichnet hat, gibt Rätsel auf.
Sparschuhs Ich-Erzähler erinnert sich an seine erste Liebe
Da wäre Olaf Gruber gefordert, der Spezialist für Wanderkarten aus Sparschuhs Roman "Eins zu eins" (2003). Da der aber dem "Nabokovianer" nicht zur Seite steht, muss sich der Gastdozent nach seiner Rückkehr aus den USA allein auf die Suche nach der Datscha machen, die sich Nabokov 1929 in der Nähe vom Ziestsee gekauft haben soll.
Die Karte, die Nabokov dem Kriminalroman beigelegt hat, erweist sich dabei als wenig hilfreich. Denn mit ihr täuscht er eine Spur nur vor. In Wirklichkeit verwischt er, was zum Ziel führen könnte. Wer glaubt, die Karte ließe sich benutzten, um ans Ziel zu kommen, verirrt sich.
Es kommt alles anders. Sparschuhs Ich-Erzähler findet nicht, was er sucht, aber er erinnert sich, an seine erste Liebe, die er fast vergessen hätte. Häufig war er als Jugendlicher in der Gegend in den Ferien, in der er nun ein Detail aus einem Nabokov-Roman zu entschlüsseln sucht. Als sich 1968 in der CSSR die Ereignisse überschlugen, verliebte es sich in Jitka. Und er nimmt wieder Kontakt zu Lea auf, einer alten Bekannten, der das Gartenhaus gehörte, das damals sein Feriendomizil war. So hat denn die vergebliche Suche nach jenem Fiktion bleibenden Ort doch noch etwas Gutes – sie führt den Protagonisten, der stets nach vorn will, zurück in die Wirklichkeit seines eigenen Lebens.
Dem eigenen Leben auf die Spur kommen
Als der Verzweifelte am Schluss des Romans Lea die Geschichte seiner missglückten Suchexpedition erzählt, sind sich beide einig: Viel ist es nicht. Er steht mit leeren Händen da. Denn Ergebnisse, die die Nabokov-Forschung weiterbringen, hat er nicht vorzuweisen. Entscheidend aber ist, dass er seinem eigenen Leben auf die Spur gekommen ist und das ist – philosophisch gesehen – vielleicht wirklich "alles" – zumindest alles, worauf es tatsächlich ankommt.
Der Umweg ist für Sparschuhs Held das Ziel. Nabokov verfehlt er und der, den er findet, den hat er nicht gesucht. Das Eigentliche liegt neben der Spur, die Sparschuhs Held verfolgt. Er hat seinem Protagonisten auf diesem argen Erkenntnisweg keine Steine, sondern reichlich Literatur (V. Nabokov und S. Freud) in den Weg gelegt. Über die stolpert nicht nur der Germanistikdozent, sondern auch der Leser.
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