Rolf Kühn gestorben

Mit warmem und strahlendem Ton

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Rolf Kühn, Jazzmusiker und Komponist, steht im Berliner Bezirk Charlottenburg auf einem Gehweg und hält seine Klarinette in der Hand. Er hat graue, zur Seite gekämmte Haare und trägt einen blauen Schal um den Hals.
Arbeitete auch als Dirigent und Komponist: Rolf Kühn. © picture alliance / dpa / Gregor Fischer
Matthias Wegner im Gespräch mit Martin Böttcher · 22.08.2022
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Trauer um eine Musiklegende: Rolf Kühn ist tot. Der Klarinettist spielte mit den Superstars des Jazz zusammen, sein Ton wird in Erinnerung bleiben. Seine Bedeutung für den deutschen Jazz war herausragend.
Der Jazzmusiker Rolf Kühn ist tot. Er starb im Alter von 92 Jahren in Berlin, wie die Familie, die Agentur und die Plattenfirma des Klarinettisten bekanntgaben.
Kühn galt als einer der wenigen deutschen Jazzmusiker von internationalem Ruf. Der gebürtige Kölner spielte mit Benny Goodman, John Coltrane und Chick Corea zusammen und gründete mehrere Bands. Er leitete außerdem das NDR-Fernsehorchester und war Musikalischer Leiter im Berliner Theater des Westens.
Kühn habe eine überragende Bedeutung für den deutschen Jazz gehabt, sagt der Musikjournalist Matthias Wegner: "Er hat es geschafft, 70 Jahre auf höchstem Niveau auf der Bühne zu stehen."

Der Vater war Akrobat

Kühn wurde am 29. September 1929 als Sohn eines Akrobaten in Köln geboren und wuchs in Leipzig auf. Eigentlich wollte er in die Fußstapfen des Vaters treten und trainierte als Kind jeden Tag. Um die akrobatischen Nummern aufzulockern, brachte sein Vater ihm verschiedene Instrumente mit.
Kühn probierte Akkordeon, Klavier, Saxofon und Hawaiigitarre aus - mit mäßiger Begeisterung. Bei der Klarinette war es dagegen "Liebe aufs erste Hören", wie er einmal in einem Interview sagte. Den Musikunterricht musste er heimlich nehmen: Seine Mutter war Jüdin, ihr Tabakladen wurde in der Pogromnacht von 1938 zerstört.
Rolf Kühn durfte nicht ans Konservatorium. Während seiner klassischen Ausbildung war es eine Benny-Goodman-Platte, die ihn für den Jazz begeisterte. Als 17-Jähriger erhielt er sein erstes Engagement, 1950 begann er eine Karriere beim RIAS-Tanzorchester in Berlin. Schon als junger Künstler entwickelte er einen warmen, strahlenden Ton, den Kritiker als unverwechselbar beschrieben.
Von Berlin aus zog es ihn 1956 nach New York. Dort stellte ihn der Pianist Friedrich Gulda dem Produzenten John Hammond vor, der schon mit Benny Goodman, Count Basie und Billie Holiday gearbeitet hatte.

Tour entlang der Ostküste

Hammond ermöglichte dem Deutschen seine erste Platte und ließ ihn mit einem neugegründeten Quartett die Ostküste entlang bis in die Südstaaten touren. Zurück in New York, kannte er bald alle Größen der Szene und spielte in den wichtigsten Clubs.
Dass ihm im naturgemäß sehr kritischen "Mutterland des Jazz" eine solche Karriere gelang, schrieb der Klarinettist selbst einer Mischung aus "Glück und einem sehr ausgeprägten Ehrgeiz" zu. 1962 kam er zurück nach Deutschland, wo Kühn Leiter des NDR-Fernsehorchesters wurde.
Außerdem begann er, als Dirigent und Komponist zu arbeiten. Er schrieb Musiken für Film und Fernsehen und war als musikalischer Leiter verschiedener Theaterhäuser tätig. Drei Mal wurde Rolf Kühn beim europäischen Jazz-Wettbewerb zum besten Klarinettisten gekürt. 2011 erhielt er den Echo für sein Lebenswerk, 2018 die German Jazz Trophy.

Liebenswürdig, charmant, wach, neugierig, klug

Zur Klarinette habe Kühn eine Liebesbeziehung gepflegt, sagt Wegner, der den Musiker immer wieder getroffen hat. Er sei ein echter Gentleman gewesen: "unglaublich liebenswürdig, charmant, wach, neugierig, klug", und man habe mit ihm sehr schöne Gespräche führen können.
Kühn starb den Angaben zufolge am 18. August. "Rolf wird immer als der inspirierende, sanfte, innovative und jung gebliebene Künstler und Mensch in Erinnerung bleiben, der er war", teilten seine Ehefrau Melanie und sein Bruder mit: "Er lebte ein erfülltes Leben, das bis zu seinem letzten Tag der Musik, der Kultur und der Freude gewidmet war."
(ahe/dpa)
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