Roisin Murphy

Ist das noch Disco?

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Die irische Musikerin Rosin Murphy © picture alliance / dpa / Starstock/Photoshot
Von Jutta Petermann  · 13.05.2015
Mit Moloko zelebrierte Roisin Murphy in den 90er-Jahren experimentellen Elektro-Pop. Auf ihrem neuen Soloalbum "Hairless Toys" gibt sie nun eine widerborstige Antwort auf das aktuelle Disco-Revival.
Acht Jahre sind vergangen seit dem letzten vollständigen Studioalbum, ihre beiden Kinder beanspruchten einen erheblichen Teil ihrer Aufmerksamkeit und Zeit, doch jetzt meldet sich Rosin Murphy mit ihrem bis dato herausforderndsten Werk „Hairless Toys" auf beeindruckende Weise zurück.
"Das ist keine reine Tanzmusik, das ist ein Stück reinsten Experiments."
Wie ein Gebirgsmassiv mit tiefen, zerklüfteten Schluchten ragt dieses Album heraus aus vielen anderen Elektro-Pop-Produktionen. Roisin Murphy wendet sich damit ab vom Hit-Appeal ihrer bisherigen Musik. Dunkle, majestätische Atmosphären mäandern durch "Hairless Toys", die mit fahrigen Midtempo-Beats, verwunschenen Chören unterlegt und frickelig, sphärische Syntheziserklängen gebrochen werden.
Das sind Sounds, die einen zwar in Bewegung bringen, aber eher nach innen führen, als das sie ein gedankenloses Abtanzen erzwingen. Gerade im aktuellen Disco-Revival wirkt „Hairless Toys" geradezu wiederborstig auch wenn Rosin Murphy darauf besteht, dass auch diese Musik Disco ist.
"Wir sind überfrachtet mit Disco. Wenn ich Disco sage, dann meine ich das so, wie die Leute in New York, die nennen sogar House Musik Disco, ich meine das jede Art von Tanzmusik in gewissem Sinne Disco ist und nicht nur die BeeGees oder Chic."
Roisin Murphy hat trotz ihrer Baby-Auszeit die Elektro-Szene beobachtet, um den Anschluss nicht zu verpassen. "Hairless Toys" ist als eine Art Antwort darauf zu lesen, dass es in der Tanzmusik ansonsten, wie sie findet, zu glatt zugeht.
"Ich habe komische Dinge bemerkt, die in den USA passieren. Dort entwickelt sich die elektronische Tanzmusik in Richtung Mainstream und sie wird auch zu geschmackvoll."
House, Jazz und manchmal sogar Country
Es ist ein offenes Album, ein sehr dichter, geradezu überladener Genremix, in dem neben House, Jazz und manchmal etwas sperrigen avantgardistischen Rumpelsounds sogar Country seinen Platz findet.
"Ich mag diese Art von Country-Sound, den seelenvollen Country, wie ihn Bobby Womack sang, sowas mag ich singen, aber da ist eher ein bisschen was von Fleetwood Mac dabei, ein bisschen 70er-Jahre Fleetwood Mac Americana, nicht so sehr ursprünglicher Country."
Das was an Hairless Toys so experimentell wirkt, entspringt erstaunlicherweise einer althergebrachten Herangehensweise an das Songschreiben. Einer Art Musik zu kreieren, die für Elektro-Pop-Musiker völlig ungewöhnlich ist. Das Programmieren linearer Sounds mit Beats und Bässen drunter, ergänzen Roisin Murphy und ihr langjährigen Partner Eddi Stevens erstmals durch Passagen, die sie an regulären Instrumenten komponiert haben.
"Für einige Songs haben wir uns ans Klavier gesetzt und es laufen lassen und er hat intuitiv gespielt und ich hab ganz intuitiv dazu gesungen und so sind Songs wie Exile oder Hairless Toys entstanden, aus diesem Prozess heraus."
Ein echtes Hybrid aus Elektro und Analog also und das intuitive, gedankenverlorene der Produktion schlägt sich auch auf den Charakter der Stücke nieder. Stimmungsvolle, selbstvergessene Momente mit vielen Brüchen zelebrieren Roisin Murphy und Eddi Stevens auf „Hairless Toys".
Im Zusammenspiel mit den Lichtreflexen der Diskokugel dürften diese Songs trotzdem funktionieren und ihre ganz eigene Magie entfalten, wenn auch eher zu den ganz späten oder den sehr frühen Stunden in den Clubs.
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