Röstel: Öffentliche Hand muss Verantwortung für Wasser tragen

Gunda Röstel im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Um ihre Kontrollfunktion wahrzunehmen, müssten die Kommunen stets die Mehrheit an Unternehmen der Wasserwirtschaft bei sich selbst halten, sagt die Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden GmbH, Gunda Röstel, angesichts des heute zu erwartenden Gerichtsurteils zur Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe.
Gabi Wuttke: Der Mensch braucht Wasser, und der Bürger will es zurück. In vielen Städten Deutschlands wird darum gekämpft, sich wiederzuholen, was die Politik verkauft hat. In Berlin fällt das Landesverfassungsgericht heute ein wichtiges Urteil, denn der Senat hatte vor über zehn Jahren 49,9 Prozent der Wasserbetriebe veräußert. RWE verdient gut an diesem Geschäft.
Heute wird über die Klage geurteilt, ob der Vertrag zwischen Käufer und Verkäufer offengelegt werden muss, um weiter dagegen vorgehen zu können. – Am Telefon ist jetzt Gunda Röstel, von 1996 bis 2000 war sie Vorstandssprecherin der Grünen, danach stieg sie aus der Politik aus und ist heute Geschäftsführerin der Stadtentwässerung Dresden. Guten Morgen, Frau Röstel.

Gunda Röstel: Guten Morgen, Frau Wuttke.

Wuttke: Stehen Sie dieser Klage zwiespältig gegenüber, oder haben Sie zur Forderung nach Akteneinsicht eine ganz klare Haltung?

Röstel: Zum Einen: Zum Fall konkret in Berlin kann ich wirklich nichts sagen, weil ich kenne weder die Verträge noch die ganz aktuelle Situation. Was ich gut verstehen kann, ist sicherlich, dass die Öffentlichkeit, mithin vor allem die gewählten Abgeordneten im Abgeordnetenhaus ein Mehr an Offenheit und Transparenz für sich einfordern. Nur muss man sehen, ob man da das Kind nicht mit dem Bade ausschüttet, denn auf der einen Seite – und davon gehe ich mal aus, dass das auch in Berlin so oder so ähnlich gelaufen sein wird wie an anderen Orten in unserer Republik – hat es zum Zeitpunkt dieser Ausschreibung damals in Berlin mit Sicherheit eine hohe Beteiligung der Öffentlichkeit, der gewählten Öffentlichkeit im Parlament und in der Verwaltung gegeben, was heißt, es hat mit Sicherheit hier eine Mitwirkung bei Vertragsausgestaltung und auch bei der Verfolgung der Geschäftstätigkeit gegeben bis heute. Dort sind ja im Aufsichtsrat, in den Aufsichtsgremien Verwaltungsvertreter auch drin, die hier sozusagen die Kontrolle ausüben. Also man muss sich ein bisschen fragen, was will man damit erreichen.
Und an einer Stelle, denke ich, ist sicherlich einiges zu leisten - ich hoffe, dass sich dann die Öffentlichkeit auch entsprechend dafür interessiert -, nämlich den Zusammenhang zu bieten, was bekommt der Bürger, die Bürgerin für den Preis, den man für den Kubikmeter Wasser in Berlin, in München oder sonst wo zu bezahlen hat. Hier muss man schon sagen, dass wir in der Wasserwirtschaft ein Mehr an Transparenz zu leisten haben werden, aber genau auf diesem Weg sind wir. Gemeinsam mit unseren Verbänden haben wir, ich glaube, in der letzten Woche ist es an die Öffentlichkeit gegangen, ein Instrument vorgestellt – das heißt Kundenbilanz -, wo wir detailliert erklären, wie der Preis sich für den Kubikmeter Wasser zusammensetzt. Das gilt dann sozusagen bundesweit als transparente Möglichkeit für den Bürger, hier eine Einsichtnahme zu bekommen und sich das auch zu erklären, weil ein reiner Preisvergleich – ich will das noch als Letztes hinzufügen -, ein schlichter Preisvergleich zwischen beispielsweise Berlin und München, der führt absolut in die Irre und sagt überhaupt nichts über die Effizienz eines Unternehmens aus.

Wuttke: Aber ich habe Sie richtig verstanden, dass Sie anmahnen, dass man vor zehn Jahren oder noch vor viel längerer Zeit nicht nur vonseiten der Politik, sondern auch vonseiten der Bürger zu wenig Wert darauf gelegt und viel zu wenig den Wert des Wassers an und für sich hochgeachtet hat?

Röstel: Ich glaube, es geht weniger um den Wert des Wassers als solches. Wasser ist Lebensmittel Nummer 1 und es verdient einfach, weil es nicht zu substituieren ist als Lebensmittel, einen ganz besonderen Schutz, eine ganz besondere Kontrolle und eine ganz besondere Aufmerksamkeit. Und meine persönliche Meinung hierzu ist auch deshalb, dass die öffentliche Hand deshalb hierfür auch die Verantwortung tragen soll und muss, und das drückt sich eben dann auch darin aus, dass sie in jedem Fall immer die Mehrheit – aber so ist das ja dann auch in Berlin – in den Unternehmen bei sich selbst halten soll. Es ist eigentlich so das wichtigste Element der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Wuttke: Das heißt, der Schutz von Betriebsgeheimnissen sollte nicht an erster Stelle stehen, sondern schon zumindest die Forderung der Politik, sich damit auseinanderzusetzen, dass das Abgeben der Versorgungsnetze, in diesem Fall eben der Wasserwerke, etwas ist, was so nicht länger bleiben kann, wenn man sieht, dass die Liberalisierung der Märkte eben auch für den Wassermarkt ja doch vor allen Dingen bedeutet, dass man damit viel Geld verdienen kann und sich die Monopolstellung großer Energiebetreiber damit verstärkt.

Röstel: Vorsicht! Das ist mir viel zu pauschal, wie Sie das jetzt so gesagt haben. Das läuft ja auf so eine schlichte Weisheit hinaus.

Wuttke: Ich habe es jetzt mal mit Schlichtheit versucht!

Röstel: Dann versuche ich, es mal mit Schlichtheit zu beantworten, und so ist die Welt nicht. Zu sagen, die öffentliche Hand, die sind zwar nett, aber ein bisschen verschlafen, machen es aber im Großen und Ganzen ganz gut, und die Privaten seien diejenigen, die ganz gierig sind und dabei aber pfiffig, das ist eine zu schlichte Botschaft. Ganz aktuell: Schauen Sie sich die Deutsche Bahn an. Das ist ein öffentliches Unternehmen, noch immer, und man ist trotzdem nicht zufrieden. Das garantiert erst mal noch gar nichts!
Was ich gesagt habe ist, dass ich möchte für diesen sehr sensiblen Bereich der öffentlichen Daseinsvorsorge, dass dort die kommunale Hand, die Öffentlichkeit immer die Mehrheit in eigener Regie behalten sollte, damit diese Kontrollfunktion, die völlig berechtigt ist, auch wahrgenommen werden kann, und dafür gibt es in den Unternehmen die zuständigen Gremien, wie zum Beispiel Aufsichtsräte, wie zum Beispiel einen Stadtrat, in Berlin eben der Senat. Wie weit das dann zu gehen hat, das muss man schauen. Da bin ich kein Jurist, um sagen zu können, wie weit Vertragseinsicht ist hier rechtlich gegeben oder ist zu geben. Man muss sich natürlich auch mit vor Augen halten, das hat es gegeben, als diese Teilveräußerung stattgefunden hat. Und was dann dahinter steckt, wie die Unternehmen zu ihren Rechnungen damals gekommen sind – ich kann Ihnen das nicht im Detail sagen, weil ich kenne es ja nicht -, das ist natürlich im Detail dann auch ein Stück Knowhow des jeweiligen Unternehmens. Ich kann wie gesagt einerseits gut verstehen, dass es hier eine stärkere Transparenz geben muss, dass erklärt werden muss, wie ist kalkuliert worden. So weit ich weiß, legen aber die Berliner Wasserbetriebe wohl, glaube ich, pro Jahr ihre Kalkulation offen, die sich ja im Wesentlichen auch nach gesetzlichen Vorgaben des Landes Berlin richtet. Das ist oft nicht ganz einfach zu verstehen, und deshalb - wir selber haben das in der Wasserwirtschaft insgesamt ja auch erkannt – plädieren wir ja selbst nachdrücklich hier für mehr Transparenz und haben mit der Kundenbilanz hier auch ein ganz entscheidendes Instrument neu geschaffen.

Wuttke: Im Interview der "Ortszeit" von Deutschlandradio Kultur die ehemalige Grünen-Politikerin Gunda Röstel, heute Geschäftsführerin einer Abwasserentsorgungsfirma in Dresden. Frau Röstel, vielen Dank, schönen Tag.

Röstel: Ich danke Ihnen auch!
Mehr zum Thema