Roboter und Algorithmen

Maschinen verschärfen den Wettbewerb um Arbeit

Ein Serviceroboter auf der Messe Automatica in München (aufgenommen 2014)
Ein Serviceroboter ersetzt Menschen im Dienstleistungsbereich © picture-alliance / dpa / Peter Kneffel
Von Caspar Dohmen · 29.09.2015
Maschinen werden immer mehr Jobs übernehmen - vom Lagerarbeiter bei Amazon bis zum Röntgenarzt im Krankenhaus. Den Menschen steht dadurch ein brutaler Kampf um übrig gebliebene und bezahlte Arbeit bevor. Es sei denn, die Gesellschaft ändert ihr neoliberales Politikmodell.
"Morgen. Ok, tschau, Morgen."
Das Fordwerk in Köln. Vorbei am Pförtner des Werksgeländes geht es in die alte Halle A, vorbei an einem Bild des Firmengründers und einem holzgetäfelten Saal, in dem bisweilen Neuheiten vorgestellt werden, hoch in den ersten Stock. Hier hat Karl Anton sein Büro. Als Produktionschef der europäischen Fordwerke kontrolliert er die Abläufe der Werke wie Köln, Saarlouis oder Valencia und sucht nach Verbesserungsmöglichkeiten. Seit wenigen Jahren kann sich der Manager jederzeit einen Überblick über das Geschehen in den Werken verschaffen – in Echtzeit.
"Information, also Information, die wir heute über Fabriken haben, auch online über Fabriken haben. Können ja mal rein gucken, dann haben sie ungefähr ein Gefühl dafür, also ich habe das auf meinem Laptop oder meinem Computer, ich kann es mir auch auf das iPhone runter laden. Ist dann nur ein bisschen unpraktisch, weil der Bildschirm so klein ist. Schauen wir mal, was haben wir den in Köln. Also, was sie hier sehen ist eigentlich, wie viel Autos sollten wir bauen, in Früh-, Spätschicht in Nachtschicht, total 1860 Autos. Und dazu liege ich aktuell etwas hinterher."
Karl Anton hat Automatisierungstechnik studiert. Als er 1983 im Kölner Werk anfing, galt er manchen Kollegen als ein Nerd. Aber er und all die anderen Automatisierungsexperten haben mit ihren Ideen den Alltag der Arbeit hier im Laufe der Zeit immer mehr geprägt. Maschinen haben Menschen immer mehr Arbeit abgenommen. Im Karosseriebau gibt es beispielsweise heute 1100 Roboter und nur noch 160 Arbeiter.
"Als ich 1983 hier angefangen habe, glaube ich, da hatten wir 12.000 Leute in der Fahrzeugfertigung und haben 200.000 Autos gemacht, heute haben wir noch 4000 Leute in der Fahrzeugfertigung, machen 400.000 Autos damit. Das ist schon ein enormer Produktionsfortschritt."
Ein Drittel der Belegschaft produziert heute die doppelte Menge Autos. Alle 33 Sekunden verlässt ein Fiesta die beiden Fließbänder der Fabrik.
Karl Anton steuert mit seinem Wagen über das weitläufige Firmengeländer im Kölner Norden. Es herrscht hier kein Gewusel mehr wie auf alten Fotos. Anton schildert begeistert, dass künftig dank neuer Technologie auch der Transport von Teilen zwischen Lager und Hallen automatisiert werden kann. Er erzählt von dem ersten automatischen Gabelstapler, der neuerdings im Werk in Saarlouis Teppichrollen transportiert Anton fährt auf einen Parkplatz und geht in die Haupthalle des Geländes, fragt nach einem Schlüssel.
Der Produktionschef fährt mit einem kleinen Elektromobil durch die Halle. Konzentriert arbeiten Menschen neben programmierten Maschinen. Er hält an der Stelle, wo Roboter Fenster in den Fiesta einbauen.
"Scheibenkleben ist hier, bewusst dunkel gehalten, weil die Kameras von Fremdlicht nicht gestört werden sollen, weil mit unterschiedlichen Farben ist das immer noch ein Thema. Wir können hier mal aussteigen und dann mal reinschauen. Hier wird das Glas angeliefert, das Glas wird unter so eine Düse gehalten, wird Kleber aufgebracht, sie sehen das jetzt, wenn die nächste Karosse durch ist, setzt das Glas genau in die Mitte."
Ein von Robotern geführtes Auto im Volkswagen-Werk in Wolfsburg. Davor ein Warnschild, dort nicht händisch einzugreifen.
In der Autoindustrie stellen aufgrund der Automatisierung immer weniger Menschen immer mehr Autos her.© John Macdougall / AFP
Präzise erledigen die Roboter die Arbeit, ohne zu ermüden. Und sie sind günstig. Zwischen drei und neun Euro liegen die Angaben für die Arbeitsstunde eines Roboters in der deutschen Automobilindustrie. Zum Vergleich: Die Arbeitsstunde eines Beschäftigten kostet in der deutschen Automobilindustrie etwas 40 Euro, in Osteuropa elf Euro und in China weniger als zehn Euro.
"Welcome to the Hannover Messe 2014. Welcome to this wonderful Event. My name is Nox. Nox the robot."
Ein Hüne von Roboter empfängt Besucher bei der Hannover Messe. Roboter sind hier seit Jahren Dauerthema. Ein Industrieroboter kostete im Schnitt vor zehn Jahren 182.000 Dollar, 2014 waren es 133.000 Dollar und 2025 sollen es laut Branchenprognosen nur noch 103.000 Dollar sein. Der Einsatz von Robotern rechnet sich damit immer öfter für Betriebe. Mittlerweile revolutioniert eine neue Generation von Robotern die Fabriken – die Vernetzung von Produktionsabläufen via Big Data hat begonnen. Davon schwärmt der Chef des Roboterherstellers Kuka bei einer Pressekonferenz seiner Firma auf der Hannovermesse 2015:
"Mit dem Roboter als Schlüsselkomponente schaffen wir es die digitale Fabrik zu bestücken und wir schaffen mit dem Roboter genau das Bindeglied zwischen der IT Welt, den Big Datas und dem Shop Floor für die Produktion. Der Roboter ist mittendrin und der Roboter ist eigentlich der Arm der IT in der Produktion."
Reuter spricht über die Zusammenarbeit von Menschen und Maschinen, schwärmt von Assistenzrobotern, berichtet von einer Diskussion am Vorabend mit Beschäftigten.
"Die Diskussion ging soweit, dass wir uns vorstellen können, dass vielleicht irgendwann in ein paar Jahren, der Mitarbeiter, Werker morgens ankommt und seinen eigenen Roboter mitnimmt."
Auch Ford-Manager Anton ist überzeugt, ohne Menschen geht es nicht.
"Weil sie werden immer Leute haben, die darin sind. Die absolut menschenleere Fabrik wird es aus meiner Sicht nicht geben."
Hörspiel: Nichts ist dem Menschen fremder als ein Roboter.

Weshalb erzeugen Sie sie dann?
Das ist gut, weshalb man Roboter erzeugt.
Zur Arbeit Mrs. Glori. Ein Roboter ersetzt zwei und einen halben Arbeiter. Der Mensch als Maschine is ungemein unvollkommen..
Er ist zu teuer.
Zu wenig leistungsfähig.
1978 lief im Rias eine Hörspielfassung des Theaterstücks von Karel Capek über die Firma Rossums Universal Robots, die mit humanoiden Maschinen die ganze Welt mit Arbeitskräften versorgen wollte. Roboter waren 1978 ein Topthema in der Wirklichkeit. Der japanische Roboterhersteller Kawasaki warb damals:
The unmanned Factory – Happiness for everyone"
Und das Nachrichtenmagazin der Spiegel titelte:
"Fortschritt macht arbeitslos. Die Computerrevolution."
Japaner gaben Beschäftigungsgarantieren - trotz technologischem Fortschritt
Der Soziologe Wolfgang Streeck vom Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung arbeitete damals in den USA am Massachusetts Institute of Technology an einem Projekt über die Automobilproduktion. Er erinnert sich genau an die damaligen Diskussionen zwischen Sozialwissenschaftlern und Ingenieuren über die Folgen computergesteuerter Maschinen für die Fabriken.
"Also die Ingenieure haben alle gesagt, Oh, jetzt aber, die personalfreie Fabrik, wir haben gesagt, nein, das hängt von sozialen Randbedingungen ab. In Amerika hat man sich auf Teufel komm raus bemüht, die neuen Computer dazu verwendet, die Arbeiter rauszuschmeißen. Das Ideal der leeren Fabrik, dass kommt von daher. Die Maschinen sind auch mal zunächst so gebaut worden, dass sie von alleine liefen. Zentralprogrammierung hieß das. Dann stellte sich aber heraus, dass die leere Fabrik ein Mythos war, damals, weil da zu viele Fehler vorkamen."
Erfolgreicher waren die japanischen Autobauer – sie nutzten den technischen Fortschritt anders als die Konkurrenz aus Detroit, erzählt Streeck. Toyota & Co gaben ihren Arbeitern sogar Beschäftigungsgarantien.
"Während man in Japan, damals, sozusagen überhaupt niemand entlassen hat im Prinzip, wenn man die Maschinen hatte, hat man benutzt, um die Produktvielfalt zu erhöhen, was unter den damaligen Marktsättigungsbedingungen eine geniale Strategie war."
Die japanischen Autobauer gaben ihren Arbeitern Jobsicherheit, verlangten ihnen dafür aber auch einiges ab.
"Die Arbeiter mussten lernen zu programmieren und sie mussten lernen mit Fließbändern fertig zu werden, auf denen kein Wagen der da vorbeikam so aussah, wie der andere, der da gerade vorher vorbeigelaufen war."
Das Beispiel zeigt, entscheidend für die Auswirkungen von technologischen Innovationen für die Beschäftigten ist der Umgang mit ihnen, auf betrieblicher und gesellschaftlicher Ebene. Allerdings suchen die Unternehmen in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem stets eine Antwort auf die gleiche Frage.
"Was ist der treibende Mechanismus, das ist relativ leicht zu identifizieren, die sozusagen Notwendigkeit unter Wettbewerbsbedingungen vermehrungsfähiges Kapital weiter zu vermehren, nicht wahr, sonst gehen sie unter. Man kann ja auch gerne untergehen und sich irgendwohin zurückziehen, aber dann macht das ein anderer, irgendeiner macht das, der wird das vermehrungsfähige Kapital weiter vermehren und wenn er es nicht mehr macht, ist er weg vom Fenster, und wie man das nun macht, da ist dem Erfindungsreichtum der Beteiligten sind da keine Grenzen gesetzt und heute weniger den je, weil wir ja in einer entgrenzten Gesellschaft operieren, wo regulative Mechanismen nicht mehr greifen und die Phantasie des individuellen Kapitalisten sozusagen keine Grenzen mehr kennt."
Praktisch bedeutet dies: Unternehmen suchen ständig nach neuen Möglichkeiten effizienter zu produzieren. Dabei helfen neue Technologien. Henry Ford zerlegte die Produktion einer Ware in verschiedene Schritte in einer Fabrik. Seine Nachfahren haben dazu gelernt: Sie zerlegen ihre Fertigung in eine Wertschöpfungskette, die sich oft rund um den Globus erstreckt. Unternehmen untersuchen genau, wo sie welchen Arbeitsschritt am effizientesten erledigen können und dazu gehören heute längst auch anspruchsvolle Aufgaben wie IT, Marketing oder die Entwicklung von Produkten. Mit dieser Denkweise sind viele Beschäftigte in der Praxis konfrontiert – auch der Ingenieur Hans Lawitzke, Betriebsrat im Kölner Fordwerk.
"Was ich immer so gerne als Taylorisierung der Kopfarbeit beschreibe. Das ist schon ein mutwillig betriebener Prozess, um sozusagen Standort übergreifend Arbeitsschritte zu vereinheitlichen, also nach den gleichen Methoden, nach denselben Abfolgen, die Abfolgen zu vergleichen, die Dokumente, die man braucht, von Schritt zu Schritt überall gleich zu machen, dieselben Formalismen, dieselben Notifikationen, um sagen wir mal Arbeit an der Stelle auch mutwillig austauschbar zu machen und vergleichbarer zu machen. Und aus meiner Sicht, auch wo es irgend geht Arbeit abzuwerten, nicht mit dem Ziel der Abwertung, aber mit dem Ziel der Verbilligung natürlich. Also wenn ich dann in der ganzen Kette, nicht die Modellbildung, aber das eigentliche Berechnen in Indien machen lassen kann, die Auswertung wieder in Deutschland, dann spare ich vielleicht zwar nur die acht Stunden der Berechnung, aber ich spare die schon einmal, und sie lernen auch was dabei. Ich glaube, dass ist dieses Zerlegen in immer mehr Blöcke, dass das ein mutwilliger Akt ist, der betrieben wird, und nicht nur um die zunehmende Komplexität zu handeln, sondern gerade auch um die Individuen darin entbehrlicher und austauschbarer zu machen."
Weltweit ist einer von fünf Arbeitnehmern bereits in einer globalen Lieferkette tätig
Das Gewerkschaftshaus am Hans-Böckler-Platz in Köln. An diesem Sommertag diskutierten Betriebsräte aus örtlichen metallverarbeitenden Betrieben über die Folgen neuer technologischer Entwicklungen. Der Kreis besteht überwiegend aus Ingenieuren – sie arbeiten unter anderem bei Ford, dem Computerhersteller HP, Siemens, dem Automobilzulieferer Visteon oder dem Maschinenbauunternehmen Schütte. Lawitzke erlebt bei Ford, wie der Wettbewerb zwischen Beschäftigten an verschiedenen Standorten des Weltkonzerns sich verschärft.
"Low-Cost-Country-Sourcing heißt das bei uns immer so schön, warum gibt es strategische Vorgaben von der Firmenleitung zu sagen, 25 Prozent der Entwicklungsarbeit sollen nach Indien, aus zwei Gründen: Erstens sie wollen eine Blockadehaltung der Europäer unterminieren, die sagen, das können nur wir, die sollen das gar nicht können, also wie nennt man das so schön, Besitzstandwahrungsdenken einfach mal flächig anzugreifen. Zweitens: Experimente erzwingen, auch um den Preis, dass es schief geht, einfach ausprobieren, was den überhaupt geht. Und drittens, denen, die es demnächst machen sollen, die Möglichkeit geben, es zu lernen."
Arbeit wird nicht nur innerhalb von Unternehmen rund um den Globus verteilt. Weltweit ist einer von fünf Arbeitnehmern laut der Internationalen Arbeitsorganisation ILO bereits in einer globalen Lieferkette tätig. Das können die Beschäftigten bei den asiatischen Zulieferern für die Modehändler sein, aber auch einzelne Selbständige. Als Makler für die Arbeit fungieren heute oft Onlineplattformen wie Clickworker, Elance oder Odesk. Auf solche Plattformen bieten heute schon 15 Millionen Menschen ihre Arbeitskraft an. In fünf Jahren könnten es bereits 160 Millionen Freelancer sein, erwartet die Unternehmensberatung McKinsey. Der durchschnittliche Stundenlohn eines Crowdworkers lag 2009 in den USA bei gerade einmal 1,38 US-Dollar. Und je mehr Menschen mitmachen, desto größer wird der Wettbewerb. Denn Mindestlöhne gelten für solche Selbständigen nicht – sie können sich immer weiter unterbieten, um Aufträge zu ergattern. Für Konzerne mag es ein Traum sein: Sie können immer einfacher aus dem Heer der Arbeitswilligen Topleute zu Niedriglöhnen anheuern – für die Arbeitenden ist es ein Albtraum. Der Druck auf Arbeitende nimmt zu, egal, ob sie fest oder frei arbeiten, beobachtet die Soziologie Melanie Frerichs, Forscherin bei der Hans-Böckler-Stiftung.
"Betriebsgrenzen werden flüssig, Arbeits- und Lebensgrenzen werden flüssig, Ländergrenzen, also im Grunde wird ja alles flüssig. Wer soll das ausbaden, es baden halt die Arbeitnehmer aus. Wir sind ja im Grund soziale lokale Wesen, wenn wir dann mit der Welt verbunden sind, ist es ja ein wahnsinniger Stressfaktor."
Mehr Flexibilität, wünschen sich heutzutage beide Seiten, Arbeitgeber und Arbeitnehmer, sagt Frerichs, aber sie wollen diese Flexibilität ganz unterschiedliche nutzen.
"Der Arbeitgeber eher meint, flexibel zu sein, ich ruf Dich jetzt an, weil du musst jetzt reinkommen. Der Arbeitnehmer sagt, ja so hatte ich mir das mit der Flexibilität nicht vorgestellt, sondern eher mein Leben und meine Arbeit besser in Balance zu bringen."
Alte Probleme stellen sich neu. Als die computergesteuerten Werkzeugmaschinen in den siebziger Jahren Alltag in Fabriken wurden, einigten sich IG Metall und Arbeitgeber auf ein Konzept, bei dem der einzelne Arbeiter die Maschine bediente und auf eine zentrale Steuerung weitgehend verzichtet wurde. Auf diese Weise blieb der einzelne Arbeitsplatz an der Maschine anspruchsvoll. Aber die Zeit ist vielerorts über diese Vereinbarung hinweggegangen. Heute werden viele Maschinen von Programmierern zentral gelenkt. Der Programmierer und Betriebsrat Jens Patzke erlebt dies bei dem Maschinenbauunternehmen Schütte.
"Was ich sehe halt, wenn ich mir gerade die Fertigungsmaschinen angucke, die wir selber betreiben, ist es so, dass es noch vor zehn Jahren noch so war, dass die alles selber gemacht haben, mittlerweile ist es so, dass die von uns aus der Programmierung fast alles vorgekaut kriegen. Das heißt, sie machen eigentlich nichts mehr, von dem, was sie früher machen mussten. Sie legen nur noch ein, brauchen nur noch Start drücken, dann kommt der Taster raus, prüft die Außenmaße, holt sich den Nullpunkt selber, gibt halt gegebenenfalls, wenn etwas schief läuft eine Meldung heraus, es wird alles schon vorgegeben."
Auch bei Reparaturen, lange eine Domäne für Spezialisten, bringen neue Technologien Veränderungen. Wenn eine Maschine in der Produktion irgendwo auf der Welt ausfällt, müssen möglichst schnell Servicetechniker anrücken, um die Ausfallzeiten gering zu halten. Dann fliegt der Spezialist nach Brasilien oder China. Weil das teuer ist, begannen Firmen umzudenken. Sie schicken schon einmal einen weniger Qualifizierten, der über Telefon von einem Spezialisten aus der Zentrale seine Anweisungen bekam. Künftig braucht niemand mehr fahren – stattdessen könnte ein Arbeiter vor Ort quasi ferngesteuert agieren, indem der Spezialist die Anweisungen in eine Google-Brille einspeist. Ford-Betriebsrat Lawitzke:
"Du brauchst als Techniker vor Ort gar nicht mehr der Spezialist sein, der die Maschine reparieren kann, wenn Du einen Werkzeugschlüssel anpacken kannst, stehst du da, er sitzt in Köln, du sitzt in deinem Werk, und er führt dir die Hand und sagt, schraube mal die Verkleidung ab, guck mal, was da los ist."
Hörspiel: Du lieber Gott, schöne Dame. Wir machen es ja so billig. 120 Dollar das bekleidete Exemplar, vor 15 Jahren hat es 10.000 Dollar gekostet. Vor fünf Jahren kauften wir Kleider für sie. Heute haben wir eine eigene Weberei und exportieren noch die Stoffe fünf Mal billiger als andere Fabriken. Das bedeutet, dass die Arbeit im Wert gesunken ist. Denn ein Roboter samt Fütterung kostet pro Stunde nur ein paar Cents. Das ist ein Spaß, sämtliche Fabriken kaufen schleunigst Roboter ein, um die Produktion zu verbilligen.
Ja, und werfen die Arbeiter auf die Straße.
Das versteht sich.
Warnungen vor Massenarbeitslosigkeit durch den Siegeszug intelligenter Maschinen
Aus Sicht des einzelnen Beschäftigten waren die Folgen der technologischen Entwicklung seit dem Beginn der Industrialisierung oft katastrophal. Insgesamt haben die Menschen jedoch enorm profitiert. Ein Mensch in Westeuropa ist heute ungefähr 20 Mal reicher als seine Vorfahren zum Beginn der Industrialisierung. Insgesamt entstanden auch mehr neue Jobs, als verloren gingen. So konnten Menschen massenhaft von der Landwirtschaft in die Industrie wechseln und später von der Industrie in den Dienstleistungsbereich. Szenarien von menschenleeren Fabriken und einer Wirtschaft ohne Jobs erwiesen sich bislang als falsch. Tatsächlich hat sich die Zahl der Beschäftigten beispielsweise in Deutschland von 1950 bis heute mehr als verdoppelt, auf über 42 Millionen Beschäftigte. Aber hält dieses Trend an? Nein, erwarten einige kritische Geister aus dem Silicon Valley. Martin Ford, IT -Unternehmer und Autor, warnte schon 2009 vor einer Massenarbeitslosigkeit durch den Siegeszug intelligenter Maschinen. In seinem im Mai in den USA erschienenen Buch "Rise of the Robobts" legt er nach:
"Wenn mit dem technologischen Fortschritt mehr Arbeiten automatisiert werden, lautete die Lösung bisher, den Beschäftigten eine bessere Bildung und Ausbildung zu ermöglichen, damit sie neue, anspruchsvollere Jobs übernehmen können. (…) Millionen einfacher Tätigkeiten in Bereichen wie Schnellrestaurants und dem Einzelhandel laufen heute Gefahr, durch Roboter und Selbstbedienungsautomaten ersetzt zu werden. Wir können sicher sein, dass auch für diese Arbeiter bessere Bildung und Ausbildung die bevorzugte Lösung sein werden. (…) Aber das anhaltende Rennen zwischen Technologie und Bildung könnte vielleicht in die letzte Runde gehen: die Maschinen ersetzen jetzt auch die höher qualifizierten Jobs."
Die Leistung von Computern verdoppelt sich alle 18 bis 24 Monate, weswegen Computer Menschen bei immer mehr Tätigkeiten überlegen sind. Manche sehen Chancen in der Zusammenarbeit von Mensch und Maschine. Die Soziologin Melanie Frerichs:
"Ich bin total fasziniert Mensch-Roboter-Kollobaration, heißt ja auch, die Maschinen kommen aus den Käfigen und so ist es auch, in so Simulationen auf der Hannovermesse sah man auch, wie der Roboter assistiert, und eine Hilfe sein kann."
Martin Ford schreibt skeptisch:
"Es gibt gute Gründe zu erwarten, dass viele Mensch-Maschine-Kooperationen nur von kurzer Dauer sein werden. (…) Wenn jemand mit oder unter einem Softwaresystem arbeitet, kann dies ein wirklich guter Job sein, aber, ob er es wahrhaben will oder nicht, er trainiert gleichzeitig die Software, die ihn am Ende ersetzt."
Während sie diesen Satz hören, programmiert vielleicht schon ein Informatiker einen Computer, damit er künftig ihre Arbeit erledigt. Auch einige Ökonomen stimmen in den Chor der Kritiker ein. Dazu gehören Erik Brynjolfsson and Andrew Mc Affee, die heute am MIT arbeiten. Ihre These: Wir stehen am Beginn des zweiten Maschinenzeitalters. Dank optimierter digitaler Technologien werden selbst zahlreiche kognitive Aufgaben automatisiert werden. Die Technologien erzeugen soziale und wirtschaftliche Umwälzungen, wie sie die Menschen während der ersten industriellen Revolution erlebt haben, als Maschinen und Anlagen einen großen Teil der manuellen Arbeit überflüssig machten. Ein Viertel der Produktion läuft in Deutschland schon hoch oder vollautomatisiert ab, schätzt das Fraunhofer Institut für Arbeitswissenschaft. Künftig werden noch mehr Vorgänge automatisiert werden, auch im Dienstleistungsbereich, der lange Zeit als Auffangbecken für all die Arbeitskräfte diente, die in der Landwirtschaft und Industrie ihre Arbeit verloren hatte.
Werbesendung: "Hey Guys at Kraft-TV-Channel. Today I'm here with Tim Anderson Masterchef-Winer and prominet cook. Today what your are cooking for us. I made a japanes classic Pork kaktsu curry rice."
Tim Anderson, der als Fernsehkoch in England bekannt ist, hat sein Wissen mit einem Computer geteilt. Er hat sich beim Kochen einen Datenhandschuh angezogen. Die Daten waren die Grundlage für ein Softwareprogramm, nach dem Roboter kochen. Weltpremiere hat die vollautomatische Küche der englischen Firma Shadow Robots bei der Hannover Messe 2015.
Zwei Moderatoren erklären den Zuschauern in der Halle die vollautomatische Küche, in der zwei Roboterarme wirbeln. Die Zutaten für eine Tomaten-Krabben-Suppe stellt ein Mensch auf kleine Markierungen in der Arbeitsfläche. Den Rest erledigt die vollautomatischen Küche alleine. Jeder Roboterarm hat 24 Gelenke, 20 Motoren, und die Greiffinger rühren sanft den Löffel oder bedienen genau den Pürierstab.
Maschinen und Software bedrohen nicht nur Dienstleistungsjobs in der Küche, sondern beispielsweise auch die von Taxi- oder Lastwagenfahrern. Und sie erledigen auch immer mehr Tätigkeiten von Kopfarbeitern. Eine Software hat bereits einen wichtigen Teil der Arbeit von Juristen in den USA übernommen. Im US-Rechtssystem spielen Präzedenzfälle eine wichtige Rolle. Früher suchten junge Anwälte in den Archiven die passenden Fälle. Heute erledigen dies Programme in wenigen Augenblicken. Auch ein Großteil des Börsenhandels findet mittlerweile zwischen Computern statt. Bald dürften Algorithmen auch die Arbeit vieler Röntgenärzte oder Pathologen überflüssig machen. Auf der roten Liste der bedrohten Jobs stehen alle Tätigkeiten, bei denen Routine eine große Rolle spielt und Big Data effektiv eingesetzt werden kann. Diesen Zusammenhang verdeutlicht der Oxford-Forscher Michael Osborne bei einer Vorlesung.
"Vor noch nicht allzu langer Zeit schien es unmöglich, Texte automatisch zu übersetzen. Es gab eine lange Phase, in der kaum Fortschritte gemacht wurden. Was die Veränderung brachte, war Big Data. Der Erfolg von Googles Übersetzungsprogramm beruht darauf, dass auf vorhandene Übersetzungen zurückgegriffen wird. Ein besonders gutes Beispiel sind die UN, die seit ihrer Gründung alle offiziellen Dokumente in ihre sechs Sprachen übersetzen lassen müssen. Wenn Google also eine kurze Einheit von zwei bis drei Wörtern übersetzen muss, die es in diesen Dokumenten findet, hat es Zugang zu Übersetzungen in fünf Sprachen, die es für seine Nutzer verwendet."
Neu ist die Geschwindigkeit mit der Maschinen Menschen ihren Job streitig machen
Google nutzt also die Arbeit von Generationen von Übersetzern, die im öffentlichen Auftrag gearbeitet haben, um Geschäfte zu machen. Osborne hat gemeinsam mit seinem Kollegen Carl Benedikt Frey die Folgen der Automatisierung für die USA untersucht. Dafür nahmen sie 702 von 840 verzeichneten Berufen unter die Lupe. Ihr Fazit: 47 Prozent der Jobs in den USA werden in den nächsten beiden Dekaden vermutlich von Maschinen ersetzt.
Hörspiel: Kommen Sie her zum Fenster, was sehen Sie?
Maurer!
Das sind Roboter. All unsere Arbeiter sind Roboter. Und da unten ist die Buchhaltung. Und darin?
Lauter Beamte.
Das sind Roboter. Alle unsere Beamte sind Roboter.
Mittag, um zwei Uhr werde ich Ihnen die Tröge zeigen.
Was für Tröge?
Mischbottiche für den Teig. In jedem wird gleichzeitig Stoff für tausend Roboter gemacht.
Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass Maschinen Menschen Arbeit abnehmen. Aber neu ist die Geschwindigkeit mit der Maschinen Menschen ihren Job streitig machen und das global. In Fabriken wie dieser sind selbst Beschäftigte mit niedrigster Entlohnung kein Garant mehr dafür, wettbewerbsfähig produzieren zu können. Dank weitgehender automatischer Fertigung rechnet sich heutzutage bereits die Herstellung bestimmter Bekleidung wieder in den Industrieländern. So ist die Textilindustrie in den USA zwischen 2009 und 2012 in den USA um 40 Prozent gewachsen – dank Automatisierung.
Hörspiel: "Wir Du meine Güte, wir haben mittlerweile 500.000 Tropenroboter auf die argentinische Pampa geworfen, damit sie Weizen anbauen. Leutchen, also in fünf Jahren werden wir in Weizen und allem möglichen Ertrinken. Ja, und sämtliche Arbeiter der Welt werden ohne Arbeit sein.
Das werden Sie Alquist, das werde sie Mrs. Glori, aber in zehn Jahren werden Rossums Universalroboter, so viel Weizen, so viel von allem erzeugen, dass die Dinge keinen Wert mehr haben werden. Dann nehme jeder wie viel er braucht, es gibt keine Not (...), der Mensch wird nur das tun, was er liebt. Er wird aller Sorgen ledig und von der Erniedrigung der Arbeit befreit sein. Er wird nur leben, um sich zu vervollkommnen."
Aber was passiert heute mit denjenigen, die ihre Arbeit verlieren? Sie werden in eine rauere Umwelt entlassen, als sie noch in den siebziger Jahren in den Industrieländern Alltag war. Das Umfeld in Betrieb und Gesellschaft hat sich verändert. Die Politik hat in den vergangenen Jahrzehnten die Steuern für Unternehmen und Vermögende gesenkt und den Druck auf Arbeitslose erhöht und Sozialleistungen gestrichen. Wolfgang Streeck:
"Es ist ja sogar so, dass es früher eine Welt gegeben hat in der Staaten und Gewerkschaften die Möglichkeiten, Profit aus diesem Prozess herauszuziehen begrenzt haben. Ja, konnten Sie eben nicht mit prekären Arbeitern arbeiten, das ging nicht, da gab es Arbeitsrecht und so gern sie das gemacht hätten. Dann konnte man das als Manager auch internalisieren, das tut man nicht, weil die ja wussten, dass kann man eh nicht machen. Aber jetzt, wo sich herausstellt, man kann das machen, da denken sie darüber nach, ist es nicht unsere ethische Verantwortung mit prekären Arbeitern zu arbeiten, weil sonst die Kapitalgeber uns kein Kapital mehr geben und überhaupt keine Arbeitsplätze mehr."
Das Bruttosozialprodukt mag steigen, aber für viele Menschen dürfte die technologische Entwicklung in einem persönlichen Alptraum enden. Der Kampf um bezahlte Arbeit wird zu einem brutalen Wettrennen zwischen Menschen werden, wenn die Gesellschaft die Weichen nicht anders stellt und an ihrem neoliberalen Politikmodell festhält. Bleibt alles wie gehabt, wird einer kleinen Minderheit von Gewinnern eine große Mehrheit von Verlierern gegenüberstehen. Allerdings wäre dies eine bewusste Entscheidung. Denn keine Technologie gibt ihre Folgen vor – dafür sind die gesellschaftlichen Institutionen verantwortlich. Wenn die Menschen mit den Ergebnissen der Institutionen unzufrieden sind, dann können sie sie ändern – damit möglichst alle Menschen von den Fortschritten der Technologien profitieren.
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