Robin Stevens: "Tödliches Spiel in Hongkong"

Feuerprobe in Fernost

05:51 Minuten
Cover von Robin Stevens "Tödliches Spiel in Hongkong", im Hintergrund ist eine Aufnahme von Hafen in Hongkong um 1930 zu sehen
Dieses Mal ermittelt das Duo Wells und Wong von Autorin Robin Stevens in Hongkong, wohin sie die Beerdigung von Hazels Großvater verschlägt. © Knesebeck/picture-alliance/akg-images/Collage: DLF Kultur
Von Kim Kindermann · 21.05.2019
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In ihrem sechsten Fall lässt Robin Stevens die jungen Detektivinnen Daisy Wells und Hazel Wong im Hongkong der 30er-Jahre ermitteln. Die Spur führt die beiden durch die Wirrungen chinesischer Traditionen – und an den Rand ihrer Freundschaft.
Daisy Wells und Hazel Wong sind Kult. Seit sie im Sommer 2016 die Krimibuchwelt mit "Mord ist nichts für junge Damen" betraten, folgt ein Fall dem nächsten – und jeder ist spannend, vielschichtig und extrem lustig.
Das liegt zum einen am Setting, der Deepdean-Mädchenschule im England der 30er-Jahre, und zum anderen an den beiden sehr unterschiedlichen Hauptfiguren: Daisy Wells, klug und hübsch, eine sehr von sich überzeugte reiche Engländerin und Hazel Wong, eine nachdenkliche und bescheidene Chinesin, deren Vater sie zum Lernen nach England geschickt hat. Die beiden, die stark an das männliche Duo Sherlock Holmes und Dr. Watson erinnern, haben ihr eigenes, streng geheimes Detektivbüro gegründet und ermitteln im besten Miss-Marple-Stil: eigenwillig, mutig und immer ihrer Zeit voraus.

Feministische Jugendliteratur

Denn so unterschiedlich die beiden Mädchen auch sind (sie ergänzen sich letztlich perfekt), zeigen sie, dass (junge) Frauen ernstgenommen werden müssen. Der Amerikanerin Robin Stevens gelingt damit ein dreifaches Salto: Sie steht in bester Krimitradition, integriert zugleich das bei jungen Leserinnen beliebte Internatsleben und schreibt feministische Jugendliteratur. All das äußerst unaufgeregt. Bravo! Bisher hat jeder der Fälle überzeugt.
Jetzt liegt Band 6 vor: Diesmal reisen die beiden Schülerinnen nach Hongkong. Hazels Großvater ist gestorben. Es gilt, seiner Beerdigung beizuwohnen. Doch tatsächlich tauchen die Mädchen wieder in vielschichtiges Abenteuer ein. Da ist die nach strengen Regeln funktionierende chinesische Familiendynastie, der neue Bruder, von dessen Geburt Hazel nichts wusste und der sie plötzlich in der Gunst des Vaters abzulösen droht, dazu der Mord an einem Kindermädchen und die Entführung eben jenes Bruders. Teddy, den Hazel aus Eifersucht nicht leiden kann, verschwindet auf dem Weg zum Kinderarzt.

Unterschiede zwischen Ost und West

Als mögliche Täter kommen der unter Geldnöten leidende Geschäftskollege des Vaters Mr. Svensson, die chinesische Teehausbetreiberin Mrs. Fu oder die gefürchtete Tiraden, die chinesische Mafia, in Betracht.
Eine spannende Spurensuche beginnt, in deren Verlauf sogar Hazel selbst unter Mordverdacht gerät: Die Kinderfrau wurde schließlich mit ihrer Haarnadel erstochen! Es gibt also viel zu tun für das umtriebige Duo, das sich gegen mächtige Intrigen und noch mächtigere gesellschaftliche Konventionen wehren muss. Schließlich spielt das Ganze im Jahr 1936.
Erzählt wird auch dieser Fall wieder aus Hazels Perspektive. Gewohnt sprachgewandt, reich an guter Beobachtungsgabe und feiner Ironie gelingt auch dieser Fallbericht. Immer tiefer taucht man in Hazels Welt ein, erfährt viel über die Traditionen Chinas, die Familienstrukturen und über die Unterschiede zwischen Ost und West.

Freundschaft auf die Probe gestellt

Vor allem aber lernt man die beiden Hauptfiguren noch mal besser kennen. Ist es sonst Daisy, die in England wortgewaltig und selbstbewusst die stets unbestrittene Anführerin der Detektei ist, übernimmt nun Hazel immer mehr die Führung.
Der sich daraus ergebende Konflikt zwischen den beiden Mädchen dient letztlich einer notwendigen Neubewertung ihrer Freundschaft. Hazel, die sonst ein wenig im Schatten Daisys zu verschwinden drohte, geht aus dem neuen Fall gestärkt hervor.
Aber auch Daisy wird interessanter: Ihre innere Zerrissenheit, führen zu wollen und jetzt in einem für sie ungewohnten Umfeld zurücktreten lernen zu müssen, lehrt sie, ihre Freundin noch mehr schätzen. Auch das ein guter Zug der Autorin: Sie lässt ihre Figuren wachsen – und damit letztendlich ihre Buchreihe. Denn man will mehr lesen von diesen beiden jungen Detektivinnen. Unbedingt und zwar sofort!

Robin Stevens: Tödliches Spiel in Hongkong. Der sechste Fall für Wells & Wong
Aus dem Englischen von Nadine Mannchen
Knesebeck Verlag, München 2019
320 Seiten, 15 Euro

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